02.06.2021

Serie zum Coronavirus

«Einige haben uns das Heft zurückgeschickt»

In Folge 177: Jon Bollmann ist Mitherausgeber des Reisemagazins «Transhelvetica». In der aktuellen Ausgabe sind nur schwarze Menschen abgebildet.

Herr Bollmann, Ihre Zeitschrift «Transhelvetica» fokussiert sich vor allem auf Reisen und Tourismus, hauptsächlich in der Schweiz. Welches waren die Auswirkungen im Corona-Jahr?
Als der Lockdown kam, waren wir zwei Wochen vor Drucklegung einer Ausgabe. Das Heft war quasi fertig, und wir hatten den Blick schon auf die Ruhephase nach dem Druck. Doch wir entschieden uns angesichts der Situation spontan zur Schubladisierung des fertigen Heftes und schufen mit gemeinsamer Kraft und viel Abenteuerlust ein neues Heft für Reise-Bedürfnisse während des Lockdowns: etwa kulinarische Schweizerreise, illegale Ausflüge an abgelegene Orte, überraschende Ideen zum kreativen Upgrade der Gassirunde.

Und wie waren die Reaktionen?
Das Heft war ein grosser Erfolg und bald ausverkauft. Auch das Folgeheft – eine lustvolle Weltreise innerhalb der Landesgrenzen, etwa zur grossen chinesischen Mauer im Tessin oder an die afrikanischen Sandstrände am Neuenburgersee – lief gut, und wir haben es wegen ungebrochener Nachfrage als Buch nachgedruckt.

Das tönt ja durchwegs positiv...
Leider hatten einige unserer Partner eine weniger entspannte Situation, weshalb wir die Kooperationen mit kreativen Mitteln am Leben halten mussten. Ich empfand es aber als sehr erfreulich, dass sich viele Partner offen aussprachen, aufeinander zugingen und neue Wege fanden. Wer die Zeit als Chance wahrnehmen wollte, dem konnte dieses verrückte Jahr auch Kraft schenken.

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Nun hat man den Eindruck, dass sich die Corona-Zeit zu Ende neigt. Spüren Sie bereits wieder einen leichten Aufschwung?
Seitens der Tourismusregionen hat der Aktivismus eindeutig zugenommen – aber während die Destinationen mit hohem Anteil an Binnentourismus einen Bombensommer vor sich haben, ist die Durststrecke der stark gebeutelten Städte noch lang. 2021 sollten wir deshalb Städtetrips in der Schweiz wagen!

Ihre letzte Ausgabe war spektakulär. Sie haben ausschliesslich schwarze Menschen abgebildet. Wie waren diesmal die Reaktionen aus der Leserschaft?
Wir haben sehr engagierte und berührende Post dazu erhalten, was uns sehr gefreut – und auch erleichtert hat. Im Vorfeld der Ausgabe wurde uns von allen Seiten davor abgeraten, das Thema anzusprechen. Totschweigen ist aber unseres Erachtens keine Option. Wir wollten einstehen für eine offene Gesprächskultur mit Anstand. So waren denn auch die meisten Rückmeldungen.

Gab es auch kritische Stimmen oder gar Abo-Abbestellungen?
Es gab auch Leute, die uns das Heft wieder zurückschickten, weil sie die Verwässerung der Schweizer Kultur befürchteten. Allerdings mit dem Vermerk, dass sie sich auf die Folgenummer freuen würden. Also keine Abokündigung. Wir waren dann versucht, Wutbürgern als Ersatz für die zurückgeschickte Nummer eine ältere Ausgabe zu senden – diejenige mit einem farbenfrohen Artikel über die Arosa Gay Ski Week ... Wir haben das dann aber doch sein lassen.

Wie kamen Sie auf die Idee zu dieser aussergewöhnlichen Aktion?
Im vergangenen Jahr durfte ich in Zug eine imposante Privatsammlung mit zahlreichen Bildern von Jean-Michel Basquiats besuchen. Seine Lebensgeschichte imponierte mir, und daraus entwickelte sich die Idee, ein ganzes Heft schwarzen Leuten zu widmen, die Aussergewöhnliches geschaffen haben. Damit konnten wir ganz unaufgeregt aufzeigen, dass clevere Gedanken und guter Charakter keine Frage der Hautfarbe sind.

War es schwierig, Models zu finden?
Es war schwierig eine Auswahl zu treffen aus den ganzen Geschichten und Menschen. Models fanden wir viele – doch bei klassischen Tourismusthemen wie etwa Wandern, Schlittenbauen, Kunstmuseen ist die Dichte an schwarzen Protagonisten noch eher unterdurchschnittlich. 

Welche weitere Projekte geplant?
Wir wollen in Zukunft mehr «Food for thought», also Gedankenanstösse für unterwegs liefern. Dazu wollen wir weitere Ausgaben machen, die sich einem gesellschaftlichen Thema widmen. Etwa guter Architektur, Raumplanung, Landwirtschaft oder Verkehr. Wenn man unterwegs ist, hat man ja oft viel Zeit, um sich mit einem Gedanken auseinanderzusetzen.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der Coronazeit?
Die gespenstische Leere zum Beginn der Pandemie war eindrücklich. Wir haben diese Zeit genutzt, um die Gipfel von gut erschlossenen Ausflugsbergen für einmal ganz für uns zu haben. Weniger Wachstum kann auch ein Zuwachs an Lebensqualität bedeuten.

 



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.


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