13.06.2021

LGBTIQ+

«Firmen investieren in Diversität und Inklusion»

Die Boston Consulting Group (BCG) setzt sich mit Jung von Matt Limmat und weiteren Schweizer Marken für Inklusion, Offenheit und Toleranz am Arbeitsplatz ein. Daniel Kessler, Managing Partner bei BCG, erklärt die Hintergründe.
LGBTIQ+: «Firmen investieren in Diversität und Inklusion»
Von ABB bis ZKB positionieren sich die CEOs von insgesamt 24 Unternehmen gegen Diskriminierung aufgrund von sexueller Identität und Gesinnung. (Collage: persoenlich.com, Bilder: zVg)
von Loric Lehmann

Herr Kessler, die Aktion «Das LGBTIQ+-Versprechen» findet nun zum zweiten Mal statt. Weshalb hat BCG sie ins Leben gerufen?
Die Idee entstand vor einem Jahr, als wegen der Pandemie die Zurich Pride erstmals ins Wasser fiel. Uns war es ein Anliegen, trotzdem ein Zeichen zu setzen, dass wir als Unternehmen für eine offene, tolerante und inklusive Firmenkultur einstehen. Deshalb kam die Idee, zusammen mit anderen Firmen ein ganzseitiges Inserat in der NZZ zu schalten und auf APG-Screens schweizweit – und die positive Resonanz letztes Jahr hat uns darin bestärkt, die Kampagne auch dieses Jahr wieder durchzuführen.

Warum braucht es die Aktion?
Weil wir als Wirtschaft und Gesellschaft noch nicht dort sind, wo wir sein müssten – solange LGBTIQ+-Personen nicht frei von jeglicher Diskriminierung leben können. Und natürlich auch, weil jede Firma ein ureigenes, wirtschaftliches Interesse an diversen Teams auf allen Stufen hat. Es wurde wissenschaftlich x-fach bewiesen, dass diverse Teams innovativer, kreativer und leistungsfähiger sind, und diese Erkenntnis setzt sich nach und nach bei allen Unternehmen durch.

Wie haben die angefragten Unternehmen reagiert?
Die Reaktionen waren durchwegs positiv – im Vergleich zum Vorjahr konnten wir die Zahl der teilnehmenden Firmen sogar noch steigern. Das ist ein starkes Zeichen, dass sich die Wirtschaft nicht nur in wirtschafts-, sondern auch in gesellschaftspolitischen Themen engagiert und sich gemeinsam für mehr Diversität einsetzt. Am Arbeitsplatz, aber auch in der Gesellschaft.

«Viele haben in den letzten Jahren ihre LGBTIQ+-Netzwerke auf- oder ausgebaut»

Dieses Jahr haben 24 Unternehmen das Versprechen unterschrieben. Wer kam dazu und wer ist abgesprungen?
Es macht mich unheimlich stolz, dass wir im Vergleich zum letzten Jahr gleich fünf neue Unternehmen für diese Kampagne gewinnen konnten: Google, Microsoft, Novartis, Schindler und Takeda. Dazu natürlich Jung von Matt, welche dieses Jahr das Inserat für die NZZ und die E-Screens gestaltet haben. Von den letztjährigen Teilnehmern hat sich nur eines gegen eine erneute Teilnahme entschieden. Nicht wegen der Sache, sondern weil sie die Prioritäten für 2021 bereits gesetzt hatten.

Wurden die Versprechen von letztem Jahr in den jeweiligen Unternehmen auch eingehalten? Oder sind das nur Lippenbekenntnisse?
Wir sehen, dass Firmen immer stärker in Diversität und Inklusion investieren. Viele haben in den letzten Jahren ihre LGBTIQ+-Netzwerke auf- oder ausgebaut, immer mehr erwerben das offizielle LGBTI-Label – und auch rund um die Pride positionieren sich Firmen heute viel aktiver, aus ganz unterschiedlichen Branchen.

Fahren Sie fort.
Zudem spüre ich auch in Gesprächen mit den Führungskräften dieser Unternehmen, dass dies nicht nur Lippenbekenntnisse sind. Und nicht zuletzt ist es ein starkes Zeichen, dass ebendiese Führungskräfte das Versprechen in dieser Anzeige auch persönlich unterschrieben haben. Natürlich sind auch heute noch nicht alle Firmen – auch wir nicht – bereits dort, wo sie sein wollen und sollten in Sachen Diversität. Aber die Tatsache, dass dieses Jahr 20 Prozent mehr Firmen mitmachen als im letzten Jahr, ist doch ein weiteres starkes Zeichen, dass immer mehr Arbeitgeber sich gemeinsam für mehr Inklusion einsetzen – am Arbeitsplatz, aber auch in der Gesellschaft.

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Wie sieht es bei BCG aus: Letztes Jahr hatten Sie uns gesagt, dass 40 Prozent Ihrer Geschäftsleitung Frauen seien. Konnten Sie den Anteil nun steigern?
Wenn Sie so fragen, «leider Nein»; unsere globale Geschäftsleitung ist seit dem letzten Jahr unverändert, mit nach wie vor elf Männern und sieben Frauen – oder eben den erwähnten knapp 40 Prozent.

Wie steht es bei BCG um die Lohngleichheit oder um die Möglichkeit der Teilzeitarbeit?
Wir dürfen mit Stolz sagen, dass wir hundertprozentige Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern auf gleicher Stufe haben. Und auch was Teilzeitmodelle angeht, versuchen wir, eine Vorbildrolle einzunehmen: Seit einigen Jahren bieten wir auch in der Beratung flexible Arbeitszeitmodelle mit Pensen zwischen 60 und 100 Prozent an, und das in verschiedenen Ausprägungen. Ausserdem waren wir eine der ersten Firmen in der Schweiz, die 2019 einen geschlechtsunabhängigen Elternurlaub eingeführt haben: 14 Wochen voll bezahlt für Mütter und Väter.

Im letzten Jahr hatte Publicis die Kampagne umgesetzt, nun arbeiten Sie mit Jung von Matt Limmat zusammen. Warum der Wechsel?
Die Zusammenarbeit mit Publicis entstand letztes Jahr durch informelle Kontakte, die mittlerweile aber weitergezogen sind. Deshalb sind wir dieses Jahr auf Jung von Matt zugegangen – und sind froh, dass sie sofort zugesagt haben, den kreativen Teil dieser Kampagne zu übernehmen. Ich glaube, dass sich dieses Jahr noch mehr Firmen an dieser Kampagne beteiligen als im letzten Jahr, ist nicht zuletzt auch ihren grossartigen Ideen zu verdanken.

«Mit kleinen Schritten kommt man irgendwann ans Ziel»

In der westlichen Welt setzten sich momentan viele Unternehmen öffentlichkeitswirksam für mehr Diversität ein. In konservativeren Ländern findet sich davon hingegen keine Spur. Ist das nicht ein Widerspruch?
Wir stellen fest, dass gerade internationale Unternehmen diesen Diskurs immer aktiver führen – auch in Ländern, wo das Thema Diversität und Inklusion von der öffentlichen Hand eher verschwiegen wird. Ein gutes Beispiel dafür ist die Koalition «Open For Business», in der auch BCG vertreten ist, und die sich aktiv für die Inklusion von LGBTIQ+-Personen am Arbeitsplatz einsetzt – gerade in diesen «konservativen» Ländern. Klar, es ist noch ein langer Weg, bis wir weltweit so weit sind, dass wir nicht mehr über Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung sprechen müssen, weil es schlicht kein Thema mehr ist. Aber auch mit kleinen Schritten kommt man irgendwann ans Ziel, auch wenn der Prozess nicht überall gleich schnell geht.

Nachdem das Parlament die «Ehe für alle» einführen wollte, wurde dagegen das Referendum ergriffen. Kann man Ihre Aktion auch als Teil des zukünftigen Abstimmungskampfes betrachten? Sind in diesem Zuge weitere Aktionen geplant?
Wir wollten die Kampagne bewusst nicht nur auf die «Ehe für alle» reduzieren, da dies unserer Meinung nach dem Thema nicht gerecht wird. Wenn wir von Offenheit, Toleranz und Inklusion reden, meinen wir mehr, als nur das Recht, heiraten zu dürfen, wen man will. BCG-Umfragen zeigen, dass sich auch in der Schweiz viele LGBTIQ+-Personen nicht trauen, sich am Arbeitsplatz zu outen. Diese Kampagne soll deshalb ein Beitrag dazu sein, ein berufliches – aber auch gesellschaftliches – Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wohl fühlen, so zu sein, wie sie sind. 



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