30.07.2024

Filmfestivals

Gebühren für Medien sorgen für Kritik

Medienschaffende müssen für die Akkreditierung an den Filmfestivals in Zürich und Locarno bezahlen. Die Gebühren seien nötig für die Deckung der Kosten, heisst es bei den beiden Veranstaltern auf Anfrage. Der Berufsverband Impressum sieht darin eine Hürde für unabhängigen Journalismus.
Filmfestivals: Gebühren für Medien sorgen für Kritik
Wird interviewt: die deutsche Schauspielerin Diane Kruger auf dem grünen Teppich des Zurich Film Festivals vom letzten Jahr. (Bild: Keystone/Ennio Leanza)

«Akkreditierung für das 20. ZFF ab sofort möglich», hiess es vor einigen Tagen an die Adresse von Journalistinnen und Journalisten. Doch wer vom 3. bis 13. Oktober über das Zurich Film Festival (ZFF) berichten will, muss dafür bezahlen: 70 Franken für eine Presseakkreditierung, 100 Franken für Anmeldungen nach dem 20. September. Nur Foto- und Kameracrews bezahlen nichts.

«Ein so grosses Festival wie das ZFF ist mit Kosten verbunden, die wir Jahr für Jahr tragen müssen», erklärt Simon Keller, Public Relations Manager des ZFF, auf Anfrage von persoenlich.com. Mit einer Presseakkreditierung erhalten Journalistinnen und Journalisten Zugang zu Pressevorführungen, regulären Vorstellungen, dem Green Carpet, Preisverleihungen, Medienkonferenzen, Interviews und weiteren Anlässen. «Die Akkreditierungsgebühren tragen dazu bei, die Kosten für diese Möglichkeiten, Dienstleistungen und Ressourcen zu decken.»

Die Gebühren sollen zudem sicherstellen, «dass nur seriöse Medienvertreter Zutritt erhalten und die Anzahl der Pressevertreter reguliert bleibt», so Keller weiter. Auch viele nationale und internationale Filmfestivals wie Locarno, die Berlinale, Sundance oder Venedig würden Akkreditierungsgebühren erheben und damit internationale Standards setzen.

Eine Medienakkreditierung beispielsweise an der Berlinale kostet 70 Euro, das Locarno Film Festival verlangt 50 Franken, respektive 80 Franken so kurz vor Festivalstart. Beim Locarno Film Festival, das vom 7. bis 17. August stattfindet, heisst es auf Anfrage: «Während des Locarno Film Festivals profitieren Medienschaffende von einer Vielzahl an Dienstleistungen. Sie haben Zugang zu über 300 Filmvorführungen, um möglichst umfassend und detailliert über das Festivalgeschehen zu berichten. Dazu gehören auch speziell für sie organisierte Pressevorführungen, Pressekonferenzen oder Events.»

Die Akkreditierungsgebühren würden lediglich «einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten» decken, die das Festival «für die Organisation und Finanzierung dieser umfangreichen Services und logistischen Arrangements benötigt», schreibt das Tessiner Festival weiter.

Zurück zum Zurich Film Festival, das im letzten Jahr die Gebühren um 20 auf 70 Franken erhöhte. «Bei der Akkreditierungsgebühr für Medienschaffende ist das ZFF jetzt europäische Spitze», schrieb die WOZ vor einem Jahr. Keller vom ZFF argumentiert: «Dieses Jahr sind auch wir von der allgemeinen Inflation in der Schweiz betroffen.»

«Keine finanziellen Hürden auferlegen»

Diverse angefragte Medienschaffende reagieren irritiert auf die Gebührenpraxis an Filmfestivals. Ein Journalist meint, dass diese Gebühren Freelancer ohne feste Abnehmer ausschliessen würden. Ein anderer sagt, dass er eine solche Praxis in über 20 Jahren journalistischer Tätigkeit noch nie gesehen habe – er allerdings auch nicht als Kulturjournalist arbeite.

Auch der Berufsverband Impressum reagiert auf Anfrage mit Befremden. «Tatsächlich haben wir noch nie davon gehört, dass für die Akkreditierung von Medienschaffenden Geld verlangt wird», so Zentralsekretärin Livia Lehner zu persoenlich.com. «Rechtlich gesehen können sich die Medienschaffenden hier leider nicht auf die Informationsfreiheit berufen, da dieses Grundrecht in Art. 16 BV gegenüber dem Staat gilt und keine Drittwirkung zwischen Privaten entfaltet.»

Impressum betrachtet diese Entwicklung mit Besorgnis. «Den Medienschaffenden sollten keine finanziellen Hürden für die Berichterstattung auferlegt werden. Deshalb plädieren wir dafür, dass die Filmfestivals Journalistinnen und Journalisten kostenfrei akkreditieren», so Lehner. Denn: «Die Festivals sollten sich darüber im Klaren sein, dass eine kritische und unabhängige Berichterstattung für ihre Glaubwürdigkeit essenziell ist.»

Die Zusammenarbeit der Filmfestivals mit den Medien sei wichtig, damit solche kulturellen Veranstaltungen sichtbar würden und erfolgreich seien. Lehner schreibt: «Letztlich behindert die kostenpflichtige Akkreditierung der Medienschaffenden auch die Vielfalt der Informationen. Denn wenn solche Akkreditierungen mit der Zeit teurer werden, können oder wollen sich einige Medien vielleicht irgendwann den Zugang zum Festival nicht mehr leisten.»

Andere Schweizer Filmfestivals sind gebührenfrei

Einen anderen Weg wählt das Dokumentarfilmfestival Visions du Réel in Nyon, das grösste Filmfestival der Westschweiz. Dort ist die Presseakkreditierung kostenlos, allerdings muss eine Berichterstattung garantiert werden. Auch die Solothurner Filmtage verlangen keine Akkreditierungsgebühren für Journalisten. «Wir setzen darauf, dass über das Festival und die Schweizer Filme, welche bei uns im Programm sind, berichtet wird, was als partnerschaftliche Zusammenarbeit betrachtet wird», heisst es dort auf Anfrage.

Dies entspricht ganz dem Sinn des Berufsverbands Impressum. Filmfestivals sollen die Akkreditierung von Medienschaffenden als Teil ihres kulturellen Auftrags verstehen und deshalb auf Gebühren verzichten, um eine vielfältige und unabhängige Berichterstattung zu ermöglichen.


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KOMMENTARE

Daniel Andorey
31.07.2024 16:03 Uhr
Ha, der durchgesponserte Anlass ZFF will Anmeldungs-Gebühren von Medienschaffenden. Es geht ja nicht um die Höhe, sondern ums Prinzip. Konsequent wäre es ja, wenn die Medienschaffenden einfach auf eine Akkreditierung bzw. Berichterstattung verzichten würden. Dann würde sich schnell anders ändern - für die Medienschaffen, die wirklich für Medien arbeiten - und nicht nur auch dabei wollen. ;-)
Victor Brunner
31.07.2024 10:17 Uhr
Geehrter Bernhard, wollen Sie einen Journalismus der vom ZFF und Almosen abhängig ist? Das hat mit Unabhängigkeit nichts zu tun. Etwas mehr Berufsstolz wäre angebracht! Wenn Journalisten/innen schlecht bezahlt sind muss das Impressum mit den Medienkonzernen aushandeln¨, nicht über 70 Fr. für das ZFF jammern! Eine Leistung einfordern heisst immer eine Gegenleistung erbringen, Hofjournalismus
Olivier Samter
31.07.2024 10:17 Uhr
Ich weiss nicht, ob Victor Brunner schon einmal journalistisch tätig war, wenn er wirklich der Überzeugung ist, dass freie journalistische Arbeit dermassen gut bezahlt wird, dass man durch die Berichterstattung über ein Festival Gebühren von 70 Stutz mal locker wegsteckt.
Christian Bernhart
31.07.2024 09:59 Uhr
"Werden für ihre Arbeit/Artikel bezahlt", na ja Victor Brunner, das schon, aber fragt sie wie viel bezahlt wird. Dass die Festivals Gebühren erheben, zeigt vor allem, dass sie eigentlich gar nicht an journalistische Kritik interessiert sind, Sie setzen viel mehr auf ihre geölte PR-Maschinerie, wie auch die Musikbranche. Nehme an, dass Sie frohlocken, dass die Zeiten des unabhängigen Journalismus vorbei sind. Gut wäre noch zu wissen, wer keine Gebühren zahlen muss, da sie eingeladen sind. Natürlich auserwählte PolitikerInnen und dienliche Meinungsmacher. So wird heute Medienarbeit gesteuert.
Isabel Hog
31.07.2024 09:17 Uhr
Bezahlen dafür, dass man für das ZVV Kommunikation und letztlich auch Werbung macht? Das finde ich schon ziemlich frech. Und demnächst kostet die Berichterstattung über UBS etc. auch eine «Akkreditierungsgebühr»?
Victor Brunner
31.07.2024 08:48 Uhr
Was für ein Gejammer, 70 Fr. für eine Akkreditierung ist doch gerechtfertigt und kann jede/r bezahlen, sie werden ja für ihre Arbeit/Artikel auch bezahlt. Wenn Impressum meint wegen 70 Fr. sei der unabhängige Journalismus gefährdet löst das Kopf schütteln aus. Die Zeiten des unabhängigen Journalismus sind längst vorbei und Goodies für Journalisten/innen auch, würde ja die imaginäre Unabhängigkeit in Frage stellen!
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