14.04.2020

Serie zum Coronavirus

«Ich scanne im Dunkeln alte Geschichten ein»

Im Teil 21 unserer Serie: Fotograf Alberto Venzago ist Selbstständigerwerbender und gehört der Risikogruppe an. Bilder von früher seien eine Super-Zeitmaschine, sagt er.
Serie zum Coronavirus: «Ich scanne im Dunkeln alte Geschichten ein»
Wurde vor einigen Wochen 70 Jahre alt: Der Schweizer Fotograf Alberto Venzago. (Bild: zVg.)

Herr Venzago, wie fest beeinträchtigt die ganze Krise Ihren persönlichen Alltag?
Da ich seit Beginn meiner Karriere eine one man show bin gibt es keine Umstellung. Homeoffice ist nicht neu, nur der Radius meiner Aktivitäten hat sich verändert. Während ich noch vor ein paar Wochen in New York am Knipsen war, sitze ich im Moment im Dunkeln in Zürich und scanne alte Geschichten ein. Das ist genau so spannend, wie damals live an Ort und Stelle zu fotografieren. Eine Super-Zeitmaschine.

Welche Auswirkungen hat der Virus auf Ihren Job?
Finanzielle!

Sie haben als Fotoreporter viele Krisen erlebt. Ist die Coronakrise mit einer anderen vergleichbar?
Wir haben es heute mit einer menschlichen Tragödie zu tun, die ich mir so nicht vorstellen konnte. Ich dachte ich gehöre einer Generation an, die von Kriegen und Seuchen verschont bleibt. Ich denke an die Flüchtlingslager, meine Freunde in West-Afrika, meine Tochter in den USA. Für die sind es einschneidende Änderungen. Auch ich habe nebst Ehekrisen schon persönliche Ausnahmesituationen erlebt. Helikopterabsturz, drei Herzoperationen, in einem Voodookloster verhext werden und 12 cm Haubitzen über mir explodieren sehen und hören. Aber dieses Virus ist schon ein neues weltumspannendes Phänomen, das nicht nur mich betrifft. Ich hätte gehofft, dass jetzt Kriege endlich verstummen und die Menschheit sich in dieser gemeinsamen Not zusammenfindet. Aber nichts dergleichen passiert, wir bleiben einfach Tiere.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis in den letzten Tagen?
Zeit für mich und meine engsten Freunde zu haben. Und der Gedanke, obwohl zur Risikogruppe zu gehören, es noch einmal – bis jetzt – geschafft zu haben. Und leider auch die bestätigte Einsicht: Unter Stress zeigt sich die wahre Persönlichkeit. Politiker bleiben Politiker, sie sind völlig unbrauchbar und ihr Geschwafel überflüssig.


Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier

 


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