Herr von Graffenried, wie fest beeinträchtigt Corona Ihren persönlichen Alltag?
Corona ist dafür verantwortlich, dass ich nicht mehr aus dem Haus gehe. Ich bin am 11. März von einer Reportage aus Libanon zurückgekehrt. Seit dem 15. März habe ich mich mit dem Filmmacher Roland Lanz und seiner Pariser Familie mit zwei Buben im Alter von sechs und zehn Jahren ins Emmental zurückgezogen – und Roland und ich arbeiten gemeinsam am Fortgang des Swiss Press Award 20. Er schneidet die Porträtfilme der Nominierten und Gewinner, die er zum Glück kurz vor dem Shutdown noch fertig drehen konnte. Und ich an den zwei Katalogen, welche viersprachig bald in den Druck müssen. Ich arbeite kommuniziere per PowerBook mit den Übersetzern und per Screen-Sharing mit dem Designer Gerhard Blättler fürs Layout. Geplant war, dass ich am Freitag, 27. März, nach New York fliege. Der Flug wurde gestrichen und das Ticket wird zurückerstattet. Am 16. April hätte ich in Amsterdam an der Preisverleihung des World Press Photo teilgenommen. Ich war dieses Jahr in dessen Jury. Die Preisverleihung und das dazugehörende Festival wurden abgesagt.
Welche Auswirkungen hat der Virus auf Ihre berufliche Tätigkeit?
Seit einiger Zeit schon bin ich mir bewusst geworden, dass die «Reiserei», wie sie meine Generation noch unternehmen konnte, nie wieder so möglich sein wird. Wie viele Wochen wenn nicht Monate habe ich als Fotojournalist in Flugzeugen rund um die Welt verbracht? Der Verkehr in der Luft wurde bis vor Kurzem wirklich übertrieben. Da heute jeder Erdenbürger ein Fotoapparat (Handy) im Sack hat, braucht es auch immer weniger Fotojournalisten, welche um den Erdball jetten. Wichtig werden die Bildredaktoren, welche die Bilder auf der ganzen Welt zusammensuchen und auslesen müssen. Global Warming und Covid-19, das Virus und die damit ausgelöste Wirtschaftskrise werden es richten.
Welche Massnahmen haben Sie in dieser schwierigen Situation getroffen?
Am 17. März musste der Stiftungsrat der Fondation Reinhardt von Graffenried schweren Herzens entscheiden, die traditionelle Swiss-Press-Award-Preisverleihung im Berner Hotel Bellevue Palace Ende April dieses Jahr auszusetzen (persoenlich.com berichtete). Die Preise werden nun zwangsläufig am 29. April per Post verschickt. Meine Lebenspartnerin Esther Woerdehoff hat entschieden, in Paris zu bleiben, wo sie auch ihre Galerie betreibt. Diese muss allerdings zurzeit geschlossen bleiben, ist aber online erreichbar – und Kunstfotografien können weiterhin über die Galerie bezogen werden. Meine Frau darf nur eine Stunde pro Tag aus dem Haus und das auch nur mit einem ausgedruckten Formular, wo der Grund ihres Ausflugs darauf angekreuzt werden muss. Valable Gründe sind: Essen kaufen, zum Arzt gehen und Sport oder Spaziergang. Alles allein oder maximal zu zweit. Für Zuwiderhandlungen werden Ordnungsbussen ab 135 Euro einkassiert. Als Schweizerin kann sie jederzeit in die Schweiz einreisen, aber die Transportmittel werden jeden Tag weniger. Soeben wurden 50 Metrostationen in Paris geschlossen. Auch der Flughafen Orly wird am Wochenende komplett dicht gemacht. Der letzte direkte TGV von Paris nach Basel wurde vor ein paar Tagen auch gestrichen. Esther nimmt es als positive Herausforderung und erfindet sich neu.
Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.