10.04.2017

WANNER PETER/August, September 2016

WANNER PETER/August, September 2016

Peter Wanners Medienreich erstreckt sich mittlerweile über die ganze Deutschschweiz. Aus dem kleinen Badener Verlag ist ein nationaler Player geworden, der in allen Mediengattungen präsent ist. Trotz der wirtschaftlich schwierigen Situation glaubt der 72-Jährige an die Zukunft der Branche. Ein Gespräch über die AZ Medien, Christoph Blocher, Watson, die SRG, seinen Vater und seine linke Vergangenheit.

Herr Wanner, Sie sind seit genau zwanzig Jahren oberster Chef der AZ Medien. Befinden Sie sich momentan in Ihrer schwierigsten beruflichen Zeit?
Höchstwahrscheinlich schon. Vor zwanzig Jahren, als ich die Verantwortung für unsere Firma übernommen habe, konnte man sich im Traum nicht vorstellen, dass das Geschäftsmodell Tageszeitung irgendwann ins Wanken geraten würde. Bis 2006 – also kurz vor der Finanzkrise – herrschten paradiesische Zustände: Die Auflagen stiegen, und es gab immer mehr Inserate und auch Leser. Doch jetzt hat sich alles geändert. Wir befinden uns mitten in der digitalen Transformation. Man muss neue Geschäftsfelder suchen und innovativ bleiben, um Erfolg zu haben.

Aber was heisst das konkret?
Verleger zu sein, ist wie Alpinismus im Hochgebirge. Die Erfahrung zeigt: Der Aufstieg zum Gipfel kann sehr hart sein, der Abstieg aber auch. Den Peak haben wir überschritten, doch jetzt stellt sich die Frage: Wann ist der Plafond erreicht, wo haben wir wieder stabilen Boden unter den Füssen? Ist es auf der Höhe der Achtzigerjahre, oder fallen wir noch tiefer? Jeder Verleger ist gezwungen, neue Ideen zu entwickeln.

Was ist Ihr Patentrezept?
Erstens war es stets mein Credo, die erwirtschafteten Gewinne zu reinvestieren. Dadurch ist es uns gelungen, zu wachsen und die Firma breiter abzustützen. Investitionen muss man sich aber auch verdienen, was einen haushälterischen Umgang mit den vorhandenen Mitteln und mitunter Sparanstrengungen verlangt. Dies gilt besonders in Zeiten wie diesen, in denen wir mit stark rückläufigen Werbeeinnahmen konfrontiert sind. Wir kommen deshalb um eine weitere Sparrunde nicht herum. Zweitens zwingt einen die digitale Transformation, kreativ zu sein und nach neuen Modellen zu suchen. Ich schlage mich zum Beispiel schon lange mit dem Gedanken herum, ob man auf die Montagsausgabe der Tageszeitung verzichten könnte. Je länger, desto realistischer erscheint mir dies. Publizistisch ist das meiste bereits in den Sonntagsmedien abgehandelt, zudem ist das Inserateaufkommen am Montag sehr gering. Das ist aber erst eine Idee.

Diese war nicht der Grund für Christian ­Dorers Kündigung?
Nein. Dorer suchte nach acht Jahren eine neue Herausforderung. Das kann ich nachvollziehen. Er hatte vor vier Jahren schon das gleiche Angebot, doch damals konnte ich ihn noch umstimmen. Ich nehme es mittlerweile gelassen, weil sich intern wie extern sehr gute Kandidaten für den Job gemeldet haben.

Ein Verzicht auf die Montagsausgabe wäre aber eine einschneidende Massnahme.
Ja, aber ich bin zur Ansicht gelangt, dass die Montagsausgabe für eine Tageszeitung nicht zwingend notwendig ist. Als wir noch keine Sonntagsausgabe hatten, erschienen wir auch nur sechsmal in der Woche. Möglich­er­weise muss man nach Wahlen oder wichtigen Abstimmungen eine Sonderausgabe machen. Sonst orientieren sich die Leser zusehends über Tablet oder Smartphone. Der Vorteil: Man spart Druck-, Papier- und Vertriebskosten.

Stammt diese Idee von Ihnen?
Ja und nein. In den USA hat man auch schon damit experimentiert, an einzelnen Tagen in der Woche nicht zu erscheinen. Die Reaktionen waren gemischt. Es kommt sehr auf die Konkurrenzsituation an, in der sich eine Zeitung befindet. Wie und ob es wirklich funktioniert, kann ich nicht sagen, aber es wäre zumindest einen Versuch wert. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an eine Aussage des italienischen Autors Umberto Eco, die er kurz vor seinem Tod in einem Interview mit der Zeit gemacht hat: «Die Zukunft der Tageszeitung ist die Wochenzeitung.» Da ist was dran – weit vorausgedacht.

Sie haben vorhin die Konkurrenzsituation angesprochen. Wie erleben Sie diese?
Es kommt auf das Segment an. Unser Verlag ist in den Bereichen Print, Radio, Fernsehen und Online präsent. Wirklich angespannt ist die Konkurrenzsituation im Raum Basel, wo wir mit der Basellandschaftlichen Zeitung und der bz Basel gegen die Basler Zeitung fighten und zudem mit der Tageswoche, der Basler Ausgabe von 20 Minuten und diversen Onlinemedien sowie Fernseh- und Radiokanälen im Wettbewerb stehen. Es ist erstaunlich: Basel ist schweizweit diejenige Stadt mit der grössten Medienvielfalt.

So ein Fight kostet viel Geld.
Ja, aber wir haben genügend Mittel und möchten unser Basel-Engagement in den nächsten Jahren sogar ausbauen. Während die BaZ-Auflage sinkt, können wir bei der bz eine steigende Auflage ausweisen.

Interessant. Noch vor zehn Jahren mussten Sie sich massiv gegen die Zürcher Medienhäuser verteidigen, jetzt ist der Gegner im Nordwesten.
(Lacht.) Sie haben recht. Basel ist jetzt der umkämpfte Markt.

Aber was ist Ihr Interesse? Wollen Sie irgendwann die Basler Zeitung ablösen oder gar übernehmen?
Es gab ein Interview mit Christoph Blocher, in dem er sagte: «Alle wollen die BaZ!» Das kann ich nicht verneinen, obwohl die BaZ an Bedeutung verloren hat. Wir glauben, dass zwischen der BaZ und der bz ein grosses Synergiepotenzial besteht. Aber auch die NZZ und Tamedia wollen die BaZ – Letztere erst recht. Tamedia pflegt mit der BaZ bereits intensive Beziehungen. So drucken sie heute die Zeitung und lassen im Gegenzug Das Magazin und die SonntagsZeitung an die BaZ-Abonnenten verteilen. Auch online arbeiten sie zusammen.

Haben Sie mit Herrn Blocher auch Kontakt?
Alle führen Gespräche mit Herrn Blocher, auch wenn sie dies manchmal dementieren. Wir haben zwar keine konkreten Verhandlungen geführt, aber selbstverständlich miteinander gesprochen. Das ist doch normal. Ob man will oder nicht: Christoph Blocher ist, abgesehen von seiner politischen Tätigkeit, auch Verleger geworden.

Was würden Sie mit ihm tauschen? Der Tauschhandel scheint ja unter den Schweizer Verlegern ein neues Businessmodell geworden zu sein.
(Lacht.) Das ist offenbar so. Wir haben mit Herrn Blocher auch schon Kooperations­ideen im Druck und im Vertrieb diskutiert. Den kolportierten Tausch der BaZ gegen die Schweiz am Sonntag müsste ich mir aber sehr gut überlegen. Herr Blocher wollte uns auch schon mal die bz abkaufen. Das kam für mich aber nicht infrage.

Was sagen Sie denn zu den Plänen einer Gratis-Sonntagszeitung?
Dies wäre für die ganze Branche eine Herausforderung. Dafür müsste Herr Blocher aber sehr viel Geld in die Hand nehmen. Es braucht eine volle Feldflasche, aber die hat er ja. Das Ganze birgt auch ein gewisses Risiko: Von null an einen neuen Titel in einem gesättigten Markt zu lancieren, ist nicht ganz einfach, obwohl BaZ-Geschäftsführer Rolf Bollmann mit 20 Minuten bewiesen hat, dass er so was stemmen kann.

Rolf Bollmann ist bei Ihnen gross geworden.
(Lacht.) Rolf Bollmann hat während vier Jahren das Handwerk bei uns gelernt. Das betont er auch immer wieder.

Es ist interessant: Wenn man derzeit mit Verlegern spricht, wirken alle leicht depressiv. Sie sind die Ausnahme.
Persönlich fühle ich mich fit. Die Konkurrenz weckt neue Energien. Bei uns sind die Auflagen ziemlich stabil oder wenig rückläufig. Eine erfreuliche Ausnahme ist Basel, wo wir sogar an Lesern und Auflage gewinnen konnten. Aber natürlich macht uns der Werbemarkt schon Sorgen. Trotzdem haben wir Bereiche, in denen wir wirklich Geld verdienen.

Welche denn?
Die verrate ich Ihnen nicht (lacht). Aber ein Beispiel gebe ich Ihnen: den Zeitungsdruck. Wenn alle aussteigen und desinvestieren, müssen Sie eben antizyklisch investieren. Das haben wir gemacht und 24 Millionen Franken in eine neue Druckmaschine und eine Versandraumanlage investiert. Die Rechnung geht auf: Wir sind im Zeitungsdruck platschvoll.

Wechseln wir das Thema. Machen Sie weiter mit Watson?
Selbstverständlich.

Obwohl das Schmerzensgeld mit über zwanzig Millionen Franken doch sehr hoch war?
Wir haben das von Anfang an einberechnet. Wenn man einen etablierten Titel kauft, kostet das auch sehr viel Geld. Ich möchte nicht verschweigen, dass Watson wahrscheinlich mehr kosten wird als ursprünglich geplant. Doch jetzt haben wir die Businesspläne revidiert und sind auf Kurs. Watson hat bei seiner Zielgruppe eine hohe Akzeptanz. Wir erreichen momentan 1,2 Millionen Unique Clients und 9 Millionen Visits pro Monat. Wir sind nun zweieinhalb Jahre unterwegs, und die Einnahmen machen rund die Hälfte von dem aus, was das Portal kostet. Fussballerisch gesehen, beginnt nun die zweite Halbzeit, wobei wir noch einige Tore schiessen müssen. Vielleicht das grösste Problem von Watson ist, dass das Newsportal noch nicht überall bekannt ist, das heisst, Watson ist zwar ein «geiles» Produkt und hat seine Positionierung gefunden, aber wir müssen noch weitere Marketinganstrengungen unternehmen, um das Portal besser und breiter bekannt zu machen.

Wie sieht es bei den elektronischen Medien aus?
Wir haben bei Radio 24 einiges falsch gemacht, nicht zuletzt bei der musikalischen Ausrichtung. Daneben hat es auch sehr viele Personalwechsel gegeben. Eines ist klar: Radio 24 muss von Zürich aus geführt werden, alles andere funktioniert nicht. Zugegeben, es war sehr ärgerlich, als wir die Position als meistgehörtes Privatradio der Schweiz verloren haben. Mein jüngster Sohn Florian als Geschäftsführer und Nicola Bomio als Programmleiter sind nun dran, das Steuer herumzureissen, wobei die ersten Erfolge bereits erkennbar sind. Ich habe Radio 24 nicht gekauft, um den Retourgang einzulegen – im Gegenteil. Doch Zürich ist ein hoch kompetitiver Medienmarkt.

Und wie sieht es bei den anderen Sendern aus?
Radio Argovia ist stabil. Das Gleiche gilt für die Fernsehsender, welche bei uns eine
strategisch wichtige Funktion haben. Wachstumsfelder orte ich ganz klar im Bereich Online, beim Fernsehen und Radio sowie in Basel. Wir wollen vor allem in die eigenen Produkte investieren.

Aber wie wollen Sie das alles finanzieren?
Wir mussten zuerst die vielen Investitionen und Projekte, die wir angestossen hatten, verdauen und teilweise abschreiben. Jetzt zeichnet sich ein neuer finanzieller Spielraum ab. Und selbst wenn wir nicht überall losschlagen können, wo wir möchten, ist das nicht so schlimm. Das zwingt uns zu einem gestaffelten Vorgehen und zu wohlüberlegten Entscheidungen.

Vor einem Jahr ist Admeira ins Leben
gerufen worden. Wäre eine Zusammenarbeit für Sie eine Option?
Wir haben mit Admeira Verhandlungen über die nationale Vermarktung unserer Radio- und Fernsehsender geführt. Für elektronische Medien gibt es in der Schweiz nur zwei Optionen: entweder Goldbach oder Admeira.

Unternehmerisch könnten Sie mit Admeira zusammenarbeiten, medienpolitisch waren Sie immer dagegen.
Ja, wir hatten keine Freude, als vor einem Jahr die Werbeallianz zwischen der SRG, Swisscom und Ringier bekannt wurde. Die Wettbewerbskommission hat das Projekt jedoch unter fragwürdigen Voraussetzungen bewilligt, obwohl – wie heute bekannt ist – das Sekretariat anderer Meinung war. Die Kommission hatte anschliessend das Sekretariat überstimmt. So etwas kommt nur in der Schweiz vor. Wenig später hat das Bakom seinen Segen betreffend Admeira gegeben, allerdings mit Auflagen. Nach meiner Ansicht kann man Admeira kaum mehr stoppen. Störend ist, dass die Verantwortlichen von Admeira nicht offen sagen, was sie eigentlich wollen.

Was wäre dies Ihrer Ansicht nach?
Der wahre Grund ist, dass die SRG mit allen Mitteln an die Onlinewerbung rankommen will. Das ist die «hidden agenda».

Der SRG ist es heute nicht erlaubt, Onlinewerbung zu machen ...
Ja, aber die SRG spekuliert darauf, dass sie eines Tages die Erlaubnis erhält, Onlinewerbung auszustrahlen, und dies trotz des bundesrätlichen Verbots und trotz 1,6 Milliarden Franken Einnahmen aus Gebühren (rund 1,2 Milliarden Franken) und linearer Werbung (inklusive Sponsoring rund 300 Millionen Franken) sowie übrigen Erträgen im Jahr 2015. Es ist der SRG offenbar egal, wenn es dadurch zu einer groben Wettbewerbsverzerrung und einer Marktdominanz kommt, wie sie kein anderes europäisches Land kennt. Es gibt Studien, die der SRG eine goldene Zukunft mit Onlinewerbung voraussagen. Vorausgesetzt, die SRG hätte keine publizistischen und kommerziellen Beschränkungen mehr im Internet, würde es für die privaten Anbieter praktisch unmöglich, sich gegen einen solchen Player zu behaupten. In Zeiten, in denen Print zurückgeht, ist Online für viele Verlagshäuser der letzte Rettungsanker. Es entspricht offenbar einer geheimen strategischen Zielsetzung der SRG, dass sie sich weiter ausbreiten und zum alleinigen dominanten Player werden will, während sich die privaten Verlage um sie herum aufreihen dürfen und von ihrer Grossherzigkeit abhängig sind. Die SRG will medienpolitisch zum alleinigen Planeten werden, um den herum alle ein bisschen kreisen und kooperieren dürfen.

Ist dies wirklich so? Offiziell dementiert die SRG solche Absichten.
Die SRG müsste ihre langfristige Strategie offenlegen. Diese darf nicht geheim bleiben, sondern muss öffentlich diskutiert werden. Jeder Gebührenzahler hat ein Anrecht darauf, zu wissen, wohin die Reise geht. Und jeder eidgenössische Parlamentarier sowieso. Wo steht die SRG im Jahr 2020 oder im Jahr 2025? Wie hoch ist dannzumal der Gebührenanteil? Das kann man ausrechnen. Und wie viel Werbung braucht es dann noch?

Die SRG will doch Targeted Advertising.
Ja, aber für das lineare Fernsehen ist Targeted Advertising wenig sinnvoll, und nur für den Werbeverkauf hätte man Admeira nicht gründen müssen. Targeted Advertising macht nur online Sinn. Forscher der Universität Genf haben ausgerechnet, dass die SRG eines Tages mit Onlinewerbung auf Targeted-Advertising-Basis gegen eine Milliarde Franken oder mehr generieren kann. Da die SRG nach eigener Auffassung mit 1,5 Milliarden Franken Einnahmen aus Gebühren und Werbung über die Runden kommen sollte, müsste das überschüssige Geld in einen Topf kommen, und von dort würde es an notleidende Medienhäuser verteilt. Doch das wären schlimmere Zustände als in der Landwirtschaft. Eine eidgenössische Kommission oder Stiftung müsste dann die Gelder verteilen. Wir hätten lauter gelenkte, staatlich abhängige und subventionierte Medien. Es wäre das Ende einer freien pluralis­tischen Medienlandschaft, das Ende der Presse- und Medienfreiheit.

Also keine Onlinewerbung für die SRG?
Wie sollen werbefinanzierte Onlineportale überleben können, wenn daneben ein Monopolist sitzt, der dank seiner Gebühren­gelder unbeschränkte Möglichkeiten hat?
Deshalb ist es wichtig, dass die massive Wettbewerbsverzerrung, die wir im Fernseh- und im Radiobereich haben, nicht auch noch online stattfindet. Die Verleger müssen mit allen Mitteln die beabsichtigte Onlinewerbung der SRG bekämpfen.
 
Dann sind Sie für die Abschaffung der SRG?
Überhaupt nicht. Aber ich bin für eine Plafonierung der Einnahmen der SRG bei 1,2 Milliarden Franken. Sie ist dann immer noch das grösste Medienunternehmen der Schweiz. Eine Milliarde aus Gebühren und maximal 200 Millionen Franken aus Werbung reichen und sind mehr als genug. Beide Einnahmequellen sollte das Parlament strikt plafonieren, sonst wächst die SRG wie ein Moloch ungehindert weiter. Man kann auch mit 1,2 Milliarden Franken noch sehr gute Programme machen.

Was darf die SRG noch?
Die SRG brauchte sich nur auf den Kernauftrag des Service public zu besinnen, nämlich auf politische Information – und zwar auch dann, wenn viele in den Ferien sind. Es geht doch nicht an, dass man den Service public nach Schalterstunden ausrichtet. Generell braucht es weniger Sport und deutlich weniger Unterhaltung. Davon ist vieles auch auf dem freien Markt erhältlich. Besonders grotesk ist die Situation bei den öffentlich-rechtlichen Radiokanälen. Deren Leistungen könnten die privaten Kanäle weitgehend auch erbringen, vor allem, was die Rock- und Pop-Sender angeht. Die massive Wettbewerbsverzerrung durch Gebührenfinanzierung einerseits und die Zurückdrängung der Privaten auf lokale Gebiete andererseits verhindern aber, dass die Privaten auf ansehnliche Reichweiten kommen, mit denen sie zusätzliche Werbegelder akquirieren und dadurch in eine bessere Programmqualität investieren könnten. Nochmals: Warum muss man mit Zwangsgebühren Leistungen subventionieren, die der Markt auch erbringen kann? Warum lässt es die Regierung zu, dass durch ihre Medienpolitik private Unternehmen an die Wand gefahren werden? Dies widerspricht unserer libe­ralen Wirtschaftsordnung, die durch die Bundesverfassung garantiert ist. Wann sieht der Bundesrat ein, dass eine weitere Ausbreitung der SRG im höchsten Grad wettbewerbsverzerrend und unfair ist?

Wenn die Jungen sich von ihren Programmen abwenden.
Ja, das Informationsverhalten im digitalen Zeitalter hat sich radikal verändert. Die Jungen informieren sich vor allem über Social Media, über Youtube und Facebook. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine etatistische Medienordnung hineingeraten. In einem autoritären Staat würde man genau so vorgehen: Man fördert starkes staatliches, gebührenfinanziertes Fernsehen und Radio, das auch noch online abräumt, und die Privaten sollen schauen, wie sie über die Runden kommen oder wie ihnen die Luft ausgeht.

Ist dies nicht übertrieben?
Eine liberale, pluralistische, wettbewerbsorientierte Medienordnung sähe anders aus.
 
Aber haben sich die Verleger nicht auch kaufen lassen, indem sie dem Gebührensplitting zustimmten und nun mit einem Bein im Gebührentopf stecken?
(Lacht.) Nicht mit einem Bein, höchstens mit einem kleinen Zeh. Wir mussten diesem Mischsystem zustimmen, weil dies die einzige Möglichkeit war, das Überleben der privaten Fernsehsender und einiger Radiosender in Grenzregionen zu ermöglichen. Ich habe aber bereits bei der Debatte über das Gebührensplitting betont, dass das englische Modell das beste und konsequenteste wäre. Die BBC lebt ausschliesslich von Gebühren und verzichtet im Gegenzug auf Werbung. In allen vier skandinavischen Ländern ist das auch so: keine Werbung für die öffentlich-rechtlichen Kanäle! Es sind auch andere Modelle denkbar. In Deutschland und im sozialistischen Frankreich herrscht für öffentlich-rechtliche Sender ab 20 Uhr ein Werbeverbot. Jetzt soll mir einer erklären, warum dies in der Schweiz nicht möglich ist!
 
Was sagt Ihnen Frau Leuthard, wenn Sie ihr dies erzählen?
Doris Leuthard will weiterhin keine Onlinewerbung für die SRG und steht dazu. Das rechne ich ihr hoch an. Für meinen Geschmack lässt sie sich aber manchmal beeindrucken von den Bedrohungsszenarien, die Herr de Weck wortreich an die Wand malt. Diese kann ich nicht erkennen. Auch verstehe ich nicht, warum zwei staatlich kontrollierte Unternehmen eine Allianz mit einem privaten Medienunternehmen eingehen dürfen. Vielleicht täusche ich mich, aber manchmal gewinne ich den Eindruck, der ganze Bundesrat betrachtet die SRG als eigenes Medienunternehmen, als regierungsnahe Fernsehanstalt. Und auf eine solche Einflussmöglichkeit verzichtet natürlich keine Regierung gerne.
 
Wenn Sie so politisch denken, wären Sie ein idealer Verlegerpräsident gewesen …
(Lacht.) Das war für mich kein Thema – aus Altersgründen. Ich bin aber froh, dass sich jetzt Pietro Supino zur Verfügung stellt. Das ist eine gute Lösung. Und ich höre ja noch nicht auf, sondern mache als Vizepräsident weiter.
 
Hat der Verband unter dem Abgang von Ringier stark gelitten?
Es entsprach keineswegs unserer Absicht, dass Ringier den Verband verlässt. Trotz Admeira gibt es viele Themen, die uns alle betreffen, wie beispielweise der Tarifstreit mit der Post. Es bleibt zu hoffen, dass Ringier eines Tages zurückkehrt. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Springer, der ja eng mit Ringier zusammenarbeitet, ist jetzt Präsident des deutschen Verbandes geworden. Vielleicht kann er bei Ringier einmal ein gutes Wort einlegen (lacht).
 
Themenwechsel: Heute sind Sie Marktwirtschaftler und ein überzeugter Liberaler. Sie wurden aber auch schon als «Berlusconi des Limmattals» bezeichnet und galten früher als 68er.
Es stimmt, ich war eine Zeit lang ein 68er. Im Frühling 1965 ging ich nach Berlin, um am Otto-Suhr-Institut Politikwissenschaft zu studieren. Bereits im ersten Semester gab es da eine grosse Demonstration gegen den Rektor der Freien Universität Berlin, weil die Studentenschaft herausgefunden hatte, dass Rektor Lüers ein eingeschriebenes Mitglied der NSDAP gewesen war. Als Schweizer fand ich, das gehe gar nicht, und deshalb habe ich mit demonstriert. Noch gut erinnere ich mich an den Auftritt von Herbert Marcuse im Audimax der FU – die Studierenden haben ihn wie einen Abgott empfangen. Als die ganze Bewegung nach der Ermordung von Benno Ohnesorg durch einen Berliner Polizisten immer linker und marxistischer wurde, habe ich mich im Herbst 1967 entschlossen, in die Schweiz zurückzukehren. Ich wollte mich nicht zum Marxisten ausbilden lassen. Das wäre ein brotloses Unterfangen gewesen (lacht).
 
Wie ging es weiter?
Im Herbst 1967 begann ich als Journalist beim Badener Tagblatt. In jener Zeit habe ich die Globuskrawalle journalistisch mit begleitet. Es war eine bewegte Zeit: Vietnamkrieg, 68er-Unruhen, russischer Einmarsch in die Tschechoslowakei. Schon im Januar hatte ich mich für einen Studienplatz am Institut des Sciences Politiques in Paris beworben. Als die Mai-Unruhen ausbrachen, war ich noch in der Schweiz. Ich ging erst im Sommer nach Paris. Trotzdem wurde ich den Ruf des «Revolutionstouristen» und «Berufs-68ers» nicht mehr los. Obwohl ich lange Zeit mit linken Ideen sympathisierte, verspürte ich auch eine gewisse Distanz. Ich fühlte mich eigentlich als Linksliberaler.
 
Sie waren in dieser Zeit auch mit Niklaus Meienberg befreundet.
Als ich nach Paris kam, lernte ich als Erstes Niklaus Meienberg kennen. Dieser flog gerade aus dem Maison suisse, aus dem von Le Corbusier gebauten Haus in der internationalen Studentenstadt. Da ich dies als ungerecht empfand, organisierte ich einen Widerstand gegen den Direktor, der Meienberg rausgeschmissen hatte. Wir verfassten zusammen einen geharnischten Brief an Bundesrat Spühler, in dem geschrieben stand, die Studenten im Maison suisse hätten überhaupt kein Verständnis für den Rausschmiss. Was mich am meisten überraschte: Der Brief zeigte Wirkung, denn der Direktor wurde zwei Monate später entlassen. Ein veritabler Blattschuss. Dies lag nicht zuletzt an der meienbergschen Diktion und Sprachgewalt. Obwohl Meienberg danach ins Marais-Quartier umzog, das «quartier juif» in Paris, hatten wir noch ab und zu Kontakt und führten auch zwei Interviews für die Weltwoche, eines mit dem französischen Erziehungsminister Edgar Faure. Ein anderes mit einem Gewerkschaftsboss wurde nicht veröffentlicht.

Ein bisschen ironisch formuliert: Früher hatten Sie mehr Einfluss beim Bundesrat ...
(Lacht.)

Sie mussten sich von Niklaus Meienberg aber auch anhören, wie man das Badener Tagblatt richtig macht ...
Ich musste mir von Niklaus vieles anhören, was nicht immer lustig war.

Zurück in der Schweiz stiegen Sie wieder
im Verlag Ihres Vaters Otto ein. Haben Sie unter dessen Dominanz gelitten?
Weniger unter seiner Dominanz, mehr wegen politischer Differenzen. Wir haben uns persönlich eigentlich gut verstanden, aber der Streit entzündete sich während meiner 68er-Zeit, obwohl das Badener Tagblatt zu jener Zeit noch eine nonkonformistische Phase durchmachte. Mein Vater machte in den späten Siebzigerjahren eine Wende nach rechts, während ich meine Überzeugungen behielt. Dies führte zu Reibungen. Gleichzeitig wollte er im Unternehmen das Zepter nicht abgeben.

Was bedeutete dies für Sie?
Obwohl ich eigentlich Journalist war, habe ich mich immer mehr mit dem Verlag beschäftigt. Mein Vater war Verleger und Chefredaktor, ich quasi Verlagsleiter, später Geschäftsführer. Dort liess er mir ziemlich freie Hand. 1984 schüttelten wir als erster Schweizer Verlag die Publicitas ab. Das war eine kleine Revolution, doch ich boxte es durch, als ich sah, wie viel Geld die P für ihre Pacht abzwackte. Ich war der Ansicht, dass wir den Verkauf der Inserate selbst in die Hand nehmen sollten. Der Verwaltungsrat genehmigte meinen Vorstoss mit einer hauchdünnen Mehrheit – mit der Stimme meines Vaters. Später bauten wir unter meiner Ägide Radio Argovia und Tele M1 auf. Zuerst hatten wir eine Minderheitsbeteiligung, mit der Aargauer Zeitungsfusion kamen wir zu einer Mehrheit.

Das war Ihr Durchbruch.
Ja. Die Fusion im Jahr 1996 von Aargauer Tagblatt und Badener Tagblatt war ein Meilenstein. Die beiden Zeitungen hatten sich während Jahrzehnten auf das Heftigste bekämpft. Zwei Jahre zuvor realisierte ich, dass das Aargauer Tagblatt überinvestiert hatte und in Problemen steckte. Der schlimmste Case wäre für uns eine Übernahme durch ein Zürcher Verlagshaus gewesen. Als dann der berühmte Anruf aus Aarau kam und gefragt wurde, ob man einmal reden könne, musste ich nicht lange überlegen. Ich war wild entschlossen, das Ding zu drehen. Nach sechs Monaten Verhandlungszeit war die Fusion besiegelt.

Durch die Fusion der beiden Zeitungen entstand die heutige Aargauer Zeitung und später die Mittelland Zeitung.
Mein Vater hielt das Zusammengehen der beiden Verlagshäuser aufgrund der vorangegangenen Rivalität für schwierig und publizistisch für fragwürdig. Meine Kollegen in der Geschäftsleitung jedoch (darunter Rolf Bollmann) hatten mich zuvor schon aufgefordert, ein Zusammengehen mit dem Konkurrenten ernsthaft zu prüfen, weil auch sie die Chancen sahen, die sich uns eröffneten. Wir waren zwar kleiner als das AT, aber viel profitabler. Und die Gegenseite wollte sich explizit von ihrem Geschäftsführer trennen und mich inthronisieren. Für mich war es auch ein Befreiungsschlag, denn mein Vater hatte nach erfolgter Erbteilung noch die Nutzniessung an den Aktien behalten. Ich aber war der Meinung, dass ich den Fusionsprozess nur leiten und später das Unternehmen führen könne, wenn mein 86-jähriger Vater sich zurückziehe und auf die Nutzniessungsrechte verzichte. Die Gegenseite unterstützte mich in diesem Vorhaben, ja machte dies zu einer Bedingung, womit ich mit der Unterzeichnung des Fusionsvertrages CEO und Mehrheitsaktionär wurde.

Spüren Sie heute noch Spannungen zwischen Aarau und Baden in Ihrem
Unternehmen?
Nein. Das dauerte etwa zehn Jahre. Danach war die Fusion auch bei den Mitarbeitern gegessen. Heute gibt es nur noch AZler.

Das Magazin hat einmal geschrieben, dass Ihr Vater der Verleger sei, Sie hingegen
der Unternehmer. Kann man Ihre Beziehung auf diese Kurzformel reduzieren?
Das ist nicht ganz falsch. Ich habe eine unternehmerische Ader, und diese kommt vermutlich von der mütterlichen Seite. Mein Urgrossvater mütterlicherseits war Emil Stehli, ein Zürcher Seidenindustrieller aus Obfelden, der in seiner Zeit sehr erfolgreich war. Von der väterlichen Seite kommt die Leidenschaft für die Publizistik und die Politik. Mein Ur­urgrossvater war Josef Zehnder, Zeitungs­gründer, Verleger, Alleinredaktor und Buchdrucker. Und gleichzeitig war er aktiver Kulturkämpfer, Grossrat und während einer langen Zeit auch Badener Stadtammann.


Sie sind Vertreter der vierten Generation einer Zeitungsfamilie. Und die fünfte Generation ist in den Startlöchern.
Drei meiner Kinder sind im Unternehmen tätig, eine Tochter ist Ärztin geworden. Ich habe wirklich Freude, wie sich das entwickelt. Vorgesehen ist, dass mein ältester Sohn Michael eines Tages CEO wird. Er will zusammen mit meinem jüngsten Sohn Florian die Unternehmung führen. Beide verstehen sich sehr gut und ergänzen sich auf ideale Weise. Meine Tochter Anna ist Journalistin und leitet zusammen mit einer Kollegin neu die Bundeshausredaktion der AZ. Mit dem derzeitigen CEO Axel Wüstmann, mit dem ich mich gut verstehe, habe ich vereinbart, dass er mindestens fünf Jahre bleibt und mithilft, dass es mit dem Generationenübergang gut kommt.

Aber können Sie überhaupt abgeben?
(Lacht.) Ich hoffe es.

Allerletzte Frage: Legendär ist Ihr Waldfest, das schon Ihr Vater kurz vor Weihnachten im Badener Wald veranstaltete. Nach welchen Kriterien laden Sie dort ein?
Gute Frage! Interessante Leute aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur. Plus ein bisschen persönliche Sympathie. Die Liste ist Chefsache. Niemand redet mir hier rein.



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