06.06.2023

Jung von Matt Limmat

«Die Branche wird gerade extrem durchgespült»

Carsten Jamrow, Executive Creative Director, leitet das auf Daten und KI spezialisierte Team Maro. Im Gespräch sagt er, wie der Kreativprozess mit KI verbessert werden kann. Aber auch, warum es von Jung von Matt Limmat keine von Image-Generatoren erstellten Visuals zu sehen gibt.
Jung von Matt Limmat: «Die Branche wird gerade extrem durchgespült»
«Die Integration von KI-Tools in einen von Menschen geführten Kreationsprozess hat das meiste Potenzial, nachhaltig einen Unterschied zu machen»: Carsten Jamrow ist Executive Creative Director bei Jung von Matt Limmat und leitet das Team Maro. (Bild: zVg)
von Michèle Widmer

Carsten Jamrow, wie nutzen Sie zurzeit künstliche Intelligenz (KI) in Ihrer täglichen Arbeit?
Wir nutzen KI in der Strategie-, Ideen- und Konzeptionsphase und natürlich während der Umsetzung. Es ist erstaunlich, aber wir können uns schon jetzt einen Workflow ohne KI nicht mehr vorstellen.

Sie leiten das noch junge Team Maro, das Jung von Matt in daten- und KI-getriebenen Kreationsbereichen unterstützt. Wie sind Sie in den letzten Monaten gestartet?
Maro ist zwar jung, die Teamkonstellation besteht aber schon seit einer Weile und ist mit den stetigen Veränderungen in den Bereichen Data und KI gewachsen. Nicht nur personell, sondern auch inhaltlich: Wir haben uns intensiv in diesen Bereichen weiterentwickelt, um bessere kreative Lösungen für Kampagnen zu kreieren. In den letzten Monaten ist viel entstanden und wir freuen uns, dass es bald erste Ergebnisse zu sehen gibt.

«So entstand die grösste Data-Visualisierungskampagne der Schweiz mit über 500 verschiedenen OOH-Visuals»

Maro hat eine datenbasierte Kampagne für die Geneva International Motor Show (GIMS) entwickelt. Wie konkret sind Sie hier vorgegangen?
Das Thema der GIMS war E-Mobility. Für die Kampagne haben wir uns gefragt, wie wir dieses Thema auf eine komplett neue Art visualisieren können. Da war schnell klar, dass es nicht einfach ein statisches Printplakat sein sollte wie all die Jahre zuvor. Sondern etwas, das wie das Thema E-Mobility selbst ist: innovativ, ständig in Bewegung und im Wandel. Also nutzten wir echte Daten für die dynamische Visualisierung der Plakate. Eine eigens dafür entwickelte Software generierte aus Daten Autostrecken. So entstand die grösste Data-Visualisierungskampagne der Schweiz mit über 500 verschiedenen OOH-Visuals, die die Verbreitung von E-Mobilität in der gesamten Schweiz repräsentierte.

Gibt es bereits KI-Kampagnen, über deren Entstehung Sie sprechen können?
Alle unsere Kampagnen, die gerade entstehen, entstehen durch die gezielte Integration von KI. Das kann zum Beispiel in der Strategie für die Insight-Gewinnung sein, wenn wir KI nutzen, um mit den Zielgruppen einer Marke zu sprechen, oder wenn wir mit Midjourney auf komplett neue Lösungsansätze in der Visualisierung kommen. Eine KI-Kampagne bedeutet für uns nicht, dass das fertige Produkt, wie ein OOH-Visual, unbedingt durch einen KI-Image-Generator erstellt wurde. Das ist viel zu klein gedacht. Das kreative Denken und Arbeiten im gesamten Erstellungsprozess einer Kampagne kann mit KI verbessert werden. Und da sich die KI immer weiterentwickelt, können wir revolutionäre Chancen in unserem Business für Agentur sowie Kundinnen und Kunden erwarten.

«Die Technologie entwickelt sich so schnell, dass mein Wissensstand von gestern heute oft schon veraltet ist»

Dennoch bringen solche KI-Sujets viel Aufmerksamkeit, wie die Kampagne von Farner und Al Mulinetto zeigte. Warum verzichten Sie darauf?
Um KI ins Bewusstsein einer breiten Masse zu bringen, sind solche Arbeiten natürlich perfekt. Und erregen, wie gesagt, Aufsehen. Aber es gilt auch zu bedenken, dass die konkrete Umsetzung in Zukunft durch KI viel einfacher wird – und damit potenziell auch austauschbarer. Darum glauben wir, dass vor allem die Integration dieser Tools in einen von Menschen geführten Kreationsprozess das meiste Potenzial hat, nachhaltig einen Unterschied zu machen.

Was waren die grössten Herausforderungen bei den bisherigen KI-Kampagnen?
Dass so ziemlich alle bei null anfangen mussten. Und sich die Technologie so schnell entwickelt, dass mein Wissensstand von gestern heute oft schon veraltet ist. Wir mussten alles ausprobieren, herausfinden, was sinnvoll und was nur ein Hype ist, sowie einen eigenen Prozess entwickeln, wie wir KI integrieren. Die Branche wird gerade extrem durchgespült. Ich weiss nicht, wann wir zuletzt so eine grosse Veränderung mit so vielen neuen Möglichkeiten hatten. Das bedeutet auch, dass man immer dranbleiben muss, um ganz vorne mithalten zu können.

Maro besteht zurzeit aus fünf Personen. Welche Fähigkeiten oder welcher Background sind hier gefragt?
Das Wichtigste für uns – und für Jung von Matt Limmat – ist kreative Exzellenz. Egal ob im Text- oder Art-Bereich: Wir alle wollen die beste kreative Lösung. Das bedeutet auch, dass man ständig Neues ausprobieren muss. Wir erwarten entsprechend von uns allen, dass wir uns selbst challengen und weiterentwickeln wollen und offen für neue Möglichkeiten sind, die eigene Kreativität zu verbessern. Das ist sicher auch der Grund, warum KI bei uns im Team so wichtig geworden ist. Darüber hinaus sind wir ein sehr diverses, internationales Team mit ganz unterschiedlichen Charakteren. Auch das ist eine sehr wichtige Voraussetzung für Kreativität.

Mit welchen KI-Tools arbeiten Sie und Ihr Team hauptsächlich, und warum?
Wir arbeiten aktuell vor allem mit Midjourney, Jasper, ChatGPT und dem von Jung von Matt entwickelten KI-Tool «Stables». Letzteres ist besonders interessant, da es uns erlaubt, «Customized engines» für unsere Kundinnen und Kunden zu bauen. Das heisst: personalisierte KI-Tools, zugeschnitten auf das Unternehmen.

In welchem Bereich könnte Ihr Team künftig mehr Expertise benötigen?
Ich denke, wir sind schon sehr gut aufgestellt, und wie gesagt, wir sind konstant daran, uns weiterzubilden. Wer aber ganz allgemein mit KI arbeiten möchte, sollte sich intensiv damit befassen, wie man von KI das erhält, was man braucht. Es ist zentral, zu lernen, sich so präzise wie möglich auszudrücken. Wer darauf Lust hat, ist immer willkommen.

«Wenn man zu den Besten gehören möchte, ist es essenziell, sich von Anfang an mit neuen Technologien zu beschäftigen»

Jung von Matt hat vor ein paar Wochen eine KI-Woche durchgeführt. Welchen Eindruck hatten Sie vom Wissensstand der Menschen in der Agentur?
Das war ganz unterschiedlich. Was aber alle vereinte: die Freude und die Lust, Neues auszuprobieren, und das gemeinsame Herausfinden, wie man die Tools am besten in den eigenen Job integriert. Und mittlerweile ist der Wissensstand zwar immer noch unterschiedlich, aber auf einem viel höheren Niveau.

Gibt es weitere Initiativen, das Thema KI breiter in der Agentur zu verankern?
Durch Workshops, externe Spezialistinnen und Speakers, die wir zu uns einladen, oder auch durch Vorträge aus dem gesamten Jung von Matt-Netzwerk. Für uns ist klar, dass wir uns als Agentur auch nach unserer Intensivwoche mit dem Thema beschäftigen.

Der Tenor ist klar: Wer KI nicht in seine Workflows integriert, wird von der Technologie eines Tages überrollt. Stimmen Sie hier zu?
Auf jeden Fall. Wenn man zu den Besten gehören möchte, ist es essenziell, sich von Anfang an mit neuen Technologien zu beschäftigen. Gerade dann, wenn sie sich so rasant entwickeln und uns komplett neue kreative Möglichkeiten geben.



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