23.06.2003

Cannes Lions 2003

Lions-Direct-Juror Christian Hansen im Interview

"Lobbying spielt überhaupt keine Rolle".

Christian Hansen (Bild), Managing Director der Lowe Direct Zürich, sass in Cannes in der Jury der Lions Direct ein. "persoenlich.com" hat sich am Freitagabend mit ihm unterhalten.

Christian Hansen (Bild), Managing Director der Lowe Direct Zürich, sass in Cannes in der Jury der Lions Direct ein. "persoenlich.com" hat sich am Freitagabend mit ihm unterhalten.

Wie ist der Gesamteindruck von diesem Jahr Cannes?

Der ist super! Es ist schön, dass ich bei der zweiten Durchführung der Lions Direct in der Jury sitzen und gleich einen Silber-Löwen in die Schweiz bringen konnte. Hinzu kommen vier Finalist Awards, so dass aus 55 Eingaben von zwölf Agenturen nun insgesamt fünf Preise resultieren. Das ist hervorragend.

Wieviel Lobbying konnten oder mussten Sie da betreiben?

Lobbying spielt überhaupt keine Rolle, zumindest was die Arbeiten angeht. Im Bezug auf das Networking und die Positionierung der Schweiz im internationalen Wettbewerb hingegen ist es natürlich wichtig. Noch entscheidender ist aber, dass wir möglichst viele Eingaben von hohem Standard erhalten. Dafür werde ich mich in der Schweiz einsetzen.

Wie muss man sich denn die Arbeit innerhalb der Jury vorstellen: Wird da hart gekämpft?

Sehr. In der Vorrunde reduzierten wir die weltweit 1127 Arbeiten auf 527, indem fünfzig Juroren online ihre Stimmen abgaben. Die verbleibenden Eingaben haben wir in Cannes dann in vier Gruppen zu fünf Personen auf eine Shortlist von 121 Arbeiten verkleinert. Spätestens in den Gruppenarbeiten am Tisch finden Diskussionen statt, man tauscht sich aus, fragt, wie etwas gemeint sein könnte, weist auf besonders Gelungenes hin. Die richtigen Fights aber beginnen erst in der Schlussrunde, wo man zu zwanzig am Tisch sitzt und jede Arbeit bespricht. Das ist die faszinierendste Runde, da haben auch recht kontroverse Diskussionen stattgefunden. Dass wir uns aber statt einer einfachen Mehrheit eine von vierzehn Mitgliedern auferlegten, sagt, glaube ich, doch einiges über das Gewicht des Konsensus' aus.

Entspricht der Ausgang des Wettbewerbs Ihrer Wahrnehmung der Schweizer Leistung im internationalen Vergleich?

Absolut. Wir haben zwar fünf Preise, aber nur einen Löwen erhalten. Das ist im internationalen Vergleich zu wenig, Österreich nimmt beispielsweise mindestens drei goldene sowie je einen silbernen und einen bronzenen Lion von Cannes nach Hause. Das widerlegt die Ausrede, ein kleines Land habe keine Chancen.

Was kann man tun, damit die Schweiz besser wird?

Mehr Agenturen und Auftraggeber müssen erkennen, das Cannes die weltweit beste Plattform ist zum Aushängen von kreativer Werbung -- unabhängig von der Kategorie. Das Gewicht liegt in Cannes allerdings klar bei der Kreativität, die wird im Vergleich zu Strategie, Umsetzung und Resultat doppelt so stark gewichtet. Und da steht die Schweiz im Dialog-Marketing meiner Meinung nach noch am Anfang, auch wenn es natürlich auch bezüglich Kreativität durchaus hervorragende Arbeiten gibt.

Die offizielle Strategie der Veranstalter war in diesem Jahr "No beach -- all Work". Traf das für Sie zu?

Ja, es war schon recht anstrengend. Wir haben am Sanstag Morgen um viertel nach acht angefangen und am Dienstag Abend um halb acht aufgehört. Dabei haben wir über fünfzig Awards vergeben. Davor gab es im Rahmen der Vorjurierung in der Schweiz innerhalb von einer Woche 186 Arbeiten zu bewerten, was neben dem Tagesgeschäft ziemlich stressig war.

Die Arbeit hier in Cannes war spassig und interessant, auch ohne Strand. Denn letztlich ging es mir darum, internationale Kontakte zu knüpfen und zu sehen, wo der Standard liegt. Angesichts des enorm hohen internationalen Levels ist diese Woche für mich absolut inspirierend gewesen. So gehe ich mit einigen kleineren und grösseren Projekten zurück, die ich auch gerne mit anderen Agenturleitern teilen würde. Und wenn jetzt am Ende des ganzen Festivals noch ein bisschen Beach drinliegt, ist das natürlich auch gut.

Abschliessend: Welches war die wichtigste Erfahrung dieser Woche?

Haben Sie zwei Stunden Zeit? (lacht) -- Im Ernst, meine wichtigste Erfahrung ist: Dialogmarketing in der Schweiz ist entwicklungsfähig, da bin ich total sicher. Wir haben sehr viele gute Kreative in der Schweiz, die auch im Dialogmarketing arbeiten. Und es wird in der Zukunft wohl noch mehr geben, die sich dafür interessieren, in diesem Bereich tätig zu sein, sei es in einer spezialisierten Dialog-Marketing-Agentur, sei es in einer anderen Disziplin -- und eben: Diese Schubladisierung ist wirklich von gestern.


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