30.09.2022

60 Jahre Wunderman Thompson

«Swen macht Photoshop, ich Excel»

Wunderman Thompson ist nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine der legendärsten Agenturen. Die beiden Co-CEOs Giselle Vaugne und Swen Morath sagen, wie viel vom legendären Advico-Geist noch im Unternehmen steckt und was der hauseigene Koch besonders gut kann.
60 Jahre Wunderman Thompson: «Swen macht Photoshop, ich Excel»
«Der Geist der kreativen Ideen wandelt noch immer durch unsere Hallen»: Die Co-CEOs von Wunderman Thomson Switzerland, Swen Morath und Giselle Vaugne. (Bild: Alisa Lomovceva)
von Matthias Ackeret

Frau Vaugne, Herr Morath, Ihre Agentur gehört zu den legendärsten in der Schweiz und feiert nun ihren sechzigsten Geburtstag. Wie geht man mit diesem «Erbe» um?
Giselle Vaugne: Mit viel Ehrfurcht und voller Tatendrang. Und nur weil wir bald das Rentenalter erreicht haben, gehen wir noch lange nicht in Pension (lacht).

Swen Morath: Sechzig Jahre in einer Branche, die ständiger Veränderung unterliegt, ist eine sehr lange Zeit. Dass sich Wunderman Thompson ebenfalls ständig verändert hat, ist wohl einer der Gründe, warum wir dieses Jubiläum feiern dürfen. In den vergangenen Jahrzehnten kamen aus dieser Agentur immer innovative und inspirierende Arbeiten. Dieses Erbe wollen wir fortsetzen.

Wie fest ist der «Geist» von Advico Y&R noch bei Wunderman Thompson vorhanden?
Vaugne: Wenn man die Kulinarik betrachtet, auf jeden Fall noch fest. Denn Wolfi, der bereits in Gockhausen für das leibliche Wohl der Mitarbeitenden gesorgt hat, kocht zusammen mit Doreen täglich für uns. Er ist aber kein Geist, sondern einfach ein wunderbarer Mensch.

Morath: Ein Merkmal, das für alle Agenturen, egal ob Advico, Futurecom, Wunderman oder Exxtra, aus denen Wunderman Thompson entstanden ist, nach wie vor gilt, ist das grosse Zusammengehörigkeitsgefühl. Das ist überall spürbar.

Vaugne: Der Geist der kreativen Ideen wandelt noch immer durch unsere Hallen. (An Swen gerichtet:) Daher geht doch nachts jeweils das Licht an, oder?

Sie haben vor drei Jahren – unmittelbar vor der Pandemie – Ihren Namen gewechselt (persoenlich.com berichtete). Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Morath: Ein grosser Vorteil des Namenswechsels: Endlich hatten alle Mitarbeitenden die gleichen Visitenkarten. Obwohl wir zuvor schon ein Team waren, sind wir teilweise mit fünf Leuten an Pitches aufgeschlagen und haben Visitenkarten von fünf verschiedenen Agenturen auf den Tisch gelegt. Das war teilweise für Interessenten etwas verwirrend.

Vaugne: Aber der Namenswechsel war natürlich auch eine grosse Herausforderung, weil die Marke Wunderman Thompson wenig Bekanntheit im Markt hatte. Im Gegensatz zu Advico Y&R oder Futurecom. Uns war klar, dass wir beweisen mussten, welche starke DNA in Wunderman Thompson steckt. Das ist uns mit einem grossartigen Team, herausragender Arbeit, Thought-Leadership sowie Präsenz am Markt gelungen. Während wir 2020 an Branchenevents erklären mussten, wer Wunderman Thompson ist, hört man 2022: «Ah, ihr seid die, die Kampagne X oder Umsetzung Y gemacht haben.» Das freut uns natürlich riesig.

«Die Pandemie hat uns hart getroffen»

Sie sind während einer Pandemie zu Geschäftsführern ernannt worden. Wie hat Ihre Agentur diese schwierige Zeit erlebt, und wie hat sie sich in dieser Zeit verändert?
Vaugne: Die Pandemie hat uns hart getroffen. Wir haben zwar keine Kunden aufgrund dessen verloren, darauf sind wir sehr stolz. Aber natürlich wurde überall das Marketingbudget heruntergefahren. Das konnten wir anfangs dank Kurzarbeit kompensieren. Mussten dann aber auch sehr schweren Herzens Entlassungen vornehmen. Allerdings wachsen wir erfreulicherweise seit letztem Jahr wieder kontinuierlich und konnten deshalb Leute zu uns zurückholen, die wir damals entlassen mussten. Das ist für uns unglaublich schön.

Morath: Langsam fühlt sich die Agentur wieder an wie vor der Pandemie. Was natürlich geblieben ist, sind Homeoffice und Videocalls. Zwei wirklich nützliche Nebeneffekte der Pandemie.

Vaugne: Ich mag unser Büro, die Räumlichkeiten und das Feierabendbier.

Wie haben Sie auf Agenturseite die Veränderungen bei der Digitalisierung erlebt?
Morath: Da wir ja in unserem Tech-Bereich ganz viele Nerds haben, allen voran unseren CTO Michael Meier (lacht), werden wir ständig mit den neusten digitalen Errungenschaften konfrontiert. Es ist für uns keine Veränderung, sondern eher eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Die macht uns übrigens allen sehr viel Spass.

Vaugne: Ich glaube, da müsste ich eine genauere Erklärung haben. Analoge in digitale Werte umzuwandeln, das machen wir schon sehr lange (lacht). Meinen Sie unsere Technologie-Abteilung? Diese sind in «heavy tech» unterwegs mit ganzen CX-Roadmaps oder Platform-Enablement. Oder unsere Consultants, die begleiten zwei- bis dreijährige Projekte mit dem Ziel der Marketing-Automation auf Kundenseite mit unseren Gold-Partnern wie Adobe oder Sitecore. Oder die Digitalisierung inhouse? Wir nutzen Adobe Sign für Offertstellungen.

Haben sich die Kundenbedürfnisse verändert?
Vaugne: Die Bedürfnisse unserer Kunden haben sich in zwei Richtungen verändert: Der Anspruch an unser Know-how (Expertise in allen Bereichen wie Technology, Social Media, Automation usw.) und die erwartete Flexibilität (Planungshorizonte werden kürzer) sind gestiegen. Zudem sehen wir auch, dass wir auf dem richtigen Weg waren mit dem Fokus auf dem bereits erwähnten Impact, den wir in unserem Credo mittragen. Was wir machen und wo wir unterstützen, muss die vom Kunden gewünschte Wirkung erzielen. Nur ein hübsches Bild oder eine schöne Website allein reicht nicht, der Fokus liegt auf der anvisierten Zielgruppe, einer möglichen Verhaltensänderung und der effektiven Wirkung davon.

«Unsere wichtigste Routine sind unsere morgendlichen Autocalls»

Sie führen die Agentur zusammen. Wie ist die Aufgabenteilung?
Vaugne: Swen macht Photoshop, ich Excel (lacht).

Morath: Unsere wichtigste Routine sind unsere morgendlichen Autocalls. Da wir beide auf dem Land wohnen, nutzen wir die Fahrzeit, um uns schon vor dem Start in den Agenturtag gegenseitig upzudaten. Tagsüber trennen wir uns zumeist, um dann auf der Heimfahrt den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen. Giselle verantwortet als COO die Bereiche Beratung und Strategie, ich als CCO die Bereiche Kreation, UX und DTP und unser Kollege Michael Meier als CTO den Bereich Technology.

Vaugne: Übergeordnete Themen wie Budget, New Biz oder Ausrichtung der Agentur gehen wir gemeinsam an. Dabei streiten wir aufgrund unserer unterschiedlichen Perspektiven sehr gerne. Aber wir können das richtig gut, und es ist sehr effizient, denn dank dieser unterschiedlichen Perspektiven kommen wir immer wieder zu noch besseren, ganzheitlichen Lösungen. Und natürlich haben wir auch unterschiedliche Stärken: Meine Wenigkeit kann aufgrund ihrer beruflichen Vergangenheit die Interessen und Bedürfnisse von Kunden gut verstehen und sich in sie und ihre Herausforderungen hineinversetzen. Und Swen kann inhaltlich oder emotional schwierige Sachverhalte präzise und verständlich formulieren. Er kann wirklich hervorragend reden (lacht).

Zum Schluss noch ein paar Eigenheiten, die aufgefallen sind: Sie leisten sich als wohl einzige Schweizer Agentur einen fest angestellten Koch. Funktioniert dies noch in Homeoffice-Zeiten?
Morath: Gemeinsames Essen verbindet. Das sieht man bei uns jeden Tag. All unsere Kolleginnen und Kollegen wissen das sehr zu schätzen. Wir wollten weder auf Homeoffice noch auf Wolfi und Doreen (es sind nämlich sogar zwei) verzichten. Deshalb haben wir uns für ein Modell mit drei Agenturtagen entschieden, wobei Donnerstag «Anwesenheitstag» ist. So sehen wir uns alle zumindest einmal in der Woche in der Agentur.

Vaugne: Ausserdem haben Doreen und Wolfi immer genug Gäste in der Kantine, weil das Essen und ihr Service einfach unglaublich toll sind. Und es gibt nichts Besseres als die Chässpätzli von ihnen! Die muss man probiert haben.



Wunderman Thompson Switzerland beschäftigt momentan rund 80 Mitarbeitende im Zürcher Industriequartier. Die Agentur betreut viele langjährige Kunden wie beispielsweise seit 36 Jahren Citterio oder seit 16 Jahren Audi und die SonntagsZeitung. Seit 14 Jahren vertraut Geberit AquaClean auf die Kreativagentur.

Mitte September feierte Wunderman Thompson Switzerland im Labor5 in Zürich das 60-jährige Bestehen (persoenlich.com berichtete).

Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe von «persönlich».



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