09.06.2015

SWA

"Wir dürfen keinen übertriebenen Heimatschutz betreiben"

Direktor Roland Ehrler beklagt "Gejammere" bei den Werbeagenturen.
SWA: "Wir dürfen keinen übertriebenen Heimatschutz betreiben"

"Die Zeiten sind hart, und zwar für alle", sagt Roland Ehrler, Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands (SWA). Agenturen müssten ihren Kunden auf Augenhöhe begegnen und den Mut haben, ihre Preise zu verteidigen. Mit diesen Worten reagiert er direkt auf die Kritik von Peter Leutenegger, dem abtretenden Geschäftsführer von bsw leading swiss agencies. Die Auftraggeber seien "gnadenlos in ihren Forderungen und ihrem Druck auf Preise und Margen", sagte Leutenegger am Montag im persoenlich.com-Interview. Dies bringe die Branche an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Und: "Mich würde es nicht wundern, wenn in den nächsten Jahren der Begriff Branchen-Burnout auftauchen würde."

Werbung aus dem Ausland

Dieses "Gejammere" nütze niemandem, ist Ehrler überzeugt. Wenn eine Agentur nahe beim Kunden sei und ihm die Vorteile einer Partnerschaft immer wieder aufzeige, springe dieser nicht einfach so ab. Klar sei: Seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses stehen viele Unternehmen besonders unter Druck. „Das ist bei unseren Mitgliedern ein grosses Thema, sagt Ehrler. Viele Werbeauftraggeber müssten Kosten reduzieren und sich deshalb auch im Ausland umschauen.

Im April 2012 sorgte die Telekomanbieterin Swisscom für Schlagzeilen, weil sie den Werbeauftrag für den Privatkundenbereich an die deutsche Agentur Heimat vergeben hatte. Die Schweizer Agenturen gingen im Pitch allesamt leer aus (persoenlich.com berichtete). Und nun zeigt Leutenegger im Interview mit dem Finger auf die Migros. Der grösste nationale Grossverteiler kritisiere seinerseits den Einkaufstourismus, vergebe das Werbebudget von Migros-Tochter Interio jedoch aus Kostengründen nach Deutschland. "Falsch und kurzsichtig", kritisiert Leutenegger.

bsw-Geschäftsführer Peter Leutenegger.

Pochen auf Verhältnismässigkeit

Auch Ehrler gibt zu, dass dies "nicht ideal sei", pocht jedoch auf Verhältnismässigkeit. Der Betrag, den die Migros für Werbung im Inland investiere, sei wohl tausend Mal grösser, als jener im Ausland. Der SWA gibt seinen Mitgliedern – zu denen auch die Migros und die Swisscom zählen - Empfehlungen für den Umgang mit Agenturen ab. Auch wenn diese nicht bindend seien, würden sich laut Ehrler viele der rund 160 Mitglieder daran halten. Die erwähnten Einzelfälle würden sich gut eignen, um wie jetzt mit dem Finger darauf zu zeigen. Es sei aber wichtig, genauer hinzuschauen und sich zu fragen, weshalb der Auftraggeber die Agentur wechselt.

Denn: "Nicht alles läuft über den Preis", ist Ehrler überzeugt. Bei der Swisscom, wo er während vielen Jahren selber in der Kommunikationsabteilung tätig war, sei die grundlegende Zusammenarbeit mit Agenturen bei Zufriedenheit nicht hinterfragt worden. Im Vordergrund stünde vor allem die kreative Leistung. Ob diese aus der Feder einer Schweizer oder einer ausländischen Werbeagentur stammten, sein zweitrangig. Den Auftraggebern nun Treulosigkeit auf die Fahne zu schreiben, wäre seiner Ansicht nach ungerecht. "Neue Inputs aus dem Ausland beleben den Schweizer Markt", ist er überzeugt. "Wir dürfen keinen übertriebenen Heimatschutz betreiben."

Text: Michèle Widmer

Bild: zVg.


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