Wie ist die Idee für die Kampagne «Tags Against Crime» entstanden?
Jacqueline Rufener: Sexualisierte Gewalt ist ein Thema, das uns im Privaten schon lange beschäftigt. Jeden Tag liest oder hört man von Sexualstraftaten, die begangen werden; über nicht nachvollziehbare Gerichtentscheide, die gefällt werden; über offene Geheimnisse in verschiedenen Branchen; über Strukturen, die zu Übergriffen und Belästigungen führen, diese zulassen oder gar decken ... Es vergeht kein Tag, an dem es nicht wieder einen neuen Newsartikel gibt, der Grund zur Empörung liefert. Kurz: Domi und ich reden oft über das Thema sexualisierte Gewalt und Sexismus und sind oft einfach bestürzt und putzhässig.
Dominique Magnusson: Kommt hinzu, dass es in unserem Umfeld Fälle sexualisierter Gewalt gab. In einem konkreten Fall hat die betroffene Person nach dem Übergriff unwissentlich DNA-Spuren des ihr unbekannten Täters zerstört, indem sie ihre Kleider gewaschen hat. Die Behörden hatten dann leider nicht genügend «Material», um die Identität des Täters ausfindig zu machen. Daraus ergab sich der Insight, dass man schlicht nicht weiss, wie das Vorgehen nach solchen tragischen Fällen ist. Durch die Verbindung zu Yannik – wir kannten uns bereits vorher – kamen wir dann auf die Idee, den Fakt mit der DNA auf dem Waschetikett zu platzieren und uns damit auch professionell für das Thema zu engagieren.
Rufener: In der Kampagne schwingt aber auch eine viel grössere Botschaft mit. Nämlich, dass Betroffenen immer noch nicht geglaubt wird, diese sogar für mitverantwortlich erklärt werden, und dass die meisten Täter – aus verschiedensten Gründen – unbestraft bleiben.
Wie kam die Zusammenarbeit mit Maison Blanche und Yannik Zamboni zustande?
Magnusson: Dass wir die Idee mit Yannik umsetzen, war für uns von Anfang an klar, weil für die Umsetzung nur ein Partner infrage kam, der sich aufrichtig für Minderheiten und diskriminierte Personen einsetzt und sich mit dem Thema sexualisierte Gewalt auseinandersetzt.
Rufener: Yannik ist bekannt dafür, dass er sich für die LGBTQIA+ Community einsetzt, die übrigens überdurchschnittlich oft von sexualisierter Gewalt betroffen ist. Er hat sich auch schon immer mit feministischen Themen beschäftigt und sich für das Thema «Consent» stark gemacht. Es ist also ein Perfect Match.
Warum unterstützt Jung von Matt Limmat die Aktion «Tags against Crime» mit einer Pro-bono-Arbeit?
Rufener: Gegenfrage: Warum sollte Jung von Matt Limmat die Aktion nicht mit einer Pro-bono-Arbeit unterstützen? Tags Against Crime ist eine Herzensangelegenheit. Und auch wenn es für manche Leute cringe klingt, stimmt es nun mal: Wir glauben, dass die richtige Idee Denkanstösse geben, Diskurse vorantreiben und somit etwas bewirken kann, das über die kommerzielle Kommunikation hinausgeht.
Magnusson: Von Anfang an war es nie eine Frage des «Ob», sondern des «Wie». Es ging nie darum, die Idee mit möglichst wenig Aufwand umzusetzen, sondern mit möglichst viel Impact. Das ganze Team ist mit so viel Herzblut dabei und gibt mega Gas. Es ist krass, was eine Idee, an die man glaubt, alles auslösen kann.
Rufener: Manchmal ist es schon fast überwältigend, was eine Idee alles in Gang setzen kann. Im Rahmen von Tags Against Crime tauschten wir uns aus mit nationalen und internationalen NGOs, sprachen mit DNA-Forscher:innen, der Polizei, Rechtsmediziner:innen; Jurist:innen, Politiker:innen usw. Dabei werden wir immer wieder aufs Neue bekräftigt. Das macht Freude, Mut und Lust auf mehr geile Ideen.
Welche Massnahmen beinhaltet die Awarenesskampagne konkret?
Magnusson: Das Label selbst wird an der New York Fashion Week lanciert. Yannik war so inspiriert von der Idee, dass er seine ganze Kollektion rund um das Thema DNA kreiert hat. Ein QR-Code, der auf der Rückseite des Waschlabels ist, führt auf eine Website. Da erfährt man, wo man sich als Survivor nach einem Übergriff Hilfe holen kann; wie man möglichst viel Beweismaterial sicherstellt; wie man die Aktion unterstützen kann usw. Die Site wurde in Zusammenarbeit mit unseren Partner-NGOs entwickelt.
Rufener: Der Tag ist zudem als offene Datei für andere Modelabels als Download auf der Website verfügbar. Nebst dem Launch an der NYFW werden wir auf Social Media tiefer und breiter auf das Thema eingehen, indem wir Survivor Stories teilen, Fakten liefern und die Community dazu auffordern, die Stories und Fakten jeweils auf ihren Plattformen zu teilen, um möglichst viel Awareness zu schaffen. Und wir begleiten die Kampagne natürlich mit Medienarbeit, sodass wir hoffentlich auch dort einen Diskurs anstossen.
Wie sah die Zusammenarbeit mit Yannik Zamboni in den letzten Wochen aus?
Magnusson: Intensiv. Eine Fashion Show für die New York Fashion Week stellt man nicht einfach so schnell husch auf die Beine. Aber: dass wir uns von Anfang an einig waren, dass das Thema vollen Einsatz fordert, hilft. Wir haben uns als Team verstanden und auch so gearbeitet. Gemeinsam brainstormen, gemeinsam entscheiden und los geht’s.
Rufener: Wir haben Yannik die Idee mit dem Tag geliefert. Er hat diese genommen und in die Kollektion und somit in die Show eingebaut. Die Kollektion wie auch die Show stammen aus seiner Feder. Wir wiederum sahen es als unsere Aufgabe, Yannik, wo immer möglich, zu unterstützen und die Kampagne rund um die Kollektion gemeinsam mit ihm zu entwickeln, damit wir nebst der Show auch möglichst viel und langfristig Momentum generieren können.
Inwiefern war Jung von Matt Limmat als Brand an der New York Fashion Week erkennbar?
Rufener: Gar nicht, die Bühne gehört, wortwörtlich, Yannik.
Welches Budget stand für die Kampagne zur Verfügung?
Magnusson: Da die Arbeit pro bono realisiert wurde, gab es auch kein Budget und rückwirkend wurde das noch nicht ausgewertet.
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11.09.2023 12:36 Uhr