14.03.2025

Testamentsspenden

«Das Tabu Tod ist eine der grössten Hürden»

Besonders Frauen und kinderlose Personen möchten mit ihrem Erbe Gutes tun. Der «Erbschaftsreport 2024» belegt: Die Erbrechtsrevision führt zu mehr Testamentsspenden. Wie NGOs dieses wachsende Potenzial optimal nutzen können, erklärt Roland Trabadelo, Marketingleiter bei DeinAdieu.
Testamentsspenden: «Das Tabu Tod ist eine der grössten Hürden»
«Vom Moment an, in dem eine NGO im Testament berücksichtigt wird, bis zur tatsächlichen Umsetzung der Spende können unter Umständen Jahrzehnte vergehen. Deshalb braucht es eine ganz andere Ansprache als bei klassischen Spendenkampagnen», so Roland Trabadelo, Leiter Marketing & Kommunikation DeinAdieu. (Bild: zVg, Bearbeitung: Pixelcut)

Roland Trabadelo, kann man sagen, Gutes zu tun liegt im Trend?
Erfreulicherweise ja. Immer mehr Menschen möchten mit ihrem Erbe Gutes tun. Das Bewusstsein für soziale Verantwortung wächst, und das spiegelt sich auch in Testamenten wider. Testamentsspenden nehmen in den letzten Jahren sowohl in Anzahl wie auch im Volumen zu, und NGOs (Non-Governmental Organisation, auf deutsch Nichtregierungsorganisation, Anm. der Red.) profitieren zunehmend von diesen grosszügigen Zuwendungen.

Seit Januar 2023 gilt in der Schweiz die Erbrechtsrevision, die die Entscheidungsfreiheit bei der Nachlassplanung erhöht hat. Wie haben NGOs ihre Kommunikation an diese neuen Freiheiten angepasst?
Mir fällt auf, dass NGOs ihre Kommunikation nur vereinzelt angepasst haben – da ist definitiv noch Luft nach oben. Denn: 30 Prozent der Schweizer:innen können sich laut der Stiftung Zewo eine Testamentsspende vorstellen – ein enormes Potenzial. Doch viele wissen nicht, dass sie eine NGO überhaupt im Testament berücksichtigen können. Andere schrecken davor zurück, weil sie glauben, der Prozess sei kompliziert. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Mit digitalen Lösungen wie unserem «Online Testament-Assistenten» lässt sich eine Testamentsspende einfach, rechtssicher und ohne Kosten für einen Notar umsetzen. Bei DeinAdieu tun dies jährlich etwa 6000 Personen – das entspricht rund einem Drittel aller erstellten Testamente in der Schweiz.

«Wer eine NGO bedenkt, setzt im Schnitt ein Drittel seines Nachlasses dafür ein»

Basierend auf 17'000 solcher digitalen und anonym ausgewerteten Testamentvorlagen hat DeinAdieu den «Erbschaftsreport Schweiz 2024» veröffentlicht. Was waren die zentralen Erkenntnisse dieser Studie?
Die Uni Lausanne hat unseren einzigartigen Datenschatz analysiert und dabei spannende Erkenntnisse gewonnen. Die Erbrechtsrevision hat dazu geführt, dass NGOs häufiger im Testament berücksichtigt werden. Wer eine NGO bedenkt, setzt im Schnitt ein Drittel seines Nachlasses dafür ein. Besonders Frauen – vor allem im höheren Alter – sowie kinderlose Personen entscheiden sich häufiger für eine gemeinnützige Organisation. Auffällig ist auch, dass sowohl junge Erwachsene als auch ältere Erblassende besonders offen für Testamentsspenden sind. Insgesamt zeigt sich: Frauen vererben häufiger und grosszügiger an NGOs als Männer.

Ihre Datenanalyse zeigt auch saisonale Muster. Welche Erkenntnisse sind für die Kampagnenplanung von NGOs relevant?
Unsere Datenanalyse zeigt klare saisonale Muster. Die Wintermonate von November bis März sind besonders relevant, da in dieser Zeit die meisten Testamentvorlagen erstellt werden. NGOs sollten daher ihre Kommunikationsmassnahmen auf die Winterperiode ausrichten. Zudem bieten Lebensereignisse wie Familiengründung oder der Eintritt in den Ruhestand inhaltliche Anknüpfungspunkte für Kampagnen. Digitale und persönliche Ansprache sollten besonders auf Menschen ab 50 ausgerichtet sein, da in dieser Altersgruppe das Interesse an Testamentsspenden und der Wunsch, mit dem eigenen Nachlass Gutes zu bewirken, am stärksten wächst.

Sie erwähnen es: Kinderlose Personen sind laut Ihrer Analyse besonders offen für Testamentsspenden. Über welche Kanäle erreicht man diese Zielgruppe am besten?
Unser Erbschaftsreport zeigt, dass digitale Kanäle besonders gut geeignet sind, um kinderlose Personen zu erreichen. Viele informieren sich unverbindlich über unsere Plattform deinadieu.ch. Mit digitalen Kampagnen, Webinaren und unserem «Online Testament-Assistenten» helfen wir, Unsicherheiten abzubauen und Leads zu generieren. Besonders wirkungsvoll sind Social Media und E-Mail-Marketing, da diese Kanäle eine gezielte und personalisierte Kommunikation ermöglichen.

Welche kommunikativen Hürden müssen NGOs überwinden, um das Tabuthema Testamentsspende erfolgreich anzusprechen?
Eine der grössten Hürden ist das Tabu rund um den eigenen Tod – viele Menschen schieben das Thema Testament vor sich her oder meiden es ganz. Dazu kommt ein mangelndes Bewusstsein, dass man eine NGO überhaupt im Testament berücksichtigen kann. Selbst wenn die Möglichkeit bekannt ist, gibt es oft Unsicherheiten über den Prozess. Viele fürchten, dass eine Testamentsspende kompliziert oder rechtlich schwierig ist. Hier braucht es eine klare, verständliche und wertschätzende Kommunikation, die das Thema enttabuisiert und zeigt, dass eine Testamentsspende einfacher ist, als viele denken.

Welche Storytelling-Ansätze funktionieren besonders gut, um Menschen für eine Testamentsspende zu gewinnen?
Erfolgreiches Storytelling im Erbschaftsfundraising basiert auf drei zentralen Erzählansätzen. «Der Blick zurück» spricht Menschen an, die ihre Vergangenheit würdigen möchten, etwa durch eine Spende an ihre ehemalige Universität oder eine Institution, die sie geprägt hat. «Der Blick ins eigene Umfeld» zeigt, dass andere bereits eine Testamentsspende gemacht haben, was Vertrauen schafft und Unsicherheiten abbaut. «Der Blick in die Zukunft» richtet sich an Menschen, die mit ihrem Erbe kommende Generationen unterstützen und nachhaltige Veränderungen bewirken möchten, etwa im Umwelt- oder Sozialbereich. Je nach Zielgruppe kann eine dieser Erzählweisen besonders wirkungsvoll sein – oder eine Kombination daraus.

Wie soll die zielgruppengerechte Kommunikation für die unterschiedlichen Personengruppen gestaltet werden?
Eine zielgerichtete Kommunikation sollte verschiedene Aspekte kombinieren. Emotionale Geschichten wirken besonders gut, wenn es um den langfristigen positiven Einfluss einer Testamentsspende geht. Gleichzeitig schätzen viele Menschen zusätzliche sachliche Informationen, etwa zur steuerlichen Wirkung oder rechtlichen Sicherheit einer Testamentsspende. Eine ausgewogene Mischung aus persönlichen Geschichten und konkreten Fakten erreicht daher eine breite Zielgruppe und spricht unterschiedliche Entscheidungsmotive an.

Wie unterscheidet sich die Kommunikation bei Testamentsspenden von klassischen Spendenkampagnen?
Sehr deutlich. Vom Moment an, in dem eine NGO im Testament berücksichtigt wird, bis zur tatsächlichen Umsetzung der Spende können unter Umständen Jahrzehnte vergehen. Deshalb braucht es eine ganz andere Ansprache als bei klassischen Spendenkampagnen. Während klassische Kampagnen oft auf direkte Handlungsaufforderungen setzen, muss Nachlassfundraising über Jahre hinweg Vertrauen aufbauen. Regelmässige Kommunikation, transparente Informationen und eine gezielte Beziehungspflege sind entscheidend, um die persönliche Bindung zur Organisation über Jahre hinweg aufrechtzuerhalten.

«Drei Viertel der Testamentsspender:innen waren der Organisation vorher nicht oder kaum bekannt»

Und wie unterscheiden sich die Kommunikationsstrategien erfolgreicher NGOs von weniger erfolgreichen im Bereich Testamentsspenden?
Wie erwähnt: Rund 30 Prozent der erwachsenen Schweizer:innen sind offen für eine Testamentsspende. Doch dieses Potenzial bleibt oft ungenutzt, weil sich viele Organisationen im Nachlassfundraising fast ausschliesslich auf ihre bestehenden Spender:innen konzentrieren. Sie gehen davon aus, dass sich Unterstützer:innen entlang der klassischen Spendenpyramide bis zur Testamentsspende entwickeln – doch dafür müsste man sie erst einmal kennen. Unsere Umfrage bei 142 Schweizer NGOs zeigt jedoch, dass drei Viertel der Testamentsspender:innen der Organisation vorher nicht oder kaum bekannt waren. Die grösste Chance auf eine Testamentsspende liegt also nicht bei den bestehenden Unterstützer:innen, sondern bei Menschen ohne direkten Bezug zur Organisation.

Welche Rolle spielen Content Marketing und digitale Strategien im Nachlassfundraising?
Eine sehr bedeutende Rolle. Digitale Plattformen, Blogbeiträge und Ratgeber machen potenzielle Testamentspender:innen auf das Thema aufmerksam. E-Mail-Marketing begleitet Interessierte über längere Zeit und beantwortet ihre Fragen. Webinare bieten eine einfache Möglichkeit, sich unverbindlich zu informieren, und Social-Media-Kampagnen erzählen emotionale Geschichten. NGOs können gezielt digitale Touchpoints nutzen, um neue Testamentsspender:innen zu erreichen. Besonders effektiv ist unser «Online Testament-Assistent», den NGOs in ihre eigene Webseite integrieren können, um qualifizierte Leads zu generieren. Der Erbschaftsreport zeigt, dass Webseiten mit integriertem Testament-Assistenten die Anzahl der Testamentsspenden nachweislich erhöhen.

Welche Rolle spielen Authentizität und Vertrauenswürdigkeit in der NGO-Kommunikation für Testamentsspenden?
Authentizität und Transparenz schaffen Vertrauen – der wichtigste Faktor im Nachlassfundraising. Erfolgreiche Organisationen zeigen klar auf, wie Testamentsspenden eingesetzt werden, und geben konkrete Einblicke in ihre Projekte. Erfahrungsberichte von Erblassenden oder deren Angehörigen sowie Beispiele aus der Praxis stärken die Glaubwürdigkeit. Zudem nutzen sie klare, einfache Sprache, um Unsicherheiten abzubauen, und vermeiden Druck oder reisserische Botschaften. Der Schlüssel liegt in einer kontinuierlichen und respektvollen Ansprache, die den potenziellen Erblassenden Zeit und Raum für eine informierte Entscheidung lässt.

Welche technologischen Entwicklungen werden die Kommunikation im Nachlassfundraising in den nächsten Jahren prägen?
Die Kommunikation im Nachlassfundraising wird in den nächsten Jahren stark durch digitale Technologien geprägt. Immer mehr Testamentvorlagen werden online erstellt, und digitale Plattformen bieten eine einfache Möglichkeit, potenzielle Spender:innen frühzeitig zu erreichen. KI-gestützte Chatbots und virtuelle Assistenten können Erblassende individuell durch den Testamentserstellungsprozess führen und Fragen in Echtzeit beantworten. Diese Technologien ermöglichen eine zielgerichtete und individuellere Ansprache. KI-Analysen können erkennen, wann Menschen sich mit dem Thema Testament auseinandersetzen, und darauf basierend personalisierte Inhalte ausspielen. Dynamische Kampagnen ermöglichen es, Erblassende im richtigen Moment mit relevanten Informationen zu erreichen. Zudem könnten digitale Identitätsprüfungen und e-Testamente die Testamentserstellung noch einfacher und zugänglicher machen. Falls rechtsgültige digitale Testamente in Zukunft eingeführt werden, könnte das die Hemmschwelle für eine Testamentsspende weiter senken.

Zum Schluss: Welchen konkreten Kommunikationstipp würden Sie einer NGO geben, die ihr Nachlassfundraising ausbauen möchte?
Mein Tipp: Frühzeitig, digital und kontinuierlich kommunizieren. Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie eine NGO im Testament berücksichtigen können – hier braucht es Aufklärung. Digitale Kanäle sind ideal, um eine breite Zielgruppe zu erreichen und das Thema sichtbar zu machen. Ein Beispiel dafür ist unser «Online Testament-Assistent», der den Prozess vereinfacht und potenzielle Erblassende Schritt für Schritt begleitet. Gleichzeitig ist eine langfristige Beziehungspflege entscheidend: Wer frühzeitig Vertrauen aufbaut, bleibt präsent, wenn die Entscheidung getroffen wird. Und ganz wichtig: Einfach und zugänglich bleiben – je unkomplizierter der Prozess wirkt, desto eher wird eine Testamentsspende in Betracht gezogen.


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