02.02.2018

D:Pulse 2018

Der Kunde ist König, die Reichweite Königin

Content Marketing ist «nicht nur ein Hype, sondern ein Paradigmenwechsel». Dies sagte Andy Waldis von Carpe Media an einem Panel an der D:Pulse in Zürich-Oerlikon. Er gab einen Überblick und diskutierte das Thema mit Insidern.
D:Pulse 2018: Der Kunde ist König, die Reichweite Königin
Diskutierten an der D:Pulse über Content-Marketing (v.l.): Andy Waldis, Philipp Sauber, Markus Bucheli, Remo Baumeler, Marco Gasser und Philipp Hohl. (Bilder: persoenlich.com)
von Marius Wenger

An der D:Pulse traf sich am Donnerstag in Zürich Oerlikon die Marketingszene, um über Zukunftstrends der Branche zu diskutieren. Andy Waldis, CEO und Gründer von Carpe Media, hatte die nicht ganz einfache Aufgabe, in fünf Minuten einen Überblick zu den Fragen zu geben, was Content Marketing ist und was nicht, was es heute bringt und was in Zukunft.

waldis keynote


In einem kurzen Panel gaben danach einige Vertreter der Branche Einblick in ihre Arbeit und Zukunftsprognosen. Die Teilnehmer waren Philipp Hohl, Managing Partner bei Adringo, Marco Gasser, Chief Advertising Officer bei «20 Minuten», Remo Baumeler, Managing Director bei Audienzz, Markus Bucheli, CEO und Mitgründer von «LikeMag», sowie Philipp Sauber, Geschäftsführer und Partner bei Serviceplan.

«Kein Hype, sondern ein Paradigmenwechsel»

Carpe Media und seine Plattformen seien mit Content Marketing gross geworden, sagt Waldis zum Einstieg. Nicht überraschend gibt er dem Ansatz viel Gewicht: «Content Marketing ist definitv nicht nur ein Hype, sondern ein Paradigmenwechsel», meint er in der gut gefüllten Halle 622 in Zürich Oerlikon. Dem pflichtet auch Marco Gasser, Chief Advertising Officer bei «20 Minuten», bei.

Der Paradigmenwechsel besteht grob gesagt darin, dass die Strategie nicht mehr marketer-, sondern kundenzentriert ist. «Es geht darum, den Mediennutzer und potenziellen Konsumenten dort abzuholen, wo er schon ist, und ihn nicht zu unterbrechen.» Das sollte auch im Sinne der Werbetreibenden sein, denn immer mehr Gehirne würden das «Geblinke rundherum» – also klassische Anzeigen – automatisch ausblenden, so Waldis.

dp baumeler

Weniger Unterbrechung gelingt einerseits mit Native Ads, die weniger von redaktionellen Inhalten zu unterscheiden sind. Andererseits geht es aber nicht nur um die Form, sondern auch und vor allem darum, Inhalte mit Relevanz für den Nutzer auszuspielen.

Auch Remo Baumeler von Audienzz anerkennt die Wichtigkeit der Inhalte, fügt aber einen weiteren Punkt an: «Content ist King, Distribution Queen. Und wie überall hat auch im Marketing die Queen die Hosen an», so der Managing Director von Audienzz. Das Glück des Unternehmens war es, dass man von Anfang an auf die reichweitenstarken Kanäle der NZZ-Gruppe setzen konnte.

Von den richtigen Personen gefunden werden

Content Marketing soll potenzielle Kunden anziehen, involvieren und halten. Das sei ein weiteres wichtiges Merkmal von Content Marketing: «Man will nicht möglichst viele Personen ziellos erreichen, sondern von den Richtigen gefunden werden und schrittweise eine Beziehung aufbauen», so Waldis.

Diesen Beziehungsaufbau skizziert er in mehreren Schritten. Typischerweise beginne er mit (bezahlten) Native Ads. «Der Unterschied zu klassischen Publireportagen besteht darin, dass der Kunde auf die Webseite des Werbetreibenden weitergeleitet wird», sagt Philipp Hohl von der Firma Adringo, die auf Native Content spezialisiert ist. Anschliessend soll die Beziehung laut Waldis via Ratgeber oder Newsletter, über Chat- oder Webinar-Interaktionen bis hin zum schlussendlichen Kaufabschluss aufgebaut und vertieft werden.

dp adringo kampagne

«Beim Content Marketing soll der Nutzer nicht in der Phase der Kaufbereitschaft abgeholt werden, sondern in der Phase der Informationsbereitschaft», so der Carpe-Media-CEO. Zugleich sei das Ziel, dass die Beziehung über einen Kaufentscheid hinaus bestehen bleibe.

Damit dies gelingt, ist für Waldis die Relevanz der Inhalte das Entscheidende. Ähnlich klingt auch Markus Bucheli, Gründer und CEO von «LikeMag», das sich zu einem guten Teil über Content Marketing finanziert. Auf die etwas provokative Frage Waldis', ob «LikeMag» als Medium überhaupt ernst genommen werde, antwortete er: «Die Frage ist nicht, ob wir als Medium ernst genommen werden, sondern ob wir für die Nutzer relevant sind». Mit Content Marketing verhalte es sich ähnlich wie mit diversen Geschichten in Klatschmagazinen, einfach ins Internet transferiert.

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«Content Marketing verfolgt Pull-Strategien», resümiert der Carpe-Media-Gründer. Deshalb zähle er den Ansatz nicht zur Werbung, die typischerweise Push-Strategien verfolgt. In dieser Frage sind sich nicht alle einig. Auf die Frage Waldis', wie die «zu kommerziellen Inhalten möglichst grosse Distanz wahrenden NZZ-Journalisten» auf Content Marketing blicken, meint der angesprochene Baumeler: «Für die Redaktionen ist es ganz klar Werbung.»

Die Zukunft: Data-Driven-Content, Datenschutz und Unsicherheiten

Als fünf «next big things» im Content Marketing nennt Waldis zum Schluss: Video, Data-Driven-Content, VR / AR, Interactive Content und Semantik/AI/ Machine Learning. Beim Blick in die Zukunft bemerkte Philipp Sauber von Serviceplan, der einzige Vertreter der Konzept- und Kreationsseite: «Bis 2020 erwarten wir, dass 30 Prozent aller Suchanfragen via Voice geschehen. Das müssen wir bereits jetzt bedenken, sonst wird unsere heutige Arbeit in naher Zukunft nicht mehr gefunden».

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Kurz angesprochen wurde auch das Thema der Veränderung beim Datenschutz, das im Zusammenhang mit Retargeting auch für Content Marketing grosse Bedeutung hat. Alle Podiumsteilnehmer sahen einen grossen Einfluss darin, doch zeigten sie sich alle ziemlich entspannt. Die Unklarheiten, was dabei auf die Marketingbranche zukommen wird, seien einfach noch zu gross.



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Kommentare

  • Christian Grass, 02.02.2018 13:41 Uhr
    Content-Marketing hat im Zuge der Neuorientierung am Konsumenten in der Transformation zum digitalen Zeitalter, nichts mit einem Paradigmenwechsel zu tun. Die Werbung benötigte seit Existenz immer Inhalte, um Menschen das Vertrauen in einen Brand oder in ein Produkt zu geben. Der echte Paradigmenwechsel liegt darin, dass im digitalen Universum das Ich öffentlich wird und sich in vielen Facetten ausdrückt: "The Online-Identities move in different moods from channel to channel" Prof. Dr. Sherry Turkle, MIT Boston. Die Herausforderung liegt also darin, dass Marken im Dialog und auf Augenhöhe mit Online-Identitäten im Netz Stimmung machen (und nicht mehr Image), um so über narrative Wege (professionelles, journalistisches Story- Picture-Telling = Brand Journalism), den Menschen im Netz als Marke die Hand zu geben und ihn an sich binden. Entgegengesetzt Ihrer Fach-Meinungen, behauptet The Communicator Group, dass bei grundsätzlicher Informationsbereitschaft des Konsumenten eine Interaktion über die Website des Unternehmens in Form von Ratgebern, Newslettern oder Webinare nur sehr bedingt funktionieren kann. Sämtliche wissenschaftliche Untersuchungen an den grössten kommunikationswissenschaftlichen Universitäten dieser Welt haben mit hunderttausenden Probanden bewiesen, dass ein Pull-Mechanismus nur dann „echt“ funktioniert, wenn die Marke im Dialog und dort wo sich der Prosumer im Netz aufhält, mit ihm interagiert. Jede Marke muss wissen wo sein potentieller Kunde im Netz ist, welche Grundhaltung er zu einer Branche hat und wie diese seine Stimmung im Netz so beeinflussen kann, dass beim Konsumenten der Impuls ausgelöst wird, sich für die Marke und das Produkt wirklich zu interessieren. Mehr zur Thematik finden Sie in den Fach-Blogs von The Communicator Group, Zürich/Berlin/Boston
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