27.01.2021

Urban Lemonade

«Die Etiketten sind simpel, aber wirkungsvoll»

Jalscha Römer, Zürcher Grafikdesignerin und Art Director, ist Mitinhaberin der Firma Urban Lemonade. Zusammen mit dem Grafiker Kevin Högger hat sie eine Getränke-Linie redesignt. Seither wächst die Firma stark.
von Edith Hollenstein

Frau Römer, Sie sind nicht «nur» Grafikerin, sondern haben einen Zweitjob als Limo-Produzentin. Wie profitiert das eine vom anderen?
Als Limonaden-Produzenten sind wir unser eigener Kunde und so sind uns gestalterisch keine Grenzen gesetzt. Wir sind also Auftraggeber, Gestalter, Strategen und Produzenten in einem und arbeiten deshalb schnell und effektiv. Ausserdem ist es ein tolles Gefühl, die selbst kreierten Limonaden in den Regalen der Läden wiederzufinden – das motiviert sehr.

Und sonst?
Oft ist es so, dass nach dem Launch eines Produktes keine Rückmeldungen mehr zu uns Gestaltern durchdringen. Bei der Arbeit mit der Limonade ist es glücklicherweise anders, weil das Feedback direkt bei uns ankommt. Ich lerne als Grafikerin viel Neues rund um die Betriebswirtschaft und bin schweizweit in Kontakt mit vielen Gastronomen und Gastronominnen – was eine spannende Ergänzung zu meinem Job ist.

Was für eine Funktion haben Sie bei «Urban Lemonade»?
Alle im Team machen, was er oder sie gerne tut oder gut kann. So ist Urban Högger vor allem für die Zutaten und Rezepturen verantwortlich, während Kevin Högger und ich Konzepte für Kampagnen erarbeiten oder Drucksachen, Webauftritt und Packaging designen. Ein grosser Teil unserer Arbeit ist jedoch Organisation, Vertrieb und Kommunikation – Knochenarbeit halt.

«Nachdem die erste Limo mit Yuzusaft durch die Decke ging, konnten wir uns stetig vergrössern und bald zwei weitere Sorten auf den Markt bringen»

Wie kamen Sie zu «Urban Lemonade»?
Um ehrlich zu sein, fand ich den Gedanken seit jeher verlockend, immer einen Kühlschrank voll mit feinen Getränken zu haben. Als dann mein Grafiker-Kollege Kevin Högger von der neuen Limonade seines Onkels Urban Högger erzählte, war schnell klar, dass wir das Projekt zu dritt weiterentwickeln wollten. Die ersten Flaschen zierten noch ein in PowerPoint gewerkeltes Etikett von Urban, welches als Vorlage fürs Rebranding diente. Nachdem die erste Limo mit Yuzusaft durch die Decke ging, konnten wir uns stetig vergrössern und bald zwei weitere Sorten auf den Markt bringen.

Calamansi-Limonade und die Cocoa Sirsak-Limonade.
Ja. Die Calamansi ist übrigens eine Art Bittermandarine aus den Philippinen und Cocoa Sirsak ein Gemisch aus dem Fruchtfleisch der Kakaobohne und der Graviolafrucht.

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Warum aber wurden die Produkte von «Urban Lemonade» plötzlich zum gefragten Produkt?

Ganz einfach: Geschmack und Design. Da wir nur mit natürlichen Säften aus der Spitzengastronomie arbeiten, sind die Limonaden geschmacklich sehr intensiv. Ich trinke sie selbst sehr oft, weil sie einfach gut sind. Die Etiketten sind simpel, aber wirkungsvoll und sprechen vor allem auch junge, design-affine Menschen an. Auch ist Urban als ehemaliger Koch immer dem Trend etwas voraus und weiss, welche Früchte bei modernen Genussmenschen gut ankommen.

Was für einen Einfluss hatte das Design von Flasche und Etikette?
Sicher einen grossen, das stellen wir im Alltag oft fest. Eine etwas andere Flaschenform, mehr Weissraum und reduzierte, grosse Typografie auf dem Etikett lassen die Limos aus der Masse der Getränke hervorstechen. Wir bekommen viele Fotos von Kundinnen, die die leeren Flaschen als Blumenvase oder Kerzenständer benutzen, weil sie zu schade sind fürs Altglas.

«Der Brand hat kein Logo im klassischen Sinne, sondern bedient sich eigentlich nur zwei Schweizer Schriften und der grafischen Blubberblasen in verschiedenen Farben»

Was für Überlegungen stehen hinter der Gestaltung?
Wir wollten einen starken Kontrast herstellen zwischen klarer Typografie und verspielten, ornamentalen Elementen. Der Brand hat kein Logo im klassischen Sinne, sondern bedient sich eigentlich nur zwei Schweizer Schriften und der grafischen Blubberblasen in verschiedenen Farben. Wir versuchen hierbei auch die «klassischen» Getränkestandards zu vermeiden, arbeiten etwa mit viel Weissraum oder transparenten Elementen über der Schrift. In einem ähnlichen Sinne versuchen wir bei den Kampagnenfotos nicht zu reproduzieren, was schon tausendmal gesehen wurde: Eiswürfel, Getränkespritzer, Gläser mit Trinkhalmen und Palmwedel haben bei uns nichts zu suchen. Wir verzichten sogar auf das Abbilden der Zutatenfrüchte als solche und haben stattdessen in unserer neusten Kampagne mit Floral Design experimentiert, in Zusammenarbeit mit dem Studio Végété und Tobias Siebrecht.

Im Handel kostet eine Flasche 3 bis 4,50 Franken, im Restaurant 5,50 bis 7,50 Franken. Wie ist es gelungen, die Hochwertigkeit gestalterisch zu erzeugen?
Indem wir nicht nur bei den Zutaten auf Qualität achten, sondern auch bei den Materialien von Flasche und Etikett. Offenes Naturpapier bedruckt mit Neon-Sonderfarben wirkt einfach hochwertiger als glänzende Digitaldrucke. Kostet mehr, wirkt aber auch mehr.



Sie haben Ihre Kampagne in Floral Design erwähnt. Welches ist die Hauptzielgruppe?
Unsere Hauptzielgruppe sind Genussmenschen, welche gerne Neues entdecken und ein Faible für Drinks und Design haben. Ein grosser Teil ist  «Kaltakquise» – also persönlich mit Musterflaschen in Restaurants gehen und das Produkt promoten. Wir müssen ja vor allem die Gastronominnen überzeugen, die dann wiederum ihre Kunden von den Limonaden überzeugen. Vieles läuft aber tatsächlich über unser Netzwerk, auch über Instagram und unsere Vertriebspartner. Werbung im klassischen Sinne machen wir noch fast keine.

Welche Geschmacksrichtung ist Ihre liebste aktuell respektive welche hilft am besten gegen den winterlichen Coronablues?
Das frage ich mich selber auch, denn es wechselt oft, je nach Stimmung. Gegen den grauen Winterblues würde ich aber die Cocoa Sirsak-Limonade empfehlen – da steckt am meisten tropischer Süden drin.

 

 



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Kommentare

  • gretener adam, 28.01.2021 17:50 Uhr
    Was sollen Säfte aus der Spitzengastronomie denn genau sein? Spitzengastronomie-Früchte? Und dann spitzenmässig entsaftet? Also so, wie es jeder Entsafter aus dem Conforama auch kann? Säfte aus der Spitzengastronomie, ich glaub ich hör nicht richtig.
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