20.03.2017

Christian Belz

«Die Hälfte der Umfragen sind überflüssig»

Kunden nerven sich über Umfragen. Was können Unternehmen dagegen tun? Im Interview sagt der HSG-Marketingprofessor Christian Belz, was der Kunde nach seinem Feedback erwartet. Zudem erklärt er, weshalb man standardisierte Umfragen nicht ernst nehmen kann.
Christian Belz: «Die Hälfte der Umfragen sind überflüssig»
Christian Belz, Ordinarius für Marketing an der Universität St. Gallen, ist der Meinung, dass Unternehmen ohne einen Schaden auf 50 Prozent der Umfragen verzichten könnten. (Bild: zVg.)
von Tim Frei

Herr Belz*, Unternehmen überhäufen ihre Konsumenten immer mehr mit Umfragen über die Kundenzufriedenheit. Schneiden sich Firmen damit nicht ins eigene Fleisch?
Solche Umfragen sind in der Tat immer häufiger. Nur ist es für einen Kunden leicht auszuweichen. Nicht zu reagieren, schafft auch eine schöne Erleichterung.

Wie meinen Sie das?
Etwas nicht zu tun, entlastet. Ähnlich ist es bei den Mails. Es ist schön, dass nicht alles wichtig ist und weggedrückt oder fortgeworfen werden kann.

Was rechtfertigt eigentlich eine Umfrage – nach jedem Telefongespräch und jeder Paketlieferung?
Manche Unternehmen verknüpfen die Ergebnisse der Kundenzufriedenheit mit dem Lohnsystem der Mitarbeitenden. Leider verstehen die Mitarbeiter oft, das zu beeinflussen. Nach meiner Meinung liesse sich ohne einen Schaden auf 50 Prozent der Umfragen verzichten. Es gibt ergiebigere Alternativen wie Kundenbeiräte, Kundenworkshops oder Mystery Shopping.

Über das Übermass ärgert sich der Kunde. Kann das der Marke eines Unternehmens nachhaltig schaden?
Den Schaden erachte ich als gering. Immerhin sind Unternehmen bemüht, das Feedback der Kunden einzuholen. Grundsätzlich ist das positiv. Kunden erhalten die Gelegenheit sich zu äussern und haben damit ein Ventil für Ärgernisse, vielleicht auch besondere Freuden. Obschon die Umfragen manchmal ärgerlich sind, bleiben sie ein Nebengeräusch.

Worauf müssen Unternehmen bei Umfragen achten, damit die Kunden nicht vergrault werden?
Befragungen zur Zufriedenheit leben von einem relevanten Inhalt. Standardisierte Fragen, die bei einem Porsche und Skoda, dem 4- und 1-Stern-Hotel gleich formuliert sind, kann man nicht ernst nehmen. Die Fragen müssen auf den Anspruch von Unternehmen und ihren Kunden massgeschneidert sein. Für Unternehmen müssen die Fragen und Antworten wichtig sein. Dann spürt das auch der Kunde. Zudem sollen Feedbacks echte Anliegen des Kunden erfassen, standardisierte Smileys erlauben das nicht. Vertrauen schaffen Unternehmen auch durch ihre Reaktion auf die Anliegen.

Inwiefern erwartet der Kunde nach seinem Feedback eine Verbesserung des Services?
Der Kunde unterscheidet zwischen einer Standardrückmeldung und seinen echten Anliegen. Auf wichtige Anregungen oder Probleme schätzt er eine Reaktion. Obschon bereits die ersten Experten der Servicequalität empfahlen, die Reklamationen als Chefsache zu behandeln, wird der Kunde durch solche Reaktionen positiv überrascht. Er erwartet gar nichts mehr.   

Und wie schnell muss die Verbesserung eintreten?
Sofort und gut ist besser als langsam und schlecht.

Der US-Berater und Buchautor Fred Reichheld spricht im Tagi-Artikel von einem «Tsunami an Fragebögen, der die einzelnen Befragungen wertlos mache». Teilen Sie diese Ansicht?
Wertlos sind diese Umfragen besonders, weil sie nicht professionell gestaltet sind. Die Ergebnisse sind inzwischen auch für Verantwortliche im Unternehmen langweilig. Eine Belästigung entsteht damit auch im Unternehmen selbst.

Was raten Sie?
Ich empfehle, jeweils mindestens die Hälfte der Fragen zur Zufriedenheit pro halbes Jahr zu wechseln. Dann lassen sich Änderungen im Unternehmen prüfen und besondere Aspekte – beispielsweise die Qualität der Beratung – vertiefen. Treiber für die Flut an Umfragen sind übrigens auch Marktforscher, die hier ein wichtiges Geschäft betreiben und standardisierte Produkte anbieten.

*Christian Belz ist Ordinarius für Marketing an der Universität St. Gallen (HSG). Das Interview wurde schriftlich geführt.

 



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Kommentare

  • Kurt Heller, 23.03.2017 15:56 Uhr
    Eigentlich bin ich mit der Analyse von Christian Beiz einverstanden. Allerdings wäre es wichtig und richtig, nich einfach generell von Umfragen zu sprechen, sondern klarzustellen, dass es sich hier um Befragungen zur Kundenzufriedenheit geht. Diese sind in der Tat inflationär und häufig umprofessionell ("selbst gebastelt"). Eine *schlaue" und professionelle Kundenbefragung jedoch ist alleweil erkenntnisreich und wichtig.
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