04.07.2018

Stellenmeldepflicht

«Es droht eine Busse bis zu 40'000 Franken»

Auch PR- und Marketingfachleute fallen unter die Stellenmeldepflicht, die seit Juli in Kraft ist. Können Agenturen oder Kommunikationsabteilungen nun nicht mehr so einfach Ausländer anstellen? Edgar Spieler vom Zürcher Amt für Arbeit erklärt die Hintergründe.
Stellenmeldepflicht: «Es droht eine Busse bis zu 40'000 Franken»
Die neue Stellenmeldepflicht betrifft auch die Kommunikationsbranche: Hier Mitarbeiter von homegate.ch. (Bild: Keystone/Ennio Leanza)
von Edith Hollenstein

Herr Spieler*, auf der Liste für die neue Stellenmeldepflicht sind auch Marketing- und PR-Fachleute. Wie müssen Agenturen vorgehen, wenn sie eine Stelle neu zu besetzen haben?
Marketingfachleute und PR-Fachleute fallen aufgrund der im schweizweiten Durchschnitt überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit in den ihnen zugehörigen 25 Berufen unter die Stellenmeldepflicht. Diese und die weiteren betroffenen Berufsbezeichnungen sind auf arbeit.swiss unter dem Stichwort Stellenmeldepflicht ersichtlich. Agenturen oder Firmen, die eine Stelle in einem dieser Berufe besetzen wollen, müssen diese als erstes über die genannte Plattform oder telefonisch oder persönlich beim für sie zuständigen Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) melden.

Wie geht es dann weiter?
Die öffentliche Arbeitsvermittlung prüft die Vollständigkeit der Stellenmeldung und bestätigt diese. Im Kanton Zürich übernimmt dies das kantonale Stellenmeldezentrum, in anderen Kantonen sind es die RAV oder andere Bereiche der öffentlichen Arbeitsvermittlung. Ab dem folgenden Arbeitstag läuft die Frist von fünf Arbeitstagen, in denen die Stelle nicht öffentlich ausgeschrieben werden darf und nur von den beim RAV angemeldeten Stellensuchenden eingesehen werden kann. Sie können sich so exklusiv bewerben. Spätestens innert dreier Arbeitstage nach Bestätigung der vollständigen Stellenmeldung liefert zudem die öffentliche Arbeitsvermittlung dem Arbeitgeber Vorschläge passender Kandidaten, die beim RAV gemeldet sind. Arbeitgeber prüfen die Vorschläge und müssen Kandidaten, die sie als geeignet beurteilen, zu einem Gespräch einladen. Im Anschluss müssen sie die öffentliche Arbeitsvermittlung darüber informieren, ob und welche Kandidaten sie als geeignet beurteilt und zum Gespräch eingeladen haben, sowie welche Kandidatin beziehungsweise welchen Kandidaten sie angestellt haben.


In PR und Marketing arbeiten viele Deutsche. Wird es für Agenturen oder Kommunikationsabteilungen nun schwieriger, Personal aus dem Ausland anzustellen?
Sofern Arbeitgeber keine passenden Kandidatinnen oder Kandidaten unter den Stellensuchenden der RAV finden, können sie nach Ablauf der Frist des Publikationsverbotes Personal aus dem Ausland einstellen. Es bestehen keine zusätzlichen Auflagen oder Einschränkungen.

Schliesslich kann also weiterhin das Unternehmen entscheiden. Es gibt keinen Druck, Schweizern den Vorrang zu geben, oder doch?
Arbeitgeber sind in ihrer Entscheidung frei, ob sie Stellensuchende, welche das RAV vorschlägt oder welche sich selbst bewerben, als geeignet einschätzen. Sie müssen ihre Entscheidung nicht begründen. Insofern besteht kein weiterer Druck. In den gesetzlichen Bestimmungen zur Stellenmeldepflicht wird allerdings darauf hingewiesen, dass der Bund zusätzliche Massnahmen prüft, falls die Stellenmeldepflicht nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Damit verbunden ist die Erwartung, dass Arbeitgeber geeignete Kandidaten, welche auf den RAV angemeldet sind, ernsthaft prüfen.  

Die neue Stellenmeldepflicht ist also kein «Inländervorrang»…
Durch die Stellenmeldepflicht und den damit verbundenen Informationsvorsprung für die Stellensuchenden entsteht ein Vorrang für die auf dem RAV gemeldeten inländischen Stellensuchenden. Es trifft aber zu, dass sich diese Regelung des «Inländervorrangs» wesentlich von dem für Arbeitsbewilligungen aus Drittstaaten geltenden Inländervorrang unterscheidet.

Was für Bussen drohen, wenn sich die Firmen nicht daran halten?
Verstösse gegen die Stellenmeldepflicht können mit einer Busse von bis zu 40'000 Franken geahndet werden.

Was für Vorteile bringt die Stellenmeldepflicht den Stellensuchenden?
Stellensuchende, die beim RAV angemeldet sind, profitieren von Informationen über vakante Stellen und vom Informationsvorsprung, weil sie während fünf Arbeitstagen exklusiven Zugang zu den gemeldeten Stellen besitzen. Die Bewerbungsdossiers dieser Stellensuchenden, die sich direkt bewerben oder von der öffentlichen Arbeitsvermittlung vorgeschlagen werden, gehören zu den ersten, die ein Arbeitgeber prüft. 

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Wie lange gilt die aktuelle Liste mit den 19 Berufsgruppen?
Gemäss der Verordnung über die Unterstellung von Berufsarten unter die Stellenmeldepflicht in den Jahren 2018 und 2019 gelten diese Berufsarten bis 31. Dezember 2019. Der Bund sieht vor, dass der Schwellenwert der gesamtschweizerischen Arbeitslosenquote per 1. Januar 2020 von den derzeit geltenden 8 Prozent, welche die Arbeitslosigkeit in einer Berufsart erreicht oder überschreitet, auf 5 Prozent gesenkt wird.

Welche weiteren Berufe aus der Kommunikations- oder Medienbranche könnten später in dieser Liste auftauchen?
Dies hängt nicht nur von der Reduktion des Schwellenwertes, sondern auch von der weiteren Entwicklung der Arbeitslosigkeit ab. Zurzeit ist die Arbeitslosigkeit erfreulicherweise rückläufig.


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* Edgar Spieler ist Leiter Arbeitsmarkt im Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich. Er hat die Fragen schriftlich beantwortet.



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Kommentare

  • Mica Vero, 04.07.2018 14:19 Uhr
    RAV-Bewerber können sich vielleicht früher bewerben, aber wer garantiert, dass diese Dossiers überhaupt angeschaut werden? Ausserdem werden viele Stellen unter der Hand vergeben, womit die überdurchschnittlich vielen Arbeitslosen der Kommunikationsbranche auch keine Chance haben...
  • Peter Eberhard, 04.07.2018 09:47 Uhr
    Zitat Spieler: "Arbeitgeber sind in ihrer Entscheidung frei, ob sie Stellensuchende, welche das RAV vorschlägt oder welche sich selbst bewerben, als geeignet einschätzen." Also das reinste Alibi-Hornberger Schiessen. Und wem haben wir letztlich dieses weitere Bürokratiemonster zu verdanken? Ist das nicht die Partei, die immer wieder vorgibt, sich gegen zu grosse staatliche Einflüsse zu wehren?
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