20.07.2001

"Es ist notwendig, die Kräfte zu bündeln, um wahrgenommen zu werden"

Mit dem CIO Club, Vereinigung der Informations-Management-Fachleute, wurde dieser Tage ein neuer Berufsverband gegründet. Die Ausbildung zum Chief Information Officer wird in der Schweiz erst seit wenigen Jahren angeboten. Thomas Schlickenrieder (Bild), Präsident und Gründungsmitglied, erklärt, warum sich ausgerechnet die CIOs organisieren, was die Ziele des Vereins sind und wer sich angesprochen fühlen soll. Das Interview.
"Es ist notwendig, die Kräfte zu bündeln, um wahrgenommen zu werden"

Herr Schlickenrieder, was macht ein Chief Information Officer?

Der CIO ist ein neuer Beruf, der aus den USA zu uns kommt und der auf dem zukünftigen Arbeitsmarkt eine grosse Relevanz haben wird. Zur Zeit wird die Technologieintegration intensiviert, was dazu führt, dass die Produktionsindustrie sich mehr und mehr zur Informationsindustrie entwickelt. Marktveränderungen erfordern ein neues Marketingverständnis. Strategisch gesehen beinhalten seine Aufgaben die Identifizierung von neuen Gewinnchancen im Informations-Business, die Positionierung des Unternehmens im zweigeteilten Marktsystem sowie die Konzeptionierung des strategischen Informations- und Kommunikationskonzepts. Operativ heisst das, dass der CIO die bisherigen Geschäftsprozesse an die marktrelevanten Informationsprozesse anzupassen hat und Schnittstellen zwischen Management, Technik und Administration sicherstellt. Desweiteren implemetiert er die Instrumente des Interactive Marketing im Unternehmen. Der Chief Information Officer ist in aller Regel Mitglied der Geschäftsleitung.

In der Schweiz hat der Titel CIO häufig Eingang gefunden im Zusammenhang mit Informatikstellen, d.h. er wird häufig verwechselt mit dem CITO (Chief Information Technical Officer). Natürlich ist das Management von Daten ein wichtiger Teil des Berufbildes, der CIO bewegt sich aber viel mehr im Marketingbereich. Seine Aufgabe ist es, im Zuge veränderter Märkte Change Management Prozesse einzuleiten und Informationen und Prozesse zu integrieren. Noch bis vor kurzer Zeit waren beispielsweise die Informatikabteilung und das Marketing Bereiche, die wenig gemeinsame Schnittstellen aufwiesen. Die Integration und Dynamisierung der Prozesse ist ein Challenge des Chief Information Officer. Es macht doch keinen Sinn, angesichts unbefriedigender Direct Marketing-Resultate die Auflage des Mails zu verdoppeln. Vielmehr ist es die Aufgabe des Unternehmens, Kundeninformationen zu generieren und zu qualifizieren. Die Folge davon könnte zum Beispiel sein, dass anstelle der ursprünglich 50'000 Mailings nur noch 10'000 Exemplare verschickt werden. Aber an Adressaten mit einer erhöhten Kaufwahrscheinlichkeit. Dies setzt jedoch wiederum Kundenwissen voraus. Die Steuerung dieser Prozesse, ausgehend vom Marketingansatz, ist eine der Aufgaben des Chief Information Officers.

Warum braucht es aber gleich einen Club?

Wir haben diesen Club gegründet, weil wir merken mussten, dass sich gerade das Berufsbild eines CIO sehr schnell verändert. Die Absolventen des jetztigen Kurses am SAWI behandeln bereits Themen, die vor einem Jahr noch gar nicht opportun waren. Ein laufendes Up-Grading des Know-Hows ist denn auch ein ganz wichtiges Anliegen, dass wir u.a. mit Zwei-Tages-Kursen abdecken wollen.

Was sind die weiteren Ziele des CIO Club?

Im wesentlichen geht es darum, Berufsbild und Positionierung des Chief Information Officers in der Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit bekanntzumachen und zu etablieren sowie gemeinsame Interessen in Bezug auf Knowledge-Transfer, Networking und wie gesagt Weiterbildung wahrzunehmen.

Wie soll das konkret aussehen?

Ein wichtiger Punkt ist sicherlich die Interessenvertretung. Wir bemühen uns zur Zeit darum, in den Prüfungskommissionen von SAWI oder auch HSG Einsitz nehmen zu können. Unser Ziel ist es denn auch, Niveau und Kontinuität der Ausbildung zu halten resp. zu steigern. Dann suchen wir Kontakt zu den grösseren Arbeitgebern, um bei diesen das Berufsbild bekanntzumachen oder dieses – wo nötig – klarzustellen. Ein wichtiger Punkt ist natürlich auch der Zugang zu den Medien. Desweiteren sind wir in Kontakt mit Stellenvermittlern. Uns geht es darum, nicht abgehoben zu diskutieren, sondern die Wirtschaft einzubinden, sei dies mit Veranstaltungen bei uns im Club, sei dies, indem wir als Referenten nach aussen gehen. Jedes Mitglied soll vom Network profitieren können, weshalb wir zur Zeit auch mit verschiedenen möglichen Partnern in Gespräch sind. Der CIO Club scheint übrigens tatsächlich einen Bedarf abzudecken – ich habe seit Lancierung schon unzählige Anfragen via E-Mail erhalten.

Wen wollen Sie ansprechen?

Der CIO Club richtet sich in erster Linie an diplomierte Chief Information Officer, von denen es in der Schweiz erst rund 50 bis 60 gibt (SAWI). Gemäss Statuten ebenfalls zur Mitgliedschaft berechtigt sind Personen, die den SAWI-Kurs "New Markting" erfolgreich absolviert haben und demnächst den CIO-Kurs starten. Ist nun aber jemand berufeswegen in einer Position, die in ihrer Bedeutung und Komplexität in etwa der eines diplomierten CIO entspricht, dann besteht die Möglichkeit, dass ihn der Vorstand auch ohne Diplom aufnimmt. Ebenfalls möglich sind Firmenmitgliedschaften.

Wer steht hinter dem Verein?

Die Initianten sind Absolventen. Die Gründungsversammlung fand im SAWI in Biel statt, das SAWI befürwortet und unterstützt den CIO Club. Es gibt in der Schweiz wie gesagt erst wenige CIOs. Deshalb ist es notwendig, die Kräfte zu bündeln, um wahrgenommen zu werden. Im weiteren ist es dem Einzelnen unmöglich, auf dem Niveau der Ausbildung seine persönliche Weiterbildung an die Hand zu nehmen. Und dann geht es natürlich auch um Networking und Social Life. Um das Ganze zu institutionalisieren, haben wir uns entschieden, einen Verein zu gründen, der gemeinsame Anliegen vertreten und als Sprachrohr fungieren soll.

Wie sehen Ihre nächste Projekte aus?

Im Moment wird das Veranstaltungsprogramm ausgearbeitet und Kooperationen abgesteckt. Es bestehen bereits klare Vorstellungen, wie zum Beispiel Kooperationspläne mit Institutionen oder auch Universitäten aussehen könnten, wie die Weiterbildung aussehen soll, wie wir die Wirtschaft einzubinden gedenken. Über die Details wollen wir aber erst anfangs November informieren.



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