Auf einen Gast wartete man im Medienzentrum von Nike in Sydney bislang vergeblich: Philip H. Knight. Selbst der amerikanische PR-Stab hat keine Ahnung, "ob der Chef kommt oder nicht". Das Versteckspiel passt zum Boss, der das Rampenlicht scheut und lieber daheim vom Hauptsitz in Portland aus sein Imperium führt. Natürlich verfolgt er die Aufführungen seiner Vorzeigeathleten, die vorneweg laufen sollen. Siege sind schliesslich die beste Werbung, um nach einem Tief bessere Absatzzahlen zu feiern.
Jeder fünfte Athlet trägt Nike
Knight, schüchtern, aber erfolgsbesessen, hält sich in der Öffentlichkeit mit kessen Sprüchen zurück. Dafür hat er seine Kommunikations-Profis bestens trainiert, damit sie grosse Töne spucken. "Wir glauben, dass wir hier in Sydney unsere bislang besten Spiele erleben werden", sagt Nike-Sprecher Kirk Stewart und verweist auf imponierende Zahlen. Mit über 2000 Athleten in Nike-Produkten (20 Prozent aller Teilnehmer), die in 98 verschiedene Teams und in 25 Sportarten mitmachen, ist Sydney die perfekte Bühne, um das eigene Image aufzupolieren. Und Kratzer gabs, weil der wieder erstarkte Hauptkonkurrent Adidas-Salomon die letzten Runden des Duells "Swoosh vs. Stripes" ("Wall Street Journal") gewann. Adidas verlegte sogar das US-Hauptquartier der Marke mit den drei Streifen von New Jersey quasi in den Vorgarten von Nike nach Portland. Dabei hatte es Phil Knight schon gereicht, dass der Umsatz im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 1994 zurückgegangen war und sein Star-Angestellter Michael Jordan in den Ruhestand ging. Doch einer wie Knight gibt sich nie geschlagen. "Wir kommen wieder", sagte er vor der Aktionärsversammlung kämpferisch, "ein langsames Comeback ist besser als gar keins."
Zu Schwarzmalerei besteht wahrlich kein Grund: Mit einem Umsatz von 8,8 Milliarden Dollar liegt Nike immer noch deutlich vor den Konkurrenten Adidas mit 5,3 Milliarden und Reebok mit 3,2 Milliarden. Knight hat stets den richtigen Riecher für Innovationen. Derzeit erobert er ein Land nach dem anderen mit seinen Nike Towns, einer Mischung aus Sportmuseum und Einkaufsgeschäft. Das Magazin "Sports Illustrated" krönte ihn zum mächtigsten Mann im US-Sport, und in der Liste der reichsten Amerikaner ist er stets ganz vorne dabei. Den ganz grossen Wurf landete Knight - rund 20 Jahre nach der Firmengründung - mit der Verpflichtung eines College-Basketballers, der zur Lichtgestalt aufstieg: Michael Jordan. Der einstige Superstar der Chicago Bulls führte den in den 80er-Jahren strauchelnden Sportartikelhersteller mit dem "Air"-Jordan-Basketball-Schuh in die schwarzen Zahlen. Jordan profitierte ebenso wie Knight. "Wenn Michael Jordan der Gott des Sports ist", urteilte ein amerikanischer Philosoph, "dann hat ihn Phil Knight in den Himmel gehoben." Wie kein anderer versteht es der Geschäftsmann, Sportler ganz eng an seine Firma zu binden. Sein nach Jordan wohl grösster Coup ist die millionenschwere Verpflichtung des Golfers Tiger Woods.
Showdown down under
Die Strategie der letzten Jahre zielt darauf ab, neue Märkte zu erschliessen. Nike fördert Trendsportarten wie Beachvolleyball und versucht, etablierten Sport wie Basketball in anderen Erdteilen populär zu machen. Das verstärkte Engagement im Fussball gilt als direkter Angriff auf den Hauptkonkurrenten Adidas. Knights Berater Geoff Hollister warnte seine Gegner bereits mehrmals: "Lacht Phil Knight einmal aus und seht dann, wie lange er braucht, um euch einzuholen." Die grosse Abrechnung ist für Sydney geplant. Hier will der Herr der Schuhe neue Massstäbe setzen und aus der Ferne genüsslich betrachten, wie seine Athleten Goldmedaillen abräumen. Vor allem hofft er dabei auf eine grosse Show der australischen Heldin Cathy Freeman und der "drei grossen Ms" (Marion, Michael und Maurice). Für Marion Jones wurde im Windkanal extra ein Ganzkörperanzug entworfen, und Michael Johnson löste am Dienstag auf der Holker Street das Rätsel um seinen neuen Olympiaschuh. Das Designer-Laufwerk ist in einer Steigerung von Atlanta mit 24-karätigem Gold besetzt. Phil Knights Imperium will down under eben in allen Bereichen glänzen.