Die Euro 08 ist von einer Vielzahl unabhängiger Institutionen organisiert worden. Die Fussballverbände und ihre Organisationen waren für das Fussballturnier verantwortlich, die Host Cities für die Abläufe in den Gastgeberstädten, Bund und Kantone für die generellen Rahmenbedingungen, Verkehr und Sicherheit. Und weil das Ganze noch in zwei Ländern stattgefunden hat, war die Komplexität in der Projektorganisation sehr hoch. Das Interesse der Medien an der Euro 08 war schon Jahre vor dem Anpfiff gross. Deshalb war die Kommunikationsführung vor, während und nach dem Anlass für alle Beteiligten eine der zentralen Aufgaben. Mitte 2007 haben wir von der Organisation des Bundes ein Kommunikationskonzept entworfen und all unseren Partnern zur Stellungnahme unterbreitet.
Kernpunkt des Konzeptes war eine Unterteilung in vier Phasen mit jeweils spezifischen Zielen: 1. Vertrauen schaffen, 2. Sympathie gewinnen, 3. Vorfreude wecken, 4. (während des Turniers) Inland: Wir erleben etwas Aussergewöhnliches und freuen uns darüber; Ausland: Die Schweiz überrascht, die Menschen sind herzlich und hilfsbereit, das Land ist gar nicht so teuer, wie man glaubt. Nach der Formulierung der Botschaften für diese Phasen haben wir ein kleines Kapitel Stolpersteine angefügt und darin zwei Punkte erwähnt: Gewalt im Fussball und die Uefa. Zu Letzterem haben wir Folgendes ausgeführt: Die Uefa hat ein Abzocker-Image. Fragen wie jene um die Quellensteuer sind ausserordentlich heikel.
Diese Bemerkungen haben bei der Uefa keine Freude ausgelöst und noch viel weniger irgendwelche Aktionen. Ich bin dann selber zur Projektionsfläche für die Euro 08 geworden und musste in unzähligen Interviews auch zur Uefa Stellung nehmen. Dabei habe ich mich zunehmend zwischen den Fronten gefühlt. Einerseits wurde völlig enthemmt und oft auch undifferenziert Uefa-Bashing betrieben, anderseits unternahm die Uefa herzlich wenig, um ihren Ruf zu pflegen. Im Gegenteil, wenn ich heute an die Uefa denke, kommt mir das kleine Gedicht (dessen Autor ich längst vergessen habe) in den Sinn:
Immer auf der Suche
Nach Fettnäpfchen
Und Porzellanläden
Stets fündig
Eigenartigerweise hat diese Diskussion in Österreich praktisch nicht stattgefunden. Sind wir in der Schweiz generell kritischer, oder haben wir ein ausgesprochen gutes Sensorium für unethisches Verhalten? Oder ergreifen wir ganz einfach die Gelegenheit, uns wieder einmal so richtig zu empören? Wie jener Magistrat, der sich empört hat, dass die Uefa den CO2-Ausstoss nicht kompensiert, obwohl davon weder in der Botschaft des Bundesrates noch im gemeinsam mit Österreich entwickelten Nachhaltigkeitskonzept, welches übrigens eben dieser Magistrat der Öffentlichkeit vorgestellt hat, je die Rede war. Oder die Empörung über die sogenannte Zensur der Uefa, obwohl es einen breiten Konsens darüber gibt, dass man mit Bildern über pyrotechnische Aktionen in Stadien extrem zurückhaltend umgehen sollte, um nicht Nachahmungen zu provozieren.
Persönlich hatte ich mit der Uefa kaum Kontakt. Unser direkter Partner war die Euro 08 SA, eine Tochtergesellschaft der Uefa, mit ihrem Chef Martin Kallen und dem Turnierdirektor für die Schweiz, Christian Mutschler. Wir haben mit dieser Organisation und ihren Repräsentanten zu jeder Zeit exzellent zusammengearbeitet. Mich hat das Organisationsmodell beeindruckt: eine permanente Projektorganisation für grosse Events (neben den Europameisterschaften auch die Champions League), ausgelagert in eine eigenständige Firma. Die Euro 08 SA wurde damit zu einer lernenden Projektorganisation mit sehr hoher Professionalität. Letztlich ist jede Person und jede Institution für ihr Image selbst verantwortlich. Wer sich um die Öffentlichkeitswirkung seines Tuns nicht kümmert, muss sich nicht wundern, wenn er ins Fadenkreuz gerät. Aber vielleicht gilt auch hier: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs gänzlich ungeniert.
--> Dies ist die erste Kolumne von Benedikt Weibel, ehemaliger SBB-Chef und Euro-08-Delegierter des Bundes, für "persönlich"-blau, die führende Marketing-Zeitschrift der Schweiz. Weibel wird sich in seiner monatlichen Kolumne vor allem mit Marketingphänomenen auseinandersetzen. Dies ist ein Steckenpferd des 61-jährigen Solothurners: seit kurzem ist er zusätzlich Titularprofessor für "Praktische Betriebswirtschaft" an der Universität Bern.