01.10.2002

"Ich bin nicht 'halb-halb'"

FIFA-Präsident Joseph S. Blatter ist einer der wichtigsten Sportmanager der Welt. Im Vorfeld zur Wiederwahl als FIFA-Präsident beschuldigte ihn die Weltpresse der Korruption und anderer illegaler Machenschaften. Am Ende wurde der gebürtige Walliser überzeugend wiedergewählt. Am diesjährigen Jahrestreffen der Schweizer Presse in St. Moritz hielt der 66-Jährige ein Referat zum Thema "Zwischen Sturm und Verteidigung - ich und die Medien". Im Interview mit "persönlich rot", das diese Woche erscheint, geht Blatter vertieft ein auf sein Verhältnis zu den Medien. "persoenlich.com" bringt einen Ausschnitt:
"Ich bin nicht 'halb-halb'"

Sie haben für die Verlegertagung zwei Reden vorbereitet. Am Ende haben Sie die harmlosere der beiden gehalten, warum eigentlich?

Ich messe vor einem Vortrag immer die Temperatur der Zuhörerschaft und frage mich, was kann ich dieser zumuten. Das mache ich seit Jahren so. Gestern Abend habe ich mich bei den Verlegern und Journalisten umgehört und deren Erwartungen respektive Nichterwartungen an mein Referat getestet. Heute Morgen hat mein Zimmernachbar, der ehemalige ZDF-Intendant Professor Dieter Stolte, gemeint: "Bleiben Sie, wie Sie sind. Sie können etwas ironisch sein, aber nicht allzu hart." So habe ich die sanftere der beiden Versionen gewählt.

Warum lassen sich die Medien Ihrer Meinung nach instrumentalisieren?

Ich bin eine Person, die niemanden kalt lässt. Entweder mag man mich oder man mag mich nicht. Ich bin nicht "halb-halb". Am Ende steht immer die Aussage: Er macht eine gute Arbeit, oder er macht gar nichts. Das ist immer eine Gratwanderung, bei der die veröffentlichte Meinung schnell auf eine Seite kippt.

Wurden Sie während der ganzen Medienkampagne, in welcher Sie der Korruption beschuldigt wurden, von niemandem beraten?

Ich hatte doch keine Chance; ich konnte an den Pressekonferenzen sagen, was ich wollte, aber niemand nahm es zur Kenntnis. Frei nach dem Motto: Die Botschaft hör ich wohl, aber sie interessiert mich nicht. Es herrschte eine vorgefasste Meinung, man wollte mich abschiessen. Das war es.

Sie betonen immer wieder Ihr Engagement für den Fussball. Am Ende reduzierte sich Ihre Tätigkeit in den Medien aber nur auf einen kleinen Fall: Sie gaben einem afrikanischen Schiedsrichter Geld, was schlussendlich als Korruption aufgefasst wurde.

Wer das so sieht, ist juristisch nicht durch. Warum soll das Korruption sein, wenn ich jemandem eigenes Geld gebe? Dieser Schiedsrichter kann mir gar nicht helfen. Helfen könnte mir höchstens der afrikanische Verband. Der Abdruck dieses Dokuments tat am Ende der FIFA weh.

Man hat den Eindruck, Sie sind immer noch stark verletzt wegen der Anschuldigungen.

Die Korruptionsvorwürfe sind hirnverbrannt. Nein, physisch und psychisch ging es mir gut, sonst hätte ich die ganze Angelegenheit nicht überstanden. Aber meine Seele hat unter der Medienkampagne gelitten. Wenn man 27 Jahre in einem Betrieb arbeitet, sich 27 Jahre für die Entwicklung des Fussballs einsetzt, und plötzlich wird einem vorgeworfen, man sei korrupt, tut es einem weh. Das schmerzt innerlich. Diese Vorwürfe sind so hirnverbrannt. Ein bekannter Professor schrieb in einem Gutachten, warum sollte ich ausgerechnet auf meine Mühle arbeiten, wenn ich Präsident bin? Warum soll ich dazu 27 Jahre warten?


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