25.01.2019

Xenia Tchoumitcheva

«Man darf einfach nie stoppen»

Die Tessinerin ist eine der erfolgreichsten Influencerinnen der Schweiz. Im Interview erklärt die ehemalige Vize-Miss-Schweiz, warum sie mit dem #ad hadert und wie ihr Erfolgsrezept für eine langfristige Karriere als Influencerin lautet.
Xenia Tchoumitcheva: «Man darf einfach nie stoppen»
«Influencer Marketing ist total cool, weil man unglaublich viele Leute erreichen und kennenlernen kann», sagt Social-Media-Star Xenia Tchoumi. (Bild: persoenlich.com)
von Anna Sterchi

Frau Tchoumitcheva, bisher haben Sie Bilder auf Social Media gepostet. Nun werden Sie im Museum verewigt (persoenlich.com berichtete). Was steckt dahinter?
Es ist eine Ehre und ich hättte das nie in meinem Leben erwartet. Es ist so unreal, dass diese Highheels noch in Jahren zu sehen sein werden. Das ist ausserordentlich. Das Museum will die Ära der sozialen Netzwerke und des Influencer Marketings dokumentieren und zeigen, dass sich die Kommunikation total verändert hat. Ich finde es sehr wichtig und auch schön, dass das MfK die Trennung zwischen den klassischen und den sozialen Medien zum Thema macht.

Welche Geschichte steckt hinter diesen Highheels?
Ich habe diese Absatzschuhe an einem schönen Charity-Event namens Convivio in Mailand getragen. Wichtige Fashion-Labels kommen dort einmal jährlich zusammen und verkaufen dort ihre Sachen – rein zu Charityzwecken. Ich war dort mit der Besitzerin und Designerin der Schuhe, Benedetta Boroli. Das Label ist aber nicht relevant. Wichtig ist, dass wir mit diesen Schuhen erklären, wie Influencer Marketing – insbesondere die sozialen Netzwerke und die Zusammenarbeit mit den Marken – funktioniert.

«In den Posts sieht zwar alles sehr schön aus, aber viel Freizeit hast du nicht»

Nicht immer kennzeichnen Influencer bezahlte Posts. Auch Sie haben kürzlich auf den Zusatz #ad verzichtet, obwohl Sie Werbung für Produkte machten. Warum?
#ad bedeutet nicht unbedingt, dass ich bezahlt werde, sondern dass ich eine Sache oder einen Ort empfehle. Einige Länder bestehen auf die Kennzeichnung. Beispielsweise in Deutschland muss man unbedingt #ad schreiben, auch wenn man ein Produkt selber gekauft hat, sonst gibt es eine Busse. In der Schweiz wird es nur empfohlen. Es gibt viele verschiedene Regeln, die man kennen muss, und die sind gar nicht so einfach. Ich schreibe #ad, um transparent zu sein. Es gibt aber Follower, die diesen Hashtag sehen und denken, alles sei fake. Darum ist das eine schwierige Frage für uns Influencer.

Es gibt Influencer, die sagen, ihr Beruf sei ein «Knochenjob». Inwieweit pflichten Sie dem bei?
Wenn man hauptberuflich Influencer ist, dann bedeutet das viel Arbeit und man ist das ganze Jahr auf Reisen. In den Posts sieht zwar alles sehr schön aus, aber viel Freizeit hat man nicht, um diese Orte zu geniessen. Vielmehr geht es um die Kreation von Content. Hinter dem Endresultat, das die Öffentlichkeit zu sehen bekommt, steckt viel Arbeit. Auch die Verträge kommen nicht von alleine, sondern sie erfordern einen grossen Effort.

Setzen Sie alle Posts persönlich ab oder haben Sie einen Stab von Mitarbeitenden?
Ich habe Leute, die mit mir arbeiten und reisen. Das sind beispielweise Fotografen und Agenten. Es hängt aber vom Auftrag und vom Land ab, denn in jedem Land kümmern sich andere Leute um eine Kampagne. Oft sind auch andere Influencer involviert.

«Alle Insta-Stories und Videos sind 100 Prozent spontan»

Wie sieht es beim Texten aus? Schreiben Sie Ihre Posts selber?
Alles, was Kreativität beinhaltet, stammt von mir. Die Worte sind nicht einfach platziert wie im Marketing, sondern ich habe eine Beziehung zu meiner Community. Das ist wichtiger als die Vermarktung. Der Marketingaspekt kommt nachher, nicht vorher.

Wie vermarkten Sie die Orte und Produkte?
Ich würde sagen, 70 Prozent des Marketingerfolgs hat mit der Stimme zu tun, die man online hat. Diese Stimme erhält man, wenn man ehrlich ist, sich selber bleibt und eine besondere Kommunikation mit den Leuten hat, die einem tagtäglich folgen. Wenn ich etwas schreibe, eine Instagram-Story mache oder per Direct Message einem Follower antworte, trägt das alles zu dieser Beziehung bei. Es ist wie eine virtuelle Freundschaft. Das ist viel wichtiger, als welche Marke ich tagge. Das kommt erst an zweiter Stelle. Die Leute wollen schon sehen und wissen, welche Labels ich unterstütze. Aber: Influencer, die wirklich erfolgreich sind – und es gibt mittlerweile viele davon –, sind jene Leute, die wirklich eine enge Beziehung zu ihrer Community pflegen.

Wie lange benötigen Sie im Schnitt für einen Post?
Das kommt drauf an. Ein Post kann superschnell und spontan sein, oder er kann wirklich durchdacht sein. Wenn ich beispielsweise unbedingt eine Location besuchen oder etwas tragen will, dann kann ich lange an einer Idee herumstudieren. Manchmal sehe ich auch etwas auf der Strasse, das mich inspiriert. Ja, es braucht Zeit, es braucht das richtige Licht, den richtigen Ort. Unbedingt. Zudem hängt der Zeitaufwand auch von der Marke ab, mit der man zusammenarbeitet. Hingegen: Alle Insta-Stories und Videos sind 100 Prozent spontan.

«Ich war keine Influencerin der ersten Stunde»

Die breite Öffentlichkeit kennt Sie seit Ihrer Wahl zur Vize-Miss-Schweiz im Jahr 2006. Wie haben Sie den Sprung von der Ex-Schönheitskönigin zur erfolgreichen Influencerin Xenia Tchoumi geschafft?
Schon immer wollte ich international arbeiten. Ursprünglich habe ich Wirtschaft studiert und bin dann nach London gegangen. Dort habe ich kurz bei einer Bank gearbeitet, das war aber nichts für mich. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon etliche Erfahrungen gemacht: Öffentlichkeitsarbeit, Moderationen, hatte für Zeitungen geschrieben und ein Wirtschaftsstudium in der Tasche. Es waren wirklich unterschiedliche Sachen und ich habe mich gefragt: Wie kann ich all diese Erfahrungen in einer Karriere zusammenführen? Ich hatte keine Ahnung. Dank dem Internet und den Pionieren im Bereich Influencer Marketing, die mich inspirierten, habe ich meinen Weg gefunden. Ich habe es einfach probiert und es hat funktioniert. Influencer Marketing ist total cool, weil man unglaublich viele Leute erreichen und kennenlernen kann. Zudem funktioniert es in verschiedensten Ländern. Das macht es so interessant.

Wenn Sie heute – 13 Jahre später – als Influencerin noch einmal bei null starten müssten, wäre Ihr Aufstieg immer noch so steil?
Ich war keine Influencerin der ersten Stunde. Die Idee hatte ich erst vor vier Jahren. Ich habe also spät gestartet mit meiner Influencer-Karriere. Zu Beginn war ich skeptisch, denn es gab bereits viele Leute, die sehr bekannt waren und Millionen von Follower hatten, während ich noch bei null war. Am Anfang war es für mich nur ein Hobby. Je mehr ich mich dann angestrengt habe, desto besser lief es. Ich habe gemerkt, dass die Leute diesen Effort wahrnehmen. Meine Bemühungen und meine Konstanz haben sich wirklich gelohnt. Man darf einfach nie stoppen.

Sie haben 1,4 Millionen Follower auf Instagram, auf Facebook sind es 5,9 Millionen. Verraten Sie mir Ihr Erfolgsrezept?
Das Wichtigste ist, ehrlich zu sich selber zu bleiben und sich nicht zu verstellen. Und die zweite Sache ist, nie innezuhalten. Es ist die Natur dieses Berufs, dass die Leute immer etwas von dir sehen und mit dir «in touch» bleiben wollen. Ich kann keine Auszeit von ein paar Wochen nehmen. Ich hatte schon Anfragen für TV-Sendungen, die boten mir ein tolles einmonatiges Engagement an. Doch ich kann und will nicht einen Monat weg von meinem Beruf, um etwas anderes zu machen. So habe ich abgelehnt. Für mich ist das, was ich mache, viel schöner.

«Vielleicht gibt es eines Tages eine neue Form von Journalismus»

Was macht den Reiz Ihrer Arbeit aus?
Ich liebe das Internet, weil es «empowering» (befähigend, Anm. d. Red.) ist. Das Internet ist demokratisch, denn alle können das machen – man braucht einzig Willenskraft, ein wenig Zeit, ein Handy und eine Internetverbindung. Das ist fantastisch. Alle können eine Nische finden – sei es Kochen, Reisen, Job, Kunst – je nach dem, welche Leidenschaft man hat. Im Internet gibt es meiner Meinung nach Raum für alle. Und das liebe ich.

Sie haben von 2011 bis 2014 für die Fachzeitschrift «Schweizer Monat» geschrieben. Ziehen Sie in Zukunft einen Wechsel in den Journalismus in Betracht?
Sie haben sich aber gut informiert! (lacht.) Wer weiss. Ich schreibe unheimlich gerne. Aber es ist sehr schwierig geworden in der heutigen Welt. Ich glaube, wir befinden uns aufgrund der neuen Kanäle in einer Art Revolution. Man weiss noch nicht, wohin das führt. Und wer weiss, vielleicht gibt es eines Tages eine neue Form von Journalismus. Journalistisches Schreiben hat viel mehr Substanz, ist länger und tiefgründiger als beispielsweise ein Tweet. Übrigens trete ich auch gerne an Podien auf. So spreche ich ziemlich oft über Empowerment und Feminismus. Diese Themen liegen mir sehr am Herzen. Darum will ich mich auch in diese Richtung weiterentwickeln.

Ist eine Karriere als Influencerin vergänglich?
Nein, wenn man bereit ist, dranzubleiben und Schritt zu halten, ist eine langfristige Influencer-Karriere möglich. Die Welt der sozialen Medien ist dynamisch und unsere Branche verändert sich schnell. So ist es wichtig, dass ich mich stets weiterentwickle – als Person, aber auch beruflich –, mich weiterbilde und viel lese. Und nicht zuletzt beobachte ich die Welt ganz genau, um zu sehen, wo die Entwicklung hinführt.

 



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