Herr Oehler, bei Ihrem neuen Firmensitz in Arbon kann man anhand der Leuchtfarbe Ihre momentane Befindlichkeit ablesen. Heute morgen war das Gebäude rot beleuchtet...
Wenn ich morgens um 6 Uhr in mein Büro komme, stelle ich jeweils die entsprechende Farbe ein. Dies soll Transparenz vermitteln. Ich bin ein technikorientierter Mensch und das Unternehmen ist so konzipiert, dass es unterschiedlich beleuchtet werden kann. Einmal dominiert die Farbe Rot, dann wieder Orange, und wenn ich gut gelaunt bin, wähle ich die Farbe der Hoffnung, also Grün. Heute morgen war die Farbe rot, allerdings dachte ich aber nicht an das aktuelle Halbjahresergebnis der Arbonia-Forster-Gruppe...
...was eigentlich begreiflich wäre. Ihr Unternehmen hat die Erwartungen mit diesem eher enttäuschenden Ergebnis verfehlt. An der Schweizer Börse brachen die Aktien ein. Bereitet Ihnen diese Tatsache schlaflose Nächte?
Glücklicherweise hatte ich keine schlaflosen Nächte, weil ich mit diesem für mich ungenügenden Ergebnis und einem Kurseinbruch gerechnet hatte. Doch es macht keinen Sinn, sich damit weiter zu beschäftigen; im Gegenteil: Ich konzentriere mich bereits wieder auf die nächs-ten Projekte. Es kann nicht immer gut laufen. Natürlich denken die Analysten diesbezüglich anders, da sie lediglich ihre Bleistifte bewegen und die Unternehmen kritisieren müssen, wenn sie ihre Erwartungen nicht erfüllen. Aber es ist nun einmal einfacher, am Schreibtisch Zahlen zusammenzuzählen als auf die schwierigen Verhältnisse in der Wirtschaft zu reagieren.
Rechnen Sie in naher Zukunft mit einer Rezession?
Natürlich weht momentan ein harter Wind, weil der Wirtschaft Hunderte von Milliarden Franken fehlen. Diese sind von den sogenannten Überbankern verpufft worden. Im nächs-ten Frühjahr werden alle Mieter mit den Folgen der Ölspekulation konfrontiert werden. Wir sind das Opfer jener Spekulanten, welche anstatt zu arbeiten ausschliesslich Mega- und Gigabytes in der Welt herumschicken und mit ihrer Gier unsere Wirtschaft an den Abgrund drängen. Momentan erleben wir den übelsten Casinokapitalismus, den man sich denken kann. Wir zahlen nun die Rechnung für diese Herren, welche mit dem Geld verschwunden sind.
Der Ausdruck Casinokapitalismus stammt von Ihrem ehemaligen Nationalratskollegen, dem Genfer Sozialisten Jean Ziegler. Hat sich Ihre politische Weltanschauung aufgrund dieser reellen Krise verändert?
Überhaupt nicht. Ich stehe nach wie vor hinter unserem System. Aber das, was diese Herren Banker im Überhimmel verursacht haben, ist mentale Korruption. Sie haben in der Vergangenheit Hunderte von Millionen verdient, ohne eine reelle und reale Leistung zu erbringen.
Wie wirken sich die Probleme der Banken langfristig auf die Schweizer Volkswirtschaft aus?
Ein herber Imageverlust im Ausland ist die erste Folge. Die Einzelkonsumenten, die Kleingewerbler sowie Privatpersonen werden nicht mehr so leicht einen Kredit bekommen. Zudem werden die Zinsen mittelfristig steigen, aber nicht nur aufgrund der Finanzkrise, sondern weil die gesamte Spekulation die Preise in die Höhe schiessen lässt. Also müssen wir mehr Geld ausgeben, und das kann man nur dämpfen, indem man die Zinsen erhöht. Wenn die Angestellten mehr Lohn verlangen, werden die Produkte teurer, was bedeutet, dass der Konsument wiederum tiefer in die Tasche greifen muss. Diese Spirale dreht sich immer weiter nach oben.
Steht die Schweiz vor einer düsteren Zukunft?
Ich denke nicht, weil wir zuvor schon andere Krisen überstanden haben. Allerdings war das Ausmass damals deutlich kleiner. Dass die UBS 44 Milliarden Franken abschreiben muss, stimmt mich mehr als nur nachdenklich. Wenn man im Ausland Aktionäre sucht, damit das Eigenkapital stimmt, ist das verheerend. Ich glaube aber, ja ich bin nach wie vor überzeugt, dass die UBS überlebt. Trotz Imageverlust sind wir auf die UBS und die CS angewiesen. Bauen wir Unternehmer etwas auf, so benötigen wir immer ein solides Fundament. Und dieses wird von den Banken gestützt.
Sie sind weltweit als Unternehmer tätig. Hat der Industriestandort Schweiz an Image eingebüsst?
Ich denke, wir bewegen uns nach wie vor auf der Sonnenseite. Viele Schweizer glauben, dass das gesamte Ausland von unserer Bankenkrise weiss. Doch dies ist nicht der Fall. Als ich mich in den letzten Wochen in Shanghai, Hongkong, Japan und Amerika aufgehalten habe, spürte ich immer noch eine grosse Bewunderung für unser Land. Der Niedergang der Swissair hat die Leute viel stärker getroffen, weil viele mit dieser Fluglinie unterwegs waren. Bei den Banken ist dies womöglich ein wenig anders. Das verbrannte Geld fehlt in der Wirtschaft, auch wenn es sich dabei nur um Papiergeld handelt. Ich hoffe jedenfalls, dass diese Krise nicht mehr allzu lange andauert.
Nach Ihrem Prinzip sind Sie auch in Bereichen tätig, von denen Sie nichts verstehen, beispielsweise dem Fussball. Mit der neuen AFG-Arena in St. Gallen, welche Sie über das Naming Right mitfinanziert haben, haben Sie einen ersten Schritt Richtung Unsterblichkeit getan?...
Das würde ich nicht sagen. Ich fühle mich der Region St. Gallen und der Ostschweiz verpflichtet, bin aber trotzdem weltweit tätig. In der Vergangenheit habe ich übrigens bereits eine Kunsteisbahn und Tennishallen gebaut. Die AFG-Arena ist also die Fortsetzung meiner Tätigkeiten. Wer eine Firma führt, muss neben einem guten Arbeitsplatz, einem anständigen Lohn auch etwas Zusätzliches bieten. Das ist gesellschaftspolitische Verantwortung. Da ich schon immer ein FC-St.-Gallen-Fan war und früher beim FC Nationalrat gekickt habe, lag mein Engagement auf der Hand.
Wie gross ist Ihr Einfluss beim FC St. Gallen?
Gering. Viele Geldgeber machen immer den gleichen Fehler: Sie wollen überall mitreden, was aber selten gut ankommt. Ich schaue mir die Spiele an und spreche ab und zu mit dem Trainer Uli Forte und den anderen Verantwortlichen.
Haben Sie den Trainer selbst bestimmt?
Nein, ich bin lediglich Grossaktionär beim FC St. Gallen und stelle Geld zur Verfügung. Dabei verwende ich dieselben Prinzipien wie bei uns in der Firma: Wenn der FC St. Gallen ein Goal erzielt, verwandelt sich die Loge in ein leuch-tendes Grün, wenn sich die Spieler wacker schlagen, bleibt die Loge grün. Dieses Prinzip Licht, Glas, Wasser, Transparenz wende ich auch im Küchenbereich an. Als Unternehmer muss man wie in der Politik die Leute immer abholen. Deswegen muss man die Menschen immer auf Augenhöhe ansprechen. Man überzeugt nicht mit intelligenten Ausdrücken, sondern nur mit einer direkten und offenen Art. Dies gilt gegenüber Politikern, Unternehmern oder Trainern.
(Interview: Matthias Ackeret / Bild: Katrin Walther)