Die Adresse auf dem Couvert ist von Hand geschrieben, und es klebt eine Briefmarke auf dem Umschlag. Der Inhalt: Ein handschriftlich verfasstes Schreiben, das mit den Worten «Sie fehlen uns» beginnt. Eine Mitarbeiterin des Socken-Abo-Shops Blacksocks schreibt im Brief, seit wann man bereits Kunde ist und wie lange die letzte Bestellung zurückliegt – zu lange eben. Ein Gutschein soll dazu animieren, wieder eine Bestellung zu tätigen.
10'000 solcher Briefe wurden im Mai verschickt – in die Schweiz, nach Deutschland und Österreich. Die Aktion ist noch nicht abgeschlossen und entsprechend auch noch nicht voll ausgewertet. Aber: «So wie es aussieht, haben sicher 10 Prozent der angeschriebenen Kunden erneut bestellt», sagt Gründer Samy Liechti auf Anfrage von persoenlich.com – «ein Riesenerfolg».
Angeschrieben wurden Kunden, die mehrmals bestellt und so einen gewissen Umsatz erreicht haben, jedoch seit anderthalb Jahren keine Bestellung mehr platzierten. «Wir hatten unzählige Rückmeldungen auf das Mailing – sei es in Form von handgeschriebenen Briefen, Kommentaren auf Social Media oder auch per E-Mail. Das Feedback war äusserst positiv», so Liechti. Nur ein einzelner Kunde habe sich über das «Stalking» beschwert.
Die Handschrift macht den Unterschied
Geschrieben wurden die Briefe mit Füllfeder, wie Liechti auf Anfrage verrät. «Aber nicht von uns, sondern von einem Roboter.» Und das täuschend echt. Das Berliner Start-up Wunderpen hat die 10'000 Briefe aufgrund der Kundendaten personalisiert verfasst. Gezeichnet wurden sie im Namen von einem der sechs Blacksocks-Mitarbeiter. Die Handschrift ist eine der Standard-Handschriften, die Wunderpen im Angebot hat.
Als «Direct Mailing für Fortgeschrittene» bezeichnet Liechti diese Aktion: «Soweit ich weiss, sind wir die einzigen in der Schweiz, die mit richtiger Tinte solche Briefe verschickt haben.» Es möge aufwändig sein, aber: «Wahrer Luxus ist heute, wenn sich jemand um einen kümmert». Und so kommt es, dass jedem Kunden, der geantwortet hat, auch wieder zurückgeschrieben wird. «Grundsätzlich halten wir uns dabei an die Regel, dass wir denselben Kanal wählen, den der Kunde gewählt hat», sagt der Sockenchef.
Überhaupt investiert Blacksocks viel Zeit in die Betreuung der Kunden. Obwohl mit Socken und Herrenunterwäsche kein extrem emotionales Produkt vertrieben werde, soll trotzdem eine emotionale Kundenbindung aufgebaut werden. «Regelmässig schreiben wir selber handgeschriebene Karten und Briefe, um uns für grosse Warenkörbe zu bedanken und einen Kunden nach langer Absenz wieder bei uns zu begrüssen», so Liechti. Täglich seien dies rund zehn solcher Briefe oder Karten inklusive kleinem Geschenk – oder: drei Stunden Arbeit.
Nicht in Kampagnen denken
«Seit 18 Jahren sind wir nun online und haben viel Erfahrung, wie man in einer immer digitaleren Welt mit Kunden umgeht», sagt der Blacksocks-Gründer. Einfach ein Newsletter mehr sei aber nicht die Lösung. «Vielmehr geht es darum, datengestützt von den Kunden zu lernen und immer wieder von Neuem relevant zu sein.» Dies bedeute eben auch, neue Wege zu gehen und «nicht mehr in Kampagnen zu denken, sondern in einem Marketing-Prozess». Sei der Prozess gut gemacht, bleibe der Kunde.
Teil des Prozesses ist aber auch das richtige Timing. Der Versand der von Roboterhand geschriebenen Briefe erfolgte exakt zu jener Zeit, in der sich Männer mit dem Garderobenwechsel befassen. Das Timing sei enorm wichtig, so Liechti: «Sind wir zu früh, so nerven wir, sind wir zu spät, gehen wir das Risiko ein, dass der Kunde fremdgegangen ist.»
Samy Liechti, Gründer und Geschäftsführer Blacksocks. (Bild: zVg.)
Diese Woche werden 400 weitere Briefe in die USA, dem zweitwichtigsten Markt für Blacksocks, verschickt. Mit einem Unterschied: Diesmal sind sie nicht von Roboterhand geschrieben. «Statt für die 400 Briefe nochmals den Roboter neu einzurichten, kann sich nun die Tochter einer Mitarbeiterin ein schönes Feriengeld dazuverdienen», sagt Liechti mit einem Lachen.
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14.07.2017 15:59 Uhr