19.03.2021

360 Grad Entertainment

Zwischen Verzweiflung und Zuversicht

Die Entertainmentbranche steht in den Startlöchern, ist aber auf klare Leitlinien der Politik angewiesen.
360 Grad Entertainment: Zwischen Verzweiflung und Zuversicht
2021 sollte eigentlich der Sommer des Wiedersehens werden (v.l.): Moderator Reto Caviezel, Christoph Bill und Mattea Meyer. (Bild: zVg.)

Nach einem Jahr Pandemie hat die Schweizer Entertainmentbranche mit dem Online-Kongress «360 Grad Entertainment» eine Plattform zum Austausch gefunden. Künstler wie Marco Rima, Verbandsvertreter wie Christoph Bill, Politikerin Mattea Meyer und Vertreter von Venues wie Maag Music & Arts trafen sich in diesen Tagen «zum dringend notwendigen Branchenaustausch», wie es in einer Mitteilung heisst. Ihnen gemeinsam sei «die Zukunftsangst und das Unverständnis, welches politische Entscheider für ihre Belange haben». Jetzt hofft man auf den Schutzschirm, der sich laut Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP Schweiz, bald schützend über die Branche legen soll.

Veranstalter pochen auf Schutzschirm

Solange es Differenzen gebe, gehe es hin und her zwischen dem Ständerat und dem Nationalrat. «Es ist schwer, aber wir geben alles», so Meyer. Die Nationalrätin meinte ebenso, es werde bald eine Lösung geben, die der Veranstaltungsbranche Planungssicherheit gibt. «Bis Ende Frühling soll das stehen», so Mattea Meyer. Wann erste Grossveranstaltungen mit über 10'000 Personen wieder umgesetzt werden können, beantwortet Nationalrätin Meyer mit: «Ich gehe davon aus, dass wir 2022 erste Grossveranstaltungen wieder umsetzen können.» Auf die Frage, ob die Branche laut genug war, antwortete Bill: «Wir haben versucht, etwas miteinander zu erreichen. Was nicht gelungen ist, ist ein Dialog zwischen den Veranstaltern und den Behörden herzustellen. Wir sollten jene sein, die wissen, was kommt, um sich jetzt darauf vorbereiten zu können.»

Mittelfristig soll jedoch das Verlangen nach Events, seitens der Kunden, endlich die Wende bringen. Der Zukunftsforscher Dietmar Dahmen zeigte auf, dass es mit der Pest und anderen Pandemien langjährige Menschheitserfahrung gibt. «Das Vergnügen und die Lebenslust werden zurückkehren», so Dahmen.

Re-Start statt Dornröschenschlaf

Venue-Betreiber sehnen sich die baldige Öffnung. «Derzeit wünschen wir uns nichts mehr als eine Rückkehr zur Normalität», sagte Felix Frei, der Präsident des Vereins Schweizer Stadion- und Arenabetreiber, VSSA. Allerdings werde sich die Normalität für Venues nach Corona verändert haben. Ebenso wie der Entertainment-Markt. Denn es werde zu einer Bereinigung des Marktes kommen. Darin waren sich auch Roger Büchel, der CEO des Kongresshauses Zürich, und Bruno Vollmer, COO der ZSC Lions, einig. Auch darüber, dass hybride Events an Bedeutung gewinnen werden, herrscht Einigkeit unter den Experten. «Trotzdem wird das Live-Erlebnis nie aussterben.» Laut Frei wäre aktuell ein Öffnungskonzept mit angepassten Schutzkonzepten erforderlich.

Bisher waren die Partner der Eventveranstalter mit diesen häufig solidarisch. Doch je länger die Corona-Pandemie anhält, desto mehr leiden auch die Branchen der Sponsoren. Leidet damit auch deren Solidarität? Jörg Schönberg, der Leiter Vertrieb und Gründer von Doppelleu Boxer, verneint das. Ihm ist an langfristigen Partnerschaften gelegen. Er möchte gemeinsam mit seinen Partnern gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Eine Budgetreduktion plant Jörg Schönberg deshalb aktuell nicht. Ebenso wenig wie die beiden weiteren Gesprächsteilnehmer Oliver Niedermann, Head of Marketing der Raiffeisen Schweiz, und Martin Koch, Leiter Sponsoring und Events beim Migros-Genossenschafts-Bund. Vielmehr sind alle drei dabei, nach neuen Eventformaten Ausschau zu halten. So stellt für Koch und Schönberg ein Ghost-Festival, ohne Zuschauer, eine interessante neue Möglichkeit dar.

Hybridevents könnten laut Niedermann auch ganz neue Zielgruppen erschliessen. Dennoch werden sie, laut Koch, das Live-Entertainment nicht verdrängen. Denn Live-Emotionen können nicht ersetzt werden. Schönberg glaubt sogar, dass die Wertschätzung für Events und Gastronomie in Zukunft steigen wird, weil die Menschen durch Corona gemerkt haben, was sie daran haben. Laut Niedermann könnte die Nachfrage sogar über den Stand vor Corona steigen.

Alle drei Experten sind der Meinung, dass die Eventbranche sich mit einer neuen Realität arrangieren muss. Diese besteht aus Schutzkonzepten und alternativen Eventformaten. Sie sind davon überzeugt, dass es demjenigen, der flexibel auf diese Veränderungen reagiert, gelingen wird, den Übergang zur neuen Normalität zu meistern.

Exakte Prognosen gibt es nicht

«Die Veranstaltungsbranche muss endlich aus dem künstlichen Koma aufwachen. Es ist komplett falsch, was in Sachen Öffnung mit unserer Branche gemacht wird», sagte Thomas Kastl, Direktor der St. Jakobshalle Basel. Derzeit würde die Branche von der Politik jedoch eher ausgebremst. Ein Schutzschirm wäre ein gutes Instrument, um wieder mehr Planungssicherheit zu bekommen. Doch dazu bräuchte es jedoch den politischen Willen. Jetzt hofft die Branche auf klare Antworten seitens der Politik und einen Schutzschirm, der sich bald über die Veranstaltungsbranche legen wird. Ob das für alle Veranstalter reichen wird, steht auf einem anderen Blatt. (pd/cbe)

 



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