18.12.2001

Presserat

Auch Glossen müssen die Menschenwürde respektieren

Beschwerde gegen Basler Zeitung teilweise gutgeheissen.

Die Berichterstattung über unspektakuläre Gerichtsfälle, die Einblick in Konflikte des Alltagsleben geben, ist von öffentlichem Interesse. Dies gilt auch, wenn davon Behinderte betroffen sind, deren Anonymität gewahrt bleibt. Selbst bei vollständig anonymisierter Berichterstattung sind Medienschaffende aber berufsethisch verpflichtet, im Einzelfall zwischen dem Interesse an einer Berichterstattung und der Achtung der Menschenwürde der Betroffenen abzuwägen. Zu diesen Schlüssen ist der Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme gelangt.

Im Mai 2001 veröffentlichte die Basler Zeitung eine Glosse über einen Gerichtsfall, der Folge einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen einem Hundehalter und eines an einer Hirnverletzung leidenden und an Alzheimer erkrankten Mannes war. Dessen Tochter gelangte daraufhin an den Presserat und machte geltend, das Verhalten ihres Vaters sei im Artikel ins Lächerliche gezogen worden. Zudem sei sie durch ein unkorrektes Zitat in ihrer Ehre verletzt worden, da sie und ihr Vater für ihren Bekanntenkreis im Artikel erkennbar gewesen seien. Die Basler Zeitung wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Zwar sei nachfühlbar, dass die Berichterstattung für den Umgang der Beschwerdeführerin mit ihrem Vater belastend sei. Die Berichterstattung über solch alltägliche Prozesse sei jedoch von öffentlichem Interesse. Zudem sei die Privatsphäre der Betroffenen durch den anonymisierten Bericht gewahrt geblieben. Der Vorwurf des falschen Zitats sei ungerechtfertigt, weil es die Autorin aus Rücksicht auf die Gefühle der Betroffenen mit Absicht vermieden habe, die Diagnose "Alzheimer" zu benennen.



Kommentar wird gesendet...

Kommentare

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Zum Seitenanfang20240419