25.05.2023

Leistungsschutzrecht

Befürworter und Gegner gehen in Stellung

Während der Verlegerverband und eine breite Allianz aus Medien und Politik im Vorschlag des Bundesrats ein Instrument für die Existenzsicherung sieht, warnen Onlinemedien und Digital-Lobby vor einer Sackgasse.
Leistungsschutzrecht: Befürworter und Gegner gehen in Stellung
«Ohne Leistungsschutzrecht gibt es keine unabhängigen privaten Medien mehr»: Pietro Supino, Präsident TX Group und ehemaliger Verlegerpräsident. (Bild: Keystone/Urs Flüeler)
von Nick Lüthi

Am Mittwoch hat der Bundesrat seinen Vorschlag für die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage vorgelegt. Damit soll sichergestellt werden, dass Suchmaschinen und andere Internetdienstleister für die Verwendung von Snippets, also kurzen Auszügen aus Artikeln, eine Lizenzgebühr an die betroffenen Presseverlage zahlen müssen (persoenlich.com berichtete). Bis Mitte September sind betroffene und interessierte Kreise im Rahmen einer Vernehmlassung eingeladen, sich zum Gesetzesvorschlag zu äussern. Ihre Stellungnahmen können gegebenenfalls in den Gesetzesentwurf einfliessen.

Der Vorentwurf für die Änderung des Urheberrechtsgesetzes war lange erwartet worden. Eigentlich wollte ihn der Bundesrat bereits Ende 2022 vorlegen. Entsprechend standen Befürworter und Gegner der Vorlage schon lange in den Startlöchern und hatten ihre Kommunikation und Kampagnen seit einiger Zeit vorbereitet.

«Keine unabhängige Medien mehr»

Am heftigsten legt sich der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM) ins Zeug. Welche Bedeutung die Verleger einem Leistungsschutzrecht beimessen, zeigt eine Aussage des früheren Verbandspräsidenten Pietro Supino. Anfang 2022 sagte er: «Ohne Leistungsschutzrecht wird es in der Schweiz langfristig keine unabhängigen privaten Medien mehr geben können.» Darum erstaunt es auch nicht, dass der VSM schon jetzt ein Dispositiv in Stellung fährt, als gelte es die finale Schlacht zu schlagen.

Unter Federführung des Verlegerverbands unterstützt eine Allianz «Pro Leistungsschutzrecht» das Ansinnen des Bundesrats, den Medienverlagen unter die Arme zu greifen. Das Co-Präsidium bilden sieben National- und Ständeräte sowie eine Ständerätin aus allen grossen Parteien. Getragen wird die Allianz von allen grossen Medienverbänden und der SRG.

«Urheberrecht an digitale Realität anpassen»

Unter dem Slogan «Fairplay und Fairpay» weibelt das Komitee dafür, dass internationale Plattformkonzerne wie Google dafür zahlen sollen, wenn sie Inhalte von Schweizer Medien in ihren Diensten anzeigen. «Derzeit sind journalistische Inhalte rechtlich nicht ausreichend geschützt», lässt sich Stéphane Estival, Präsident des Westschweizer Verlegerverbands auf der Website von «Pro Leistungsschutzrecht» zitieren. Wegen diesem mangelnden Schutz sei es «notwendig, unser Urheberrecht an die Realität der digitalen Welt anzupassen».

Auch wenn es auf den ersten Blick nach einer grossen Einigkeit aussieht, stehen nicht alle Medien hinter der Forderung nach einer «Google-Steuer». So sieht der Verband Medien mit Zukunft VMZ, der vor allem regionale Onlinemedien vertritt, den Gesetzesvorschlag als «Sackgasse». Es bestehe die Gefahr, dass die grossen Verlage überproportional profitierten, während die kleinen Verlage benachteiligt würden, schreibt der VMZ zum Start der Vernehmlassung des Leistungsschutzrechts. Der Medienverband sieht zudem die Gefahr, dass die «notwendige Reformdebatte in Sachen Medienförderung und Plattformregulierung» in den Hintergrund gedrängt werde.

Swico, der Wirtschaftsverband der ICT- und Onlinebranche, stört sich ganz grundsätzlich daran, dass der Bundesrat nach der in der Abstimmung abgelehnten staatlichen Medienförderung das Geld nun bei privaten Unternehmen holen will.

«Keine Stärkung des Journalismus»

Die Digitale Gesellschaft wiederum stellt die intendierte Wirksamkeit des Leistungsschutzrechts in Frage. Der Verein, der sich für «unsere Freiheitsrechte in einer vernetzten Welt» einsetzt, sieht in Ländern, wo bereits ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage in Kraft steht, keine positiven Auswirkungen auf Medien und Demokratie. Vielmehr habe die Umsetzung im Ausland gezeigt, «dass der behauptete Effekt, die Stärkung des politischen und regionalen Journalismus, (…) in keiner Art und Weise eintritt».

Eine solche Stärkung hängt massgeblich davon ab, wie viel Geld Google & Co. dereinst tatsächlich den Verlagen zahlen. Doch darüber lasse sich heute noch nichts sagen, schreibt der Bundesrat: «Die Mehreinnahmen für Medienunternehmen und Medienschaffende lassen sich derzeit nicht abschätzen, da diese von den Verhandlungen zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Nutzerverbänden abhängen.»

Überhaupt ist noch viel unklar. Die nun anstehende Vernehmlassung wird die weitere Arbeit am Gesetzesvorschlag nicht einfacher machen, ist doch mit inhaltlich weit auseinanderklaffenden Stellungnahmen zum Vorentwurf des Bundesrats zu rechnen, wie die kontroversen Positionen schon heute zeigen.



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Kommentare

  • Thomas Läubli, 24.05.2023 21:54 Uhr
    Die Privatmedien sind heute schon nicht mehr unabhängig. Es fragt sich deshalb, warum wir parteiische Medien mit Rechtsdrall, die anstelle einer professionellen Kulturberichterstattung nur noch People News anbieten, subventionieren sollten. Aufgrund der mangelnden Qualität der heutigen Zeitungen wurde wohl auch das Mediengesetz abgelehnt.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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