14.06.2013

Doris Leuthard

Bundesrätin beklagt mangelnde "journalistische Correctness"

"Vermeintliche News werden nicht mehr verifiziert", so die Medienministerin.
Doris Leuthard: Bundesrätin beklagt mangelnde "journalistische Correctness"

"Die Monopolstellung einzelner Verlage oder die Verschmelzung von Online- und Printredaktionen und damit die Gefahr einer Einheitsberichterstattung könnte in unserer Schweiz zu einem direkt-demokratischen Qualitätsproblem führen", sagt Doris Leuthard in einem Interview mit "Edito+Klartext". Wie sie dem Medienmagazin gegenüber sagt, sucht die Bundesrätin deshalb das Gespräch mit Chefredaktoren und Verlegern und appelliert an deren staatspolitische Verantwortung.

Abklärungen sind komplex und brauchen Zeit
Leuthard zeigt sich im Interview grundsätzlich gewillt, Massnahmen gegen dieses Qualitätsproblem zu ergreifen. Nach einer entsprechenden Parlamentsdebatte vor zwei Jahren sind nun aber noch keine Schritte eingeleitet worden. "Wir haben uns damals einen Zeitraum von vier Jahren gesetzt, in dem wir die Entwicklung beobachten und einen Bericht ausarbeiten", begründet die Bundesrätin die bislang wenig sichtbaren Folgen. Die Tatsache, dass man das Thema Presseförderung ebenfalls miteinbeziehen müsse, mache die Abklärungen komplexer.

Kostendruck führt zu Qualitätsverlust 
Des Weiteren zeigt sich Leuthard besorgt über die publizistische Qualität. Mängel ortet sie jedoch nicht primär bei der Ausbildung der Journalisten, sondern vor allem bei den Rahmenbedingungen in den Redaktionen. "Es fehlt Zeit für Recherche. Wer als Journalist zehn Dossiers betreuen und oft die Themenbereiche wechseln muss, kann die historische Entwicklung in einzelnen Bereichen nicht immer präsent haben. Das ist problematisch". Der Staat und die Bürger hätten ein Interesse daran, dass mit der Information auch Entwicklungen vermittelt werden. Die Ursache für diesen Qualitätsverlust liege im zunehmenden Kostendruck.

Aussagen und vermeintliche News werden nicht mehr verifiziert
Gefragt nach ihren eigenen Erfahrungen mit ungenauer Berichterstattung durch die Journalisten, sagt die Medienministerin: "Die Journalisten hören etwas und schreiben darüber, ohne uns damit zu konfrontieren." Den Ämtern würden oft Aussagen und vermeintliche News nicht mehr zur Verifizierung zugestellt, zudem nähmen Personifizierung und die Zuspitzung zu. Leuthard hatte diese Entwicklung im Bundesrat diskutiert, dabei habe sie festgestellt, dass alle Bundesrats-Kollegen ähnliche Erfahrungen machten. Sie ist der Meinung, dass in der Demokratie eine Überprüfung der politischen Tätigkeit wichtig und richtig sei. Doch es gebe auch eine ethische Dimension: Die Journalisten liessen sich ihre vermeintlich guten Geschichten ungern durch Gegenargumente wegnehmen.

"Die Journalisten müssen einstehen für eine journalistische Correctness", so der Appell der Medienministerin. Doch schon im nächsten Satz relativiert sie ihre Aussage: "Im Vergleich etwa zu England klagen wir auf einem hohen Niveau." (Edito+Klartext/eh)

 



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