21.08.2013

Weltwoche

"Der Inbegriff des vernünftigen, unabhängigen Denkens"

Interview mit lnhaber und Chefredaktor Roger Köppel zum 80. Geburtstag.
Weltwoche: "Der Inbegriff des vernünftigen, unabhängigen Denkens"

1933 nach dem Vorbild französischer Wochenzeitungen gegründet, feiert die "Weltwoche" dieses Jahr den 80. Geburtstag. Das als staatskritisch und wirtschaftsfreundlich geltende, und für seine investigativen Recherchen bekannte Blatt, lud am Mittwochabend zur Geburtstagsfeier ins Zürcher Restaurant Terrasse. "Das ist kein grosses Fest, sondern eher ein Weltwoche-Sommerfestli -  ein nettes Beisammensein, ohne riesiges Tamtam", verharmlost Roger Köppel. Im Interview spricht der Inhaber und Chefredaktor über die bis heute wirkende Tradition, seine Rolle als Vater von zwei Söhnen und über den neuen Job von Bundeshaus-Journalist Urs Paul Engeler.

Herr Köppel, die "Weltwoche" feierte Mittwoch ihren 80. Geburtstag mit einem Fest – im Gegensatz zum 75. Jubiläum. Damals wurde aus wirtschaftlichen Gründen auf Feierlichkeiten verzichtet. 
Als ich aus Deutschland zurückkam damals, war die "Weltwoche" ein schwerer Verlustbringer. Ausserdem zeichnete sich bereits die Wirtschafts- und Finanzkrise ab. Ein rauschendes Fest wäre vor diesem Hintergrund das falsche Signal gewesen. Wir mussten arbeiten. 

Gibt es 2013 mehr Grund zum Feiern? Die Werbeumsätze sinken seit längerem kontinuierlich.
Gegen diesen weltweiten Branchentrend habe auch ich noch kein Gegenmittel gefunden. Allerdings bin ich froh, dass wir die "Weltwoche" nicht nur inhaltlich erfolgreich positionieren konnten als unbequeme Stimme der Vernunft, als wichtiges Blatt des investigativen Journalismus. Es gelang darüber hinaus auch, die Zeitung, die während vielen Jahren rote Zahlen schrieb, nachhaltig in die schwarzen Zahlen zu führen. Zum Geburtstag: Ich verneige mich vor der grossen inspirierenden Tradition dieser Zeitung, die sich von Anfang an durch ihre Unabhängigkeit auszeichnete und die Freiheit, die Dinge immer wieder auch mal anders anzuschauen. Das bleibt massgeblich.

Welche historischen Errungenschaften wirken bis heute?
Ich bin diesem Titel sehr verpflichtet. Ich sammle alte Bände und lese ab und zu darin. Die früheren "Weltwoche"-Journalisten waren für mich Vorbilder. Für mich war und ist die "Weltwoche" der Inbegriff des vernünftigen, unabhängigen Denkens – gut geschrieben mit eigener Handschrift. Wir sind frei in der Auswahl der Blickwinkel und wir sind bekannt für Investigativen Journalismus, für Recherche – anders als "Die Zeit" mit ihrer kommentierend-kontemplativen Art oder der "Spiegel", dessen Recherchejournalismus aber, wie er ihn anfangs der sechziger Jahre pflegte, für mich Massstäbe setzte, an denen ich mich orientiere.

Das war ein schöner Werbespot. Doch die "Weltwoche"-Redaktion ist in den letzten Jahren laufend geschrumpft, im Impressum sind momentan noch elf Redaktoren aufgeführt, wohl nicht alle haben ein 100-Prozent-Pensum.
Sie brauchen die richtigen Leute für ein Konzept, und wir haben genügend davon. Wenn Sie noch gute Journalisten kennen, die ich anstellen soll, nennen Sie bitte die Namen. Ich kann unabhängig denkende, kritische und wache Geister immer gut gebrauchen.   

Die schlankere Redaktion und der zunehmende Druck können manchmal zu Lasten der Genauigkeit gehen, wie das Beispiel Rega zeigt. Dort wurde der "Weltwoche" Unsorgfalt vorgeworfen. Muss man bei den heutigen Bedingungen im Journalismus einfach mit solchen Kompromissen rechnen?
Überhaupt nicht. Mir ist es wichtig, dass die "Weltwoche" kritisch hinterfragt und genau recherchiert. Unsere Journalisten sind bekannt dafür. Denken Sie an die Fälle Stocker, Zuppiger, Keller-Sutter und Hildebrand und dann die Enthüllungen um die Bundesanwaltschaft, oder den Fall Waldau, um nur einige zu nennen.

Interessant wäre nun aber das Beispiel Rega.
Hier hat mein Kollege Christoph Landolt im Alleingang ein wichtiges Thema dieses Sommers lanciert. Er hat aufgedeckt, dass sich die Rega in Widersprüchen bewegt, wenn sie gleichzeitig gemeinnützige Stiftung und marktwirtschaftliches Unternehmen mit Riesensalären sein will. Er zeigte weiter, dass die Firma an Intransparenz krankt, und leider ab einem bestimmten Punkt auch unsere Fragen nicht mehr beantwortet hat. Soweit Fehler unsererseits passiert sind, haben wir sie im aktuellen Blatt berichtigt, in anderen Fragen stehen unterschiedliche Auffassungen gegeneinander. Auf jeden Fall habe ich dem Regachef sowohl ein grosses Interview angeboten, wie auch die Möglichkeit, in einem Gastartikel auf zwei Seiten sein Sicht der Dinge darzulegen.  Wir wollen die Rega nicht fertigmachen, sondern objektiv Probleme zur Sprache bringen. Wir sind kritisch, aber wir stellen uns auch der Kritik und anderen Sichtweisen.

Etwas ganz anderes: Diese Woche ist Schulanfang. Ihre beiden Söhne sind bald auch im Kindergarten-Alter.
Noch nicht ganz: Sie sind erst zwei und vier Jahre alt.

Haben Sie bereits entschieden, ob Ihre Kinder einen öffentlichen oder privaten Kindergarten besuchen werden?
Ich bin ein grosser Befürworter der öffentlichen Schule, stelle aber fest, dass viele Leute aus dem Bekanntenkreis ihre Kinder in Privatschulen schicken. Das beunruhigt mich, denn ich habe selber sehr gute Erfahrungen mit der Volksschule gemacht und ich bin all meinen Lehrern sehr dankbar, auch denen, die mich nicht so mochten oder umgekehrt (lacht). Dieses Thema werde ich dann mit meiner Frau diskutieren, doch es bleibt noch etwas Zeit bevor meine Söhne in das pädagogische System reinkommen – diese Zeit will ich noch geniessen.

Wie muss man sich Sie als Vater vorstellen?
Ich bin ein sehr euphorischer Vater, ich spiele sehr gerne mit meinen Kindern. Meine Frau meint zwar, ich verbringe zu wenig Zeit mit meinen Söhnen. Doch ich bin anderer Meinung. Ich bin gerne um Kinder herum und habe keine Mühe, wenn sie auf mir herumkriechen, solange sie mir nicht die Brille oder meine Bücher zerstören. Letzthin hat einer meiner Söhne mit einem Duschgel die gesamte Computertastatur und die Pultoberfläche einbalsamiert. Doch auch dieses Problem konnten wir bewältigen.

Als Chefredaktor, Herausgeber und Besitzer der "Weltwoche" sind Sie beruflich sehr eingespannt – und jede Woche schreiben Sie mindestens ein Editorial, wenn nicht noch weitere Texte.
Klar, ich sehe mich als journalistischer Unternehmer, und natürlich arbeiten wir alle viel bei der "Weltwoche". Doch ich will hier nicht den Kult des leidenden Managers betonen. Ich habe zwar viel zu tun, doch es kommen Phasen – im Sommer zum Beispiel, wenn es eine Doppelnummer gibt – dann kann ich die Sommerferien und meine Familie geniessen. Früher, als ich noch keine Familie hatte, war das allenfalls anders. Allerdings nahm der Grenznutzen der Dauerarbeit irgendwann auch ab. Wenn ich mit meiner Familie in den Ferien bin, lese ich auch viel – vor allem Bücher, was ich dann wiederum in die Arbeit einfliessen lassen kann – ein toller Beruf.  

Kürzlich wurde bekannt, dass der langjährige Bundeshaus-Korrespondent Urs Paul Engeler definitiv zurücktritt. Wer wird sein Nachfolger?
Urs Paul Engeler ist grundsätzlich nicht zu ersetzen. Ich kenne keinen einzigen lebenden Journalisten in der Schweiz, der an sein Niveau herankommt. Und Sie können mir glauben, dieses Problem hat mich enorm gequält und beschäftigt, auch weil ich UPE nicht nur beruflich, sondern auch menschlich enorm schätze. Nun hatten wir das enorme Glück, Markus Schär von Avenir Suisse zu gewinnen. Neu fürs Bundeshaus wird ab 1. September Christian Mundt zu uns stossen, ein talentierter Mann von der "Basler Zeitung", von Markus Somm hervorragend entdeckt. Und schliesslich bin ich froh, dass Urs Paul Engeler ebenfalls ab 1. September als redaktioneller Berater für die "Weltwoche" arbeiten wird. Sein Auftrag: Er muss die Chefredaktion so kritisch begleiten wie die Politik, jeden Fehler schonungslos aufdecken. Einen besseren Kritiker kann ich mir nicht vorstellen. Ausserdem wird er als Autor wirken.

Tom Kummer schreibt ebenfalls wieder für die "Weltwoche", obwohl Sie ihn damals, als Sie "Magazin"-Chefredaktor waren, Schreibverbot erteilt hatten. 
Jeder verdient eine zweite Chance. Sein erster Essay über Martina Hingis war brillant.

Kummer, der fiktive Interviews verfasste, schreibt weiterhin für die "Weltwoche"?
Ja, ein nächster Artikel ist in Planung. Ich wünsche ihm viel Erfolg bei seinem Comeback.

Mitte Juli wurde bekannt, dass die "Tages-Anzeiger"-Redaktion in drei Jahren einen Frauenanteil von 30 Prozent erreichen will. In der darauf folgenden Chefredaktoren-Umfrage konnten wir Sie leider nicht erreichen. Doch es interessiert noch immer: Ist eine weiblichere Redaktion für die "Weltwoche" ein Thema?
Wenn Sie unsere Zeitung lesen, dann wissen Sie, was wir von Quoten halten. Frauenquoten sind Unsinn, genauso wie Brillenträger-Quoten oder Quoten für Journalisten aus Kloten, wie ich einer bin. Ich verstehe auch überhaupt nicht, warum die Frauen sogar selber Quoten fordern, denn dahinter steckt ein fundamentaler Denkfehler. Quotenforderungen setzen die Annahme voraus, dass Frauen diskriminiert würden. Dies halte ich in der Schweiz für abwegig. Es wäre für mich als Unternehmer widersinnig, wenn ich einen Mann besser zahlte, weil diejenigen Frauen, die schlechter bezahlt sind, einfacher abzuwerben wären. Wettbewerb und Marktwirtschaft sind besser als jede Quote. Wenn ich so dumm wäre, Frauen zu diskriminieren, weil sie Frauen sind oder Brillenträger, weil sie Brille tragen , wäre ich zu Recht zum Misserfolg verdammt.

Als Sie die "Weltwoche" übernommen hatten, gab es jedenfalls noch mehr Frauen auf der Redaktion. Ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis scheint Ihnen gar nicht erstrebenswert.
Ich klassifiziere doch Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts! Ich will Leute, die gut sind. Wenn ich Frauen sehe, die gut sind, dann stelle ich sie an. Ich glaube an die Prinzipien der Marktwirtschaft. Nach diesen wird niemand diskriminiert, der eine Leistung bringt, die auch tatsächlich nachgefragt wird.

Eine meiner ersten Mitarbeiter, die ich in meiner Zeit bei der "Weltwoche" anstellte, war Beatrice Schlag. Um sie zu überzeugen, bin ich damals um die halbe Welt geflogen. Ich hätte das auch für einen Mann getan. Persönlich finde ich, dass Frauen hervorragend geeignet sind für Journalismus, weil sie in der Regel über einen besseren Wirklichkeitssinn verfügen als die eitlen Männer. Viele Frauen tendieren aber meiner Ansicht dazu, sich weniger gern öffentlich exponieren zu wollen. Das mag mit einer gewissen Empfindlichkeit zu tun haben, aber auch damit, dass Frauen, die sich exponieren, stärker ins Visier geraten. Nehmen Sie als Beispiel eine Margaret Thatcher in der Politik. Was wurde diese Frau angefeindet. Im Journalismus frage ich mich: Wo sind die weiblichen Watergate-Enthüllerinnen? Klar, es gibt Ausnahmen wie früher eine Margrit Sprecher oder Alice Schwarzer. Ich stelle aber fest, dass sich wenig Frauen, obwohl sie die Chance hätten, sicher bei der "Weltwoche", in derart exponierte Positionen begeben.

Immer wieder zu Reden gibt die Frage um die Besitz-Verhältnisse. Gerade kürzlich wurde bekannt, dass das Zürcher Obergericht Ihre Klage gegen die NZZ als zweite Instanz abgewiesen hatte. Werden Sie dieses Urteil weiterziehen ans Bundesgericht?
Wohl kaum. Ich bin einfach sehr enttäuscht, dass das angesehene und von mir geschätzte Blatt NZZ die Behauptung in den Raum stellte, ich würde als Unternehmer "Direktiven" erhalten und stünde in finanzieller Abhängigkeit Dritter. Das alles ist falsch und beschädigt meine Integrität als Unternehmer. Es kommt hinzu, dass mein guter Freund Rainer Stadler, der den Artikel schrieb, mich noch nie persönlich zur "Weltwoche" befragt hat, obschon er kurz vor Abdruck seines Artikels sogar bei mir zu Hause zum Abendessen war. Die NZZ wollte nicht herausfinden, wie es bei der "Weltwoche" wirklich ist, sie wollte einen Bewerber im Markt mit kreditschädigenden Aussagen herabsetzen. Deshalb musste ich mich wehren.  

Diese Fragen brachte nicht nur die NZZ auf, sondern auch andere Titel. Warum sind Sie gegenüber der NZZ so empfindlich?
Bei der NZZ ist entscheidend, dass dieses Blatt in wirtschaftlichen Kreisen sehr ernst genommen wird. Wenn diese Zeitung – ohne zu recherchieren – einfach irgendetwas behauptet, dann geht das doch einfach nicht! Fragen Sie doch einmal NZZ-Chef Spillmann, warum er mir nie die Chance gab, mich in seinem Blatt zu äussern, mich zu den Vorwürfen zu erklären.

Sprechen wir nochmals über den "Weltwoche"-Geburtstag: Am Mittwochabend fand im Restaurant Terrasse im Zürich ein Fest statt. Wer wird alles mit dabei sein?
Das ist kein grosses Fest, sondern ein "Weltwoche-Sommerfestli". Das wird ein nettes Beisammensein, ohne riesiges Tamtam. Wir sind klein und bescheiden, unsere finanziellen Mittel fliessen vor allem in den Journalismus.

Die Schweizer Prominenz haben Sie also nicht aufgeboten.
Nein. Wir laden Freunde des Hauses ein: Kunden, Journalisten und Kollegen, interessante Leute, kein Blingbling.

Sie sind 48 Jahre alt und haben bereits sehr vieles erreicht: Sie führten knapp drei Jahre lang die deutsche Tageszeitung "Die Welt". Nun besitzen Sie eine renommierte Zeitung mit langer Tradition, sind gleichzeitig Chefredaktor. Haben Sie noch andere Träume?
Über Träume rede ich nicht, aber es ist so, dass ich einen fantastischen Job habe. Ich wollte immer Lehrer werden, heute bin ich Journalist und habe die Möglichkeit, frei zu denken und unabhängig zu publizieren, ohne mich mit Nebensächlichkeiten wie Frauenquoten oder Rechtsstreitigkeiten dauernd herumzuschlagen (lacht). Ich möchte mit der "Weltwoche" eine wichtige Aufgabe zum Wohl der Schweiz erfüllen. Journalisten sind wichtig. Sie müssen gegen Widerstand Probleme und Machenschaften aufdecken, dem Staat auf die Finger schauen und durch Kreativität für gute Meinungsvielfalt sorgen. Indem wir kritisch sind, helfen wir, dass die Schweiz ein gutes, attraktives und erfolgreiches Land bleibt.

Interview: Edith Hollenstein

 

 


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