12.12.2012

BaZ

Der Mann, der in die Kälte ging

Rolf Bollmann machte sich früher als eisenharter Fussballverteidiger einen Namen. Nach seiner aktiven Karriere lancierte er das Pendlerblatt "20 Minuten" und war in der Unternehmensleitung von Tamedia tätig. Doch richtig herausgefordert wird er erst jetzt: Bollmann ist neuer CEO der "Basler Zeitung" und will diese wieder zum Leuchten bringen. persönlich-Chefredaktor Matthias Ackeret gab er zu seinem neuen Job exklusiv Auskunft. Zum Interview:
BaZ: Der Mann, der in die Kälte ging

Herr Bollmann, im nächsten Jahr wären Sie pensioniert worden, jetzt sind Sie CEO bei der "Basler Zeitung". Sie hatten es sich auch einfacher machen können...

Obwohl ich eigentlich Grossbetriebe nicht mag und deswegen gewisse Startschwierig- keiten hatte, war ich sehr gerne bei der Tamedia. Man hat mich in der Unternehmensleitung sogleich akzeptiert. Meine Kol- legen hatten alle studiert und waren viel intelligenter als ich – dafür war ich schlauer. Das war eine gute Mischung. Ich wäre Mitte 2013 offiziell pensioniert worden, hatte aber die Option, über mein Pensionsalter hinaus verschiedene Projekte für Tamedia weiter- zubetreuen. Aber dann kam das Angebot aus Basel.

Wer hat Ihnen das Angebot gemacht?

Den ersten Kontakt hatte ich mit Filippo Leutenegger, dem Verwaltungsratspräsidenten. Wir kennen uns schon viele Jahre. Etwas später habe ich Herrn Blocher als Vertreter der Hauptaktionäre getroffen, der mich schon von "20 Minuten" her kannte und mich unbedingt für die Aufgabe in Basel haben wollte. Er schätzt sicher meine Erfahrung, weiss, dass ich die Branche kenne und auch schmerzhafte Restrukturierungen durchführen kann. Was aus bekannten Gründen hier nun meine Hauptaufgabe ist. Deshalb werde ich hier als eiskalter Sanierer aus Zu¨rich wahrgenommen und wohl kaum als freundlicher und sympathischer BaZ-CEO in die Geschichte eingehen.

Aber ist das nicht das Grundproblem? Mit Blocher, Leutenegger, Chefredaktor Markus Somm und Ihnen dominieren doch sehr viele Zürcher die "Basler Zeitung".

Das ist sicher nicht ganz einfach. Es ist bekannt, dass die Zürcher in Basel nicht besonders wohlgelitten sind. Aber Zürcher haben in Basel immer wieder Spuren hinterlassen. Radio Basilisk gehörte für eine kurze Zeit der Tamedia, und das hat problemlos funktioniert. Der FCB hatte seine erfolgreichste Zeit mit einem Zürcher, nämlich Christian Gross. Nie wurden mehr Titel gewonnen. Aber auch Christoph Blochers Tochter, Miriam Blocher, welche das Läckerli-Hus führt, wird von den Baslern nach anfänglichen Bedenken mittlerweile sehr geschätzt.

Wie wurden Sie in Basel aufgenommen?

Ich spüre immer noch ein grosses Misstrauen. Dies ist verständlich, weil die BaZ doch sehr turbulente Zeiten hinter und leider auch noch vor sich hat. Vielleicht besitze ich die bescheidenen Fähigkeiten, die Basler davon zu überzeugen, dass ich nichts Böses im Schilde führe, sondern mit ihnen zusammen die BaZ-Gruppe retten und in eine erfolgreiche Zukunft führen will. Schlussendlich spielt es keine Rolle, ob ein Berner, Deutscher oder Zürcher an der Spitze des Unternehmens steht, wichtig ist, dass er Erfolg hat und wieder eine gute Unternehmenskultur entsteht.

Welchen Stellenwert hat die "BaZ" heute in Basel?

Das Image der "Basler Zeitung" in Basel ist viel schlechter als die Wahrnehmung ausserhalb der Stadt, beispielsweise in Zürich. Dies war meine grösste Enttäuschung. Ich glaube aufgrund meiner Erfahrung beurteilen zu können, dass die "BaZ" ein hervorragendes Blatt ist und in der Schweiz mit der "NZZ" und dem "Tages-Anzeiger" zu den drei besten Tageszeitungen gehört.

Das müssen Sie sagen...

Nein, überhaupt nicht. Ich habe die "BaZ" schon zu meinen Tamedia-Zeiten gelesen. Bereits vor zwölf Jahren, als wir mit "20 Minuten" den Angriff auf Basel starteten, habe ich das Blatt regelmässig studiert. Es ärgert mich wirklich, dass die Basler keinen Stolz für ihre Zeitung empfinden. Die "BaZ" ist eine gut gemachte, kontroverse Forumszeitung, in der sogar der grüne Nationalrat Daniel Vischer oder das SP-Urgestein Helmut Hubacher ein regelmässiges Forum haben. Es ist auch kein SVP-Parteiblatt, wie die Konkurrenz immer ihren Lesern zu indoktrinieren versucht. Zuletzt der unsägliche Artikel von Constantin Seibt im "Tages-Anzeiger". Beim "Tagi" wäre eine Kolumne von Christoph Mörgeli undenkbar.

Warum ist die "BaZ" in dieser misslichen Lage? Basel ist der zweitgrösste Wirtschaftsraum der Schweiz.

Ja, das ist schwer zu verstehen. Ich habe dies auch bei den beiden Personalversammlungen, die ich bis anhin durchgeführt habe, gesagt. Eigentlich wären in Basel alle Voraussetzungen gegeben, um ein rentables Blatt zu machen. Im Gegensatz zu andern Regionalzeitungen, deren Ergebnisse ich kenne, ist die "BaZ" bezüglich Rendite in einem schlechten Zustand. Ich habe die Aboabbestellungen analysiert. Als Hauptgrund der Abbestellungen wird oft die "politische Einstellung der Zeitung" genannt. Sie verwechseln den Inhalt der Zeitung mit ihrer Antipathie gegen Herrn Blocher. Ich habe noch auf keiner Redaktion erlebt, dass der Eigentümer Einfluss nimmt auf den Inhalt.

Auf der "BaZ"-Redaktion hat es genauso viele links- wie rechtsorientierte Journalisten wie beim "Tagi" oder bei der "AZ". Und ich habe für Pietro Supino und Peter Wanner gearbeitet und nie erlebt, dass sie Einfluss nahmen auf den Inhalt ihrer Zeitung. Kein Eigentümer oder Verleger kann die Leserschaft beeinflussen, es sind immer die Journalisten, sonst niemand. Leider auch die schlechten.

Wie viele Aboabbestellungen hatten Sie 2012?

Es war in diesem Jahr eine hohe einstellige Prozentzahl.

Aber gibt es auch Neuabonnenten?

Ja, aber sicher weitaus weniger als Abbestellungen.

Haben Sie inseratemässig die ganze Blocher-Antipathie auch gespürt?

ch weiss es nicht. Sicher ist, dass wir einige Prozentpunkte mehr verloren haben als der Durchschnitt der grossen Tageszeitungen der deutschen Schweiz.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Markus Somm?

Aus meiner Sicht sehr gut. Markus Somm ist ein hochintelligenter Mensch und bestens qualifizierter Chefredaktor. Er spielt in einer anderen Liga als die meisten Chefredaktoren, die ich kenne.

Was will Christoph Blocher wirklich in Basel?

Herr Blocher hat in die Basler Mediengruppe investiert, weil er die BaZ als unabhängige, bürgerliche Zeitung bewahren will. Unabhängig von der Tamedia, unabhängig von der NZZ, unabhängig von den AZ-Medien. Die BaZ soll wieder ihre alte Leuchtkraft in der Schweizer Medienlandschaft erhalten. Das ist doch verrückt, da schreiben Journalisten, Herr Blocher wolle die BaZ als Machtinstrument für sein Gedankengut missbrauchen. Und dieselben linken Journalisten schreiben für das grösste Monopol- Medienunternehmen der Schweiz, die Tamedia, die mit ihren Tageszeitungen weit über 50 Prozent aller stimmberechtigen Bürger der Schweiz erreichen. Und die BaZ erreicht circa drei Prozent. Nochmals, ein Eigentümer kann niemals die Leser seiner Zeitung beeinflussen. Das können nur die Journalisten. Und kein Verleger beeinflusst die Journalisten.

Das ist eine interessante These. Aber stimmt sie?

Die Basler realisieren gar nicht, was sie mit Herrn Blocher haben. Ohne sein Engagement hätte die BaZ ihre Unabhängigkeit längst verloren. Ich habe dies bereits vor der Redaktion erklärt. Angenommen, Tamedia hätte Zugriff auf die BaZ, dann wäre die Hälfte der Redaktion ruck, zuck wegradiert. Ich war sieben Jahre in der Unternehmensleitung der Tamedia und habe gelernt, wie man Synergien umsetzt. In diesem Fall wäre die Redaktion der BaZ nur noch für die Lokalberichterstattung zuständig, der Rest ka¨me vom Tages-Anzeiger. Doch dies will Herr Blocher nicht. Für dieses Ziel hat er bis jetzt sehr viel Geld investiert.

Wie viel Geld hat Blocher investiert?

Das weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass ihm eine unabhängige Qualitätszeitung viel Geld wert ist. Aber als Unternehmer will er auch nicht jahrelang in ein Fass ohne Boden investieren. Es ist nun meine Aufgabe, dieses Fass dicht zu machen und die Basler Mediengruppe wirtschaftlich wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Sie sind als Sanierer eingestellt. Christoph Blocher hat verschiedentlich betont, dass man sich auf die "nackte" Zeitung beschränken soll. Das würde bedeuten, dass man viele Nebenprodukte abstossen würde. Ist dies realistisch?

Es stimmt, die BaZ-Mediengruppe ist eigentlich ein Mischkonzern, sie gibt nicht nur eine Zeitung heraus, die Basler Zeitung, sondern umfasst unter anderem auch Liegenschaften, Zeitungsdruck, Kundendruck wie die Birkhäuser AG, Gratiszeitungen, Quartierzeitungen. Daneben sind wir auch noch im Vermittlungsgeschäft aktiv und im Versicherungsbereich. Leider sind einige unrentable Unternehmenseinheiten dabei. Ich stecke nun mitten in der Restrukturierungsphase. Unser Ziel ist eine Basler Zeitung "nackt", die nur noch aus einer Redaktion und dem Verlag besteht. Der Druck findet entweder bei uns oder extern statt.

Das heisst, Ihre Druckerei wird geschlossen...

Ein hoher Verlustanteil der Gruppe entsteht aus dem Zeitungsdruck. Die Auslastung der Druckerei ist völlig ungenügend. Die Probleme der Druckbranche sind bekannt. Enorme Überkapazitäten, massiv sinkender Papierverbrauch und so weiter. Die Druckerei kann nur gerettet werden, wenn Perspektiven für eine viel höhere Auslastung vorhanden sind. Und diese schätze ich unter den erwähnten Voraussetzungen als sehr unwahrscheinlich ein.

Wann kommunizieren Sie die Entscheidung?

Wir entscheiden uns im ersten Quartal 2013.

Sie sprechen immer von Christoph Blocher. Spielen die Herren Tettamanti und Leutenegger bei der "BaZ" keine Rolle mehr?

Filippo Leutenegger ist Verwaltungspräsident. Ich bin Delegierter und CEO.

Was bereitet Ihnen momentan am meisten Bauchschmerzen?

Ich habe nun viele Mitarbeiter entlassen müssen, aus wirtschaftlichen Gründen. Und das tut mir unendlich weh. Menschen, die jahrelang im Unternehmen gute Arbeit geleistet haben oder hoffnungsvolle junge Menschen, auch solche, die bei der BaZ die kaufmännische Lehre gemacht haben, stehen plötzlich ohne Stelle da, sind verzweifelt. Und trotzdem haben sie Verständnis gehabt für meine Entscheidungen. Das ist schwer zu verarbeiten und hinterlässt bei mir manchmal Fragezeichen, ob ich das mit meinem Gewissen verantworten kann.

Sehen Sie wenigstens einige Fortschritte?

Ich spüre bei unseren Mitarbeitern ein grosses Unbehagen und Misstrauen. Nach den vielen Turbulenzen um die BaZ glaubt man der Führung nichts mehr, was eine grosse Lethargie und Passivität auslöst. Ich fühle mich manchmal wie ein Ochse, der vor dem Wagen steht und diesen anzuschieben versucht. Meine Haupttätigkeit besteht darin, dem Kernteam Zuversicht und Motivation zu vermitteln. Daran arbeite ich momentan. Leider sorgen auch die Konjunkturaussichten für das Jahr 2013 nicht für eine Aufbruchstimmung. Doch ich sage meinem Management, wenn wir dieses Tief überstehen, dann hat die Basler Zeitung mit der ganzen Kraft ihrer Marke eine gute Zukunft vor sich. Totgesagte leben bekanntlich länger.

Interview: Matthias Ackeret / Das vollständige Interview ist in der Dezember-Ausgabe von "persönlich" erschienen.

 


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