Pia Guggenbühl, welche Zeitungen lesen Sie?
Mein tägliches Medienmenü geht von NZZ über CH Media-Titel bis zum Blick und variiert stark, je nach Aktualität. Dazu kommen verschiedene Print-Publikationen, inklusive Lokal-, Verbands- und Mitgliederpressetitel. Auch der SRG-Medienkonsum gehört dazu – ich reihe mich also gut in die jüngste fög-Studie ein, gemäss der Konsumenten von Privatmedien ja ergänzend staatliche Medien konsumieren. Hingegen teile ich die Einschätzung nicht, dass diese den Privatmedienkonsum nicht verdrängen. Der Tag hat nun einmal nur 24 Stunden. Umso mehr braucht es gleich lange Spiesse, auch mit Blick auf die Onlineangebote der SRG.
In fast allen privaten Medienhäusern laufen grosse Sparpläne. Was reizt Sie dennoch, den Verband Schweizer Medien zu leiten?
In dieser Position werde ich die Möglichkeit haben, noch mehr Verantwortung zu übernehmen – dies für eine Branche, die einem grossen Strukturwandel unterworfen ist. Die Schweiz ist neben einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft auf starke unabhängige, private Medien angewiesen, die als vierte Gewalt im Staat einen zentralen Beitrag für eine funktionierende Demokratie und Gesellschaft leisten.
«Die privatwirtschaftlichen Medienunternehmen sehen sich einem verzerrten Medienmarkt gegenüber – das gibt es sonst in diesem Ausmass kaum.»
Ist die Medienbranche eine Branche wie jede andere?
Die Medienbranche hat – wie andere Branchen auch – eine gesellschaftliche Verantwortung. Mit Blick auf die öffentliche Meinungsbildung erfüllt sie als vierte Gewalt im Staat jedoch eine Kontrollfunktion. Sie fördert Transparenz und erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, informierte Entscheidungen zu treffen. Mit Blick auf Verantwortung und Ethik müssen sich Journalistinnen und Journalisten an strenge ethische Richtlinien halten – der VSM ist ja auch Mitglied des Schweizer Presserats. Das ist in anderen Branchen nicht anders, aber die Unabhängigkeit, Integrität sowie der Schutz der Quellen sind speziell. Im Vergleich zu anderen Branchen sind die Medienhäuser aktuell mit enormen strukturellen und ökonomischen Herausforderungen konfrontiert. Die Verlagshäuser und der Journalismus allgemein müssen sich für die Zukunft aufstellen, wozu auch die Frage der langfristig wirkungsvollen Medienförderung gehört. Die privatwirtschaftlichen Medienunternehmen sehen sich zudem einem verzerrten Medienmarkt gegenüber – das gibt es sonst in diesem Ausmass kaum.
Die letzten drei Jahre waren Sie Leiterin Public Affairs und Kommunikation bei Scienceindustries, dem Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences. Was können Sie von dieser Tätigkeit mitnehmen für die neue Aufgabe beim Verlegerverband?
Der Dialog ist zentral – und zwar über Partei- und Organisationsgrenzen hinweg. Das weiss ich auch aus der Erfahrung als Gemeinderätin einer lokalen Exekutive: In der Politik ist man nur erfolgreich, wenn es gelingt, Mehrheiten zu finden. Dafür ist es zentral, sich einem ehrlichen, offenen Austausch zu stellen. Und man muss sich früh organisieren, Interessen bündeln und Positionen klären – und entlang des politischen Prozesses diese immer wieder abstimmen.
Sie wechseln in eine Branche, die Sie beruflich nicht kennen. Ist das ein Handicap?
Das stimmt nicht ganz. Während des Studiums habe ich ein Hochschul-Web-TV geleitet, eine Radiosendung auf Radio LoRa moderiert und war Redaktionsleiterin der Zeitschrift Polykum mit einem Team von Redaktoren, Layoutern, Fotografen und Anzeigeakquise. Bevor ich dann in die politische Interessenvertretung eingestiegen bin, habe ich nach dem Studium noch einen kurzen Abstecher zur Financial Times in Deutschland gemacht.
Wie bereiten Sie sich auf Ihre neue Aufgabe vor?
Ich beginne meinen neuen Job am 1. Februar, danach liegt der Fokus natürlich auf den Mitgliedern des VSM und ihren Erwartungen. Parallel liegt mein Fokus klar auf der Politik, denn aktuell sind ja verschiedene politische Geschäfte am Laufen.
«Ohne eine im Medienkonsum bewanderte nächste Generation sehe ich schwarz.»
Als ehemalige Kommunikationschefin der FDP Schweiz sind Sie in Bundesbern gut vernetzt. Hilft Ihnen diese Vergangenheit beim Lobbying für die Verleger?
Ich habe ein persönliches Netzwerk und nehme dieses wie auch mein Wissen über politische Inhalte und Prozesse natürlich mit. Aber man darf nicht naiv sein: Am Schluss braucht es gute, überzeugende Argumente. Parteicouleur und gute Beziehungen allein reichen nicht.
Die Medienbranche steht vor grossen Herausforderungen. Stichwort Finanzierung, Digitalisierung, Medienförderung. Welche Dossiers sind für Sie prioritär?
Die für den VSM zentralen Themen werden auch für mich tonangebend sein: Medienpolitik und indirekte Presseförderung, Urheberrecht und Leistungsschutzrecht, gleich lange Spiesse zur SRG, die Sicherung der Werbefreiheit, Digitalisierung und KI – und last but not least die Medienkompetenz. Ohne eine im Medienkonsum bewanderte nächste Generation sehe ich schwarz.
Wo sehen Sie die privaten Medien in fünf Jahren?
Ich kann auch nicht hellsehen und habe in der Internet-Glaskugel alias ChatGPT Folgendes gelesen: «Insgesamt dürften private Schweizer Medien durch eine Mischung aus Anpassung an die Digitalisierung, intensiveren Kooperationen, verstärktem Fokus auf lokale Inhalte und möglicherweise durch eine Erweiterung der Medienförderung überleben und weiterhin relevant bleiben. Der Erfolg wird davon abhängen, wie schnell und flexibel sie auf diese Herausforderungen reagieren können.» Das scheint mir jetzt keine dumme Antwort zu sein. Und sie zeigt die grosse Relevanz der Arbeit des VSM – das spornt mich an für meine künftige Aufgabe.
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12.11.2024 10:42 Uhr
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