12.01.2018

No Billag

Ende des regionalen Service public befürchtet

Die Initiative gefährde nicht nur die SRG, sondern auch die regionalen Radio- und Fernsehsender. In einer gemeinsamen Medienkonferenz haben die Verbände deshalb vor «No Billag» gewarnt. Sie zeigten auf, warum der viel zitierte «Plan B» nicht funktionieren kann.
No Billag: Ende des regionalen Service public befürchtet
André Moesch, Präsident von Telesuisse, wird an der Medienkonferenz für ein Nein zur No-Billag-Initiative der Schweizer Regionalradios und -Fernsehen interviewt. (Bild: Keystone/Christian Merz)
von Christian Beck

Der Veranstaltungsraum im Käfigturm ist nicht gerade die grösste Lokalität in Bern. Vorausschauend hat deshalb der Regional-TV-Verband Telesuisse die AZ Medien – mit TeleBärn, Tele M1 und TeleZüri – darum gebeten, das Rohmaterial der Medienkonferenz auch anderen Sendern zur Verfügung zu stellen. Dennoch war am Freitagmorgen die Lokalität bis auf den letzten Platz – und darüber hinaus – gefüllt. Über 30 Medienvertreter waren angereist. «Ich sehe hier mehr Kameras als bei einer Fifa-Medienkonferenz. Das Thema ist auch entsprechend emotional», sagte Telesuisse-Präsident André Moesch zur Begrüssung. So emotional, dass gleich vier Verbände gemeinsam zur Medienkonferenz geladen haben. «Das hat es vermutlich noch nie gegeben», so Moesch.

Die Vertreter der Verbände nahmen zu verschiedenen Punkten der Initiative Stellung:

Versteigerung der Konzessionen

Die No-Billag-Initiative sieht vor, dass künftig Konzessionen für Radio und Fernsehen versteigert werden sollen. «Dieses Thema ist bei all den Diskussionen etwas in den Hintergrund geraten», sagte Martin Muerner, Vizepräsident des Verbands Schweizer Privatradios VSP. «Es herrscht Unklarheit», sagte er. Der Verband habe bei den Behörden nachgefragt, niemand hätte beantworten können, wie das bei einer Annahme der Initiative umgesetzt werden müsste. Es sei ein totaler Blindflug. Oder wie es Muerner anders sagte: «Die Initianten zünden ein Haus an und fragen erst danach, wo man dann noch wohnen kann.»

Gebührenanteile durch mehr Werbung ersetzen

André Moesch, gleichzeitig Geschäftsleiter von TVO, zeigte anhand seines Ostschweizer Senders auf, wie dieser momentan finanziert wird. Der TV-Sender, der laut Moesch mit seiner Grösse durchschnittlich sei, finanziere sich zu 56 Prozent (2,8 Millionen Franken) aus den Gebühren, die restlichen 44 Prozent durch Werbung. «Ohne Gebühren müsste ich mehr als die Hälfte des Personals aus dem Wochenarbeitsplan rausrechnen», so Moesch. Das funktioniere so nicht mehr.

Neben TVO erhalten 12 weitere Regionalfernsehen und 21 Lokalradios, die einen Service-public-Auftrag erfüllen, Gelder aus dem Gebührentopf. Weitere Lokalradios haben ebenfalls einen Leistungsauftrag, jedoch ohne Gebührenanteil.

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Dass die Initianten glauben würden, die fehlenden Gebührenanteile liessen sich durch Werbung ersetzen, bringt Muerner in Rage. «Ich empfinde diese Aussage als sehr unanständig. Das bedeutet ja, dass wir in unseren Verkaufsabteilungen einen schlechten Job machen.» Seit 30 Jahren werde der Werbemarkt bearbeitet, er werfe einfach nicht mehr ab. Komme hinzu, dass bei Annahme der Initiative auch die SRG uneingeschränkt Werbung machen dürfte. Dieses Geld aus dem Werbekuchen würde wiederum den Privaten fehlen. Gefährdet seien deshalb nicht nur die gebührenfinanzierten Sender, sondern auch jene, die sich ausschliesslich über Werbung finanzieren. «All dies haben die Initianten nicht beachtet. Sie sind aber zu entschuldigen: Sie haben ja noch nie Werbung verkaufen müssen», so Muerner. Später in der Medienkonferenz bezeichnete er die Initianten als «Dilettanten».

Zürich sei die einzige Region, die genug Werbeerträge hergebe für eine rein kommerzielle Finanzierung, ergänzte Moesch.

Finanzierung durch Pay-TV

Die Befürworter der Initiative schlagen weiter vor, Sender könnten sich mittels Verkauf von Abos finanzieren. «Pay-TV funktioniert bei Serien, Sport und Sex. Aber nicht für Informationen», sagte Telesuisse-Geschäftsführer Marc Friedli. Pay-TV sei daher keine seriöse Option. Bisherige Versuche mit freiwilligen Kundenabos im Kanton Wallis hätten ernüchternde Zahlen gezeigt, ergänzte Moesch. Und Philippe Zahno, Präsident der Radios Régionales Romandes RRR, fügte an: «Wir sprechen hier immer nur über Pay-per-View und nie über Pay-per-Hear. Wie will man Radios finanzieren? Das funktioniert nicht.»

Plan B funktioniert nicht

Auch weitere Vorschläge der Initiativbefürworter wurden an der Medienkonferenz zerschlagen – so zum Beispiel der Vorschlag zur Finanzierung der Sender durch die Kantone. «Bis die entsprechenden Rahmenbedingungen in all den Kantonen geändert wären, gäbe es die Sender bereits nicht mehr», sagte Friedli. Und zum Argument, dass es früher auch ohne Gebührengelder funktioniert habe, sagte er, dass heute 6 der 13 TV-Sender mit Leistungsauftrag zu Verlagshäusern gehören würden. «Früher wurden die Verluste von den Verlagshäusern gedeckt. Heute ist es undenkbar, dass Verlage Radio und TV quersubventionieren würden», so Friedli. Das Geld würde schlicht fehlen.

Zum Plan B, wie er von den Befürwortern vorgeschlagen wurde, sagte Moesch zusammenfassend: «Das sind wilde Fantasien der Initianten ohne ökonomischen Hintergrund.» Ein Plan B würde schlicht nicht funktionieren. «Die No-Billag-Initiative ist radikal, unehrlich destruktiv und unschweizerisch», so Moesch weiter. Unschweizerisch deshalb: «So was macht man einfach nicht.» Würde die Initiative angenommen, würden laut Moesch Politik, Kultur, Sport und Gewerbe ihre Stimme in den Regionen verlieren. «Wer sonst soll über die St. Galler Stadtratswahlen, die Oberländer Herbstausstellung oder den FC Raron berichten? Das ist alles kommerziell nicht interessant – aber wichtig.»


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