03.07.2016

Böhmermann

Erdogan will ganzes Gedicht verbieten

Der Rechtsstreit zwischen dem türkischen Präsidenten und dem ZDF-Moderator geht in die nächste Runde.
Böhmermann: Erdogan will ganzes Gedicht verbieten
Mehrere Verfahren hängig: ZDF-Satiriker Jan Böhmermann. (Bild: Keystone)

Erdogan will nun den kompletten Text des Schmähgedichts von Jan Böhmermann verbieten lassen, berichtete der «Spiegel» am Samstag. Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger habe am Mittwoch Klage beim Landgericht Hamburg eingereicht. Mitte Mai hatte das Gericht bereits eine einstweilige Verfügung erlassen, nach der ein Grossteil des Werkes nicht weiterverbreitet werden darf. Erdogans Anwalt wolle nun im Hauptsacheverfahren ein Komplettverbot des Gedichts erwirken, berichtete der «Spiegel».

Sprenger berufe sich dabei im Wesentlichen auf die Argumente, die er auch schon im Verfügungsverfahren vorgebracht habe, allerdings mit einer Ergänzung: «Böhmermann kann sich nicht auf Kunst berufen, wenn er selbst behauptet, das Kunstwerk stamme gar nicht von ihm», sagt Sprenger dem Nachrichtenmagazin. Böhmermann hatte in einem mit der «Zeit» schriftlich geführten Interview auf die Frage geantwortet, ob er das Gedicht selbst geschrieben habe: «Nein. Quelle: Internet.» Böhmermann hatte Erdogan mit dem Gedicht in seiner Sendung «Neo Magazin Royale» angegriffen – teilweise unter der Gürtellinie. Erdogan geht seither juristisch gegen ihn vor.

Weiteres Verfahren hängig

Das Landgericht Hamburg stufte das Gedicht grundsätzlich als Satire ein, erklärte aber, die verbotenen Passagen müsse Erdogan «angesichts ihres schmähenden und ehrverletzenden Inhalts nicht hinnehmen». Böhmermanns Anwalt Christian Schertz kritisierte die Verbots-Entscheidung als «falsch».

Ausser dem Verfahren in Hamburg ist in Mainz ein Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann wegen des Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts hängig. Die Bundesregierung hatte zuvor aufgrund eines Strafverlangens der türkischen Regierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Der «Spiegel» zitierte die zuständige Staatsanwaltschaft in Mainz mit den Worten, dass «ganz kurzfristig» nicht mit einer abschliessenden Verfügung zu rechnen sei. Derzeit wird demnach auf eine Stellungnahme von Böhmermanns Anwälten gewartet. (sda)



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