01.09.2022

Matthias Ackeret

«Es ging bei den Medien nur aufwärts»

Vor genau 20 Jahren startete für Matthias Ackeret ein neuer Lebensabschnitt: Er wurde Chefredaktor des Magazins persönlich und von persoenlich.com. Den Verlag, damals noch in Rapperswil beheimatet, kaufte er schliesslich vor acht Jahren. Eine Retrospektive.
Matthias Ackeret: «Es ging bei den Medien nur aufwärts»
«Ich kam mit dem Auto nach Rappi und suchte nach einem Parkplatz», erinnert sich Matthias Ackeret an seinen ersten Arbeitstag in Rapperswil zurück. (Bild: Keystone/Gaëtan Bally)
von Christian Beck

Matthias, am Montag, den 2. September 2002, also vor genau 20 Jahren, startetest du in Rapperswil beim persönlich-Verlag als Chefredaktor. Wie gut magst du dich an diesen Tag erinnern?
Sehr gut. Ich kam mit dem Auto nach Rappi und suchte nach einem Parkplatz. Verleger Oliver Prange erklärte mir den Computer. Ich kam nicht draus. Am Abend, nach dem Begrüssungsapéro, rannte ich noch in die Glastüre des Restaurants «Rössli». «Das fängt gut an», dachte ich.

Auf dem Hauptplatz in Rapperswil stehen jeweils zwei Meter grosse Buchstaben. Weisst du noch, welches Wort damals dort stand?
Ich glaube «Rappi». Oder nicht?

Es stand «Klartext», wie eine Nachfrage bei der Stadt Rapperswil-Jona ergab. Wie wurdest du damals eigentlich vom Team empfangen?
Sehr freundlich. Man war nachsichtig. Für einen Fernsehmann – ich war vorher acht Jahre bei TeleZüri – war man sogar sehr nachsichtig. Roman Frank, unser Anzeigenleiter, war schon da, Bruno Hug, den Co-Verleger, hatte ich bereits früher interviewt wegen dem Eishockey. Almut Berger und Alain Egli sassen in der Redaktion. Ich freute mich sehr, dass die Obersee Nachrichten auf dem Titel über meinen Wechsel berichteten. Das tat dem Züri-Ego gut.

In 20 Jahren ist viel passiert. Was war der grösste Unterschied damals zu heute?
Es ging bei den Medien nur aufwärts, die Inserate sprudelten. Markus Ruf und Dani Lanz gründeten praktisch zeitgleich ihre Agentur. Und Frank Bodin war auch schon da. Das waren die ersten Werber, die ich in meiner neuen Funktion als erstes traf.

An welches Ereignis erinnerst du dich gerne zurück?
An viele. Mit Oliver Prange ging ich jeden Tag ein- bis zweimal ins «Dieci», the place to be in Rappi, und ass immer Spaghetti. 13 lange Rappi-Jahre. In keinem Restaurant war ich mehr. Eindrücklich waren die glamourösen Verlegerkongresse in St. Moritz, Interlaken, Luzern, Lausanne und Montreux, wo die Branche jammerte, wie schlecht es ihr ginge. Und die glamourösen Cannes Lions in Cannes, wo die Kreativen wegen dem Siegeszug des Internets den Untergang der Kreativität beschworen.

Und welches war dein persönlicher Tiefpunkt in den letzten 20 Jahren?
Auf der Autobahn nach Rappi verspürte ich vor genau acht Jahren urplötzlich einen Schlag in den Lenden. Ich kämpfte mich zum nächsten Parkplatz und musste notfallmässig ins Spital Wetzikon. Es war eine Nierensteinattacke. Ich war auf dem Weg zum Buchhalter, es ging um den Kauf des persönlich-Verlags. Ich wusste, jetzt beginnt ein neues, wichtiges Kapitel in meinem Berufsleben. Für meinen Körper war dies aber zu viel.

«Am Abend waren die Kontis leer, ich war aber erleichtert, ja glücklich»

Du erwähnst es: Es ergab sich die Chance, auch noch Verleger zu werden…
Die Publigroupe, der damalige Besitzer, wurde an die Swisscom verkauft und aufgelöst. Irgendwann realisierte ich, dass sich nun alles ändern wird.

Musstest du lange überlegen?
Fast einen Sommer lang. Die Frage quälte mich. Sogar in Ibiza. Roger Schawinski und Christoph Blocher, mit denen ich mich darüber unterhielt, rieten mir, es zu machen. Auch Hampi Rohner, Chef der «P», redete mir gut zu. Aber ich realisierte bald, dass «persönlich» eine begehrte Braut und nicht ganz billig sei. Roger sagte, wenn man es etwas unbedingt wolle, zahle man immer zu viel. Das sei Lebenserfahrung. Die Kaufsumme war über eine Million, vier andere boten mit. Für mich war der Druck enorm. Und ich konnte nur mit wenigen darüber sprechen. Am Ende machte ich es. Mein Uraltfreund Manfred Klemann, selbst Verleger und Erfinder von Wetter.com, steuerte sehr viel Geld, Vertrauen und auch Erfahrung bei und wurde Minderheitsaktionär. Ich selbst ging auf die UBS Rapperswil und überwies der Publigroupe mein damaliges Vermögen. Am Abend waren die Kontis leer, ich war aber erleichtert, ja glücklich. Ich habe diesen – für mich – wichtigen Schritt mit 51 Jahren nie bereut und bin auch Manfred und den andern für die Unterstützung dankbar. Nachträglich bin ich froh, so entschieden zu haben.

Das war 2014. Ein Jahr später hast du den Verlag kurzerhand nach Zürich gezügelt. Warum?
Unsere Branche ist in Zürich, alle Mitarbeitenden wie unsere Grafikerin Corinne Lüthi, die damalige Redaktionsleiterin Edith Hollenstein oder ihre Nachfolgerin Michèle Widmer kamen von hier. Nur Roman Frank lebt immer noch in Rappi. Rapperswil ist ein Traum, die Seele von «persönlich». Aber manchmal gibt es – den Umständen geschuldet – auch Seelenwanderung.

«Die Verantwortung ist grösser geworden»

Was hat sich verändert, als du zusätzlich zum Chefredaktor auch Verleger wurdest?
Eigentlich alles. Die Verantwortung ist grösser geworden. Als bekannt wurde, dass ich neuer Haupteigentümer werde, klopften alle auf die Schultern, zwei Tage später kamen bereits die ersten Lohnzahlungen. Am Anfang spürte ich ständig die Angst zu scheitern; Verleger und Unternehmer tönt primär auf der Visitenkarte gut. Doch mit der Zeit wird man cooler, bekommt Gottvertrauen. Da ich abergläubisch bin, hörte ich – nachdem die Verkaufsmodalitäten vorüber waren – zehnmal «Freiheit» von Müller-Westernhagen mit der Zeile «Die Verträge sind gemacht». Anschliessend lud mich meine damalige Freundin auf den Prime Tower und zeigte mir, dass Züri grösser sei als Rappi (lacht). Den ersten Deal machte ich um elf Uhr nachts mit dem damaligen Kommunikation-Schweiz-Präsidenten und Tessiner Ständerat Filippo Lombardi im «Schweizerhof» beim HB. Er kam verspätet aus Oerlikon, wo er – kein Witz – Gorbatschow getroffen hatte. Stolz zeigte er mir ein gemeinsames Selfie, nachher besiegelten Lombardi und ich die Medienpartnerschaft mit Kommunikation Schweiz. So startete ich genau vor acht Jahren als Verleger.

Wenn du nochmals zum 2. September 2002 zurückspulen könntest, was würdest du im Drehbuch ändern?
Nichts. Ich bin dankbar, dass sich diese Chance ergeben hat und ich im Frühjahr 2002 dem Werben und dem Charme von Oli Prange, ich soll nach Rappi zu «persönlich» kommen, nachgegeben habe. Im nächsten Leben wäre ich weniger divenhaft (lacht).



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Kommentare

  • Remy Fabrikant, 02.09.2022 13:47 Uhr
    Lieber Matthias, Ich möchte einmal Danke sagen für dein zwanzig jähriges Vertrauen in uns. Eine Branche, die sich gerne beweihräuchert und es liebt, sich in der Berichterstattung zu sonnen. Dein Gespür, dass dies ein gutes Business Modell sein könnte, hat sich bewahrheitet. Auch wenn die wirtschaftlichen Umstände in den letzten Jahren schwieriger geworden sind. Aber das greift zu kurz. Deine tatsächliche Leistung ist, dass du immer unser Sprachrohr warst, das uns mit Intelligenz und Respekt begleitest hast, dass du dafür gesorgt hast, dass wir nicht nur einen Spiegel, sondern auch einen Kompass haben, der uns hilft, uns ein bisschen einzunorden. Dafür gebührt dir von unserer ganzen Branche Dank. Ich danke dir auch schon im Voraus für die nächsten zwanzig Jahre, die du uns, mit deiner Weitsicht und der Menschlichkeit, begleiten wirst.
  • Maja Ziegler, 02.09.2022 12:26 Uhr
    Lieber Herr Ackeret. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum. Ihr Persönlich ist das mit Abstand gehaltvollste Printmedium in der Schweizer Medienlandschaft. Inhalt, Stil und Gestaltung ist hochkarätig und die Werte werden in aller Selbstverständlichkeit hochgehalten. Das muss Ihnen zuerst jemand nachmachen! Ihnen und Ihrem Team wünsche ich weiterhin viel Freude bei der anspruchsvollen Aufgabe und persönlich alles Gute. Auf weitere erfolgreiche Jahre.
  • Stefan Wyss, 02.09.2022 07:46 Uhr
    Lieber Matthias Herzliche Gratulation zu 20 Jahren! Ich denke immer mit viel Freude an die fünf Jahre zurück, die ich mit dir bei persönlich zusammengearbeitet habe - vom Praktikant bis zum Leiter von persoenlich.com. Ich habe dich als Chef und Mensch sehr geschätzt - danke!
  • Pierre Rothschild, 02.09.2022 06:01 Uhr
    Lieber Matthias mit persönlich.com hast Du einen Leuchtturm in der Branche geschaffen, allgegenwärtig, immer präzise und klug. Dafür danke ich Dir von Herzen. In den nicht einfachen Zeiten zwischen Print und den neuen Technologien hast Du stets und immer kritisch und zuversichtlich die Branche beobachtet - und beraten. Du bist ein glänzender Autor und ein Unternehmer, der auch im kleinen Markt grosszügig denkt. Ich finde jeden Tag wichtige Informationen bei Dir. Wo immer ich bin. Danke für alles und ich wünsche Dir Kraft und Gesundheit für viele weitere persönlich-Jahre.
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