26.07.2022

Studie

False Balance stiftet Verwirrung

Eine Erhebung zeigt, dass falsche Ausgewogenheit die Fähigkeit der Öffentlichkeit beeinträchtigen kann, Fakten von Fiktion zu unterscheiden. Zudem könne es das Publikum dazu bringen, den wissenschaftlichen Konsens über Themen wie den Klimawandel anzuzweifeln.
Studie: False Balance stiftet Verwirrung
Jugendliche, die in der Schweiz für das Klima auf die Strasse gehen: Gemäss einer Untersuchung aus den USA kann False Balance Reporting beeinflussen, wie die Bevölkerung Herausforderungen wie den Klimawandel bewertet. (Bild: Keystone/Jean-Christophe Bott)

Die Medienberichterstattung über den Klimawandel und Covid-19 sind Beispiele für eine Medienpraxis, die in den USA «Bothsideism» genannt wird. Sie ist dadurch charakterisiert, dass Journalistinnen und Journalisten bestrebt sind, beide Seiten eines Problems gleichwertig darzustellen – selbst in Fällen, in denen sich die glaubwürdigsten Quellen auf einer Seite befinden. Das haben Medienforscher der Northwestern University herausgefunden.

Wissenschaft zählt nicht mehr

Bothsidesism, also «falsche Ausgewogenheit», auch als False Balance Reporting bezeichnet, kann die Fähigkeit der Öffentlichkeit beeinträchtigen, Fakten von Fiktion zu unterscheiden, und das Publikum dazu bringen, den wissenschaftlichen Konsens über drängende gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel anzuzweifeln.

Das Argument, dass der Klimawandel nicht vom Menschen verursacht werde, hat die grosse Mehrheit aller Wissenschaftler immer wieder widerlegt, doch viele Amerikaner glauben, dass die globale Krise entweder nicht real ist, nicht von Menschen verursacht wurde, oder beides – zum Teil, weil die Nachrichtenmedien den «Leugnern des Klimawandels» eine ausgedehnte Plattform im Namen einer ausgewogenen Berichterstattung gegeben haben, so die Forscher.

Verwirrspiel um Corona-Masken

Debatten über die Wirksamkeit des Maskentragens zur Verhinderung der Ausbreitung von Covid-19 seien ein weiteres relevantes Beispiel, so Forschungsleiter David Rapp. Ärzte seien sich weitgehend einig, dass es von Vorteil sei, aber die lauten Stimmen einiger weniger Menschen, die anderer Meinung seien, stifte unnötig Verwirrung.

Das Team hat Experimente durchgeführt, um zu testen, wie Menschen reagieren, wenn zwei Positionen zum Klimawandel als gleichermassen gültige Perspektiven dargestellt werden, obwohl eine Seite auf wissenschaftlicher Übereinstimmung beruht und die andere nicht. «Wenn beide Seiten eines Arguments gleichgewichtig präsentiert werden, glauben die Menschen weniger, dass der Klimawandel etwas ist, worüber sie sich Sorgen machen müssen», so Rapp.

Problemfälle ausgewogen zu präsentieren, könne eines von drei problematischen Ergebnissen auslösen: Zweifel daran, ob es einen Konsens gibt; Verwirrung darüber, was wahr ist; und eine Tendenz, die beschwichtigende Option zu bevorzugen. «Das heisst, jemand argumentiert, dass der Klimawandel nichts ist, worüber man sich Sorgen machen muss, also werde ich mir keine Sorgen machen.» Rapp und seine ehemalige Schülerin Megan Imundo empfehlen Journalisten, zu betonen, dass es eine breite Zustimmung von Wissenschaftlern zur Existenz des Klimawandels gebe, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. (pte/tim)

 



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