22.09.2004

"Fibo Deutsch, fordern Sie die Legalisierung der Schleichwerbung?"

Die Zeitschrift Gesundheit Sprechstunde (GES) wird ausgebaut und neu gestaltet. Im Zentrum steht eine engere Zusammenarbeit mit der gleichnamigen Sendung, deren Begleitmedium das Heft wird. GES wird daher aus dem Ringier-Zeitschriftenbereich ausgegliedert und gehört neu zu RinigerTV. Leiter Fibo Deutsch (rechts im Bild) und Zeitschriftenchef Alexander Theobald (links) haben in Domo, dem MitarbeiterInnenmagazin von Ringier, Stellung genommen. "persoenlich.com" bringt das Gespräch:
"Fibo Deutsch, fordern Sie die Legalisierung der Schleichwerbung?"

Herr Theobald, die Zeitschrift Gesundheit Sprechstunde schaffte es nie in die schwarzen Zahlen. Sind Sie froh, dieses Sorgenkind aus Ihrem Zeitschriftenbereich loszuwerden?

Alexander Theobald: Ja, ich freue mich darüber. Nicht, weil ich den Titel verliere. Aber dieser Entscheid bedeutet für Gesundheit Sprechstunde und damit für Ringier eine gute Zukunft.

Was bewog Sie, überhaupt über Veränderungen nachzudenken?

AT: Die Situation war wirtschaftlich unbefriedigend. Gesundheit Sprechstunde hat noch nie Geld verdient. Ausserdem herrschte Ringier-intern eine gewisse Unzufriedenheit mit der Ausrichtung des Produktes. Es kann ja nicht sein, dass man über 600'000 Leser erreicht, aber trotzdem rote Zahlen schreibt.

Fibo Deutsch: Für mich war da noch eine andere Motivation. Eine der Zukunftsstrategien von Ringier ist der Medienverbund. Wir spüren dieses Bedürfnis bei den Anzeigenkunden, Sponsoren und Werbern deutlich. Sie drängen alle nach neuen Werbeformen und -auftritten. Nicht mehr nur in Werbespots, sondern im Rahmen eines Auftritts im Fernsehen, ergänzt durch Print, Internet und andere Medienformen. Vor allem für grössere Kunden ist diese partnerschaftliche Plattform sehr interessant.

Sie haben eingehende Analysen und eine Marktforschung gemacht. Was haben diese ergeben?

AT: Dass die Leserinnen und Leser einen Fokus möchten auf die Bereiche Medizin, Gesundheit, Prävention und Therapie. Darum werden wir das Produkt in Zukunft auch schärfer auf diese Themen ausrichten …

FD: … und damit auch wieder näher an die Sendung bringen. Also näher an die Medizin, und das immer mit Nutzwert für den Leser.

Wieso konnte GES nicht im Zeitschriftenbereich bleiben und von dort aus näher mit der Sendung zusammenarbeiten?

AT: Das haben wir ja lange Zeit versucht, aber sind damit auf keinen grünen Zweig gekommen.

FD: Der Zeitschriftenbereich kann ja keine Verantwortung übernehmen für ein Heft, dessen Inhalt jemand anderer bestimmt. Zudem gibt es in einem Medienverbund ganz neue, zusätzliche Erlösarten. Zum Beispiel das Sponsoring.

Sponsoring in Medien kann aber auch heikel sein. Böse Zungen behaupten schon, GES werde jetzt zum PR-Blatt für Sponsoren und die Pharmaindustrie.

FD: Natürlich ist das heikel. Aber man darf bei diesem Thema auch nicht päpstlicher sein als der Papst. Diese Verbindungen gibt es im Printbereich schon lange. Wir sehen das Problem und packen es auch an. Bei Gesundheit Sprechstunde gibt es eine Inhaltsverantwortung, und die liegt bei der Chefredaktion. Das Rückgrat des Chefredaktors ist entscheidend, ob die Normen, die wir uns in den Redaktionsstatuten gesetzt haben, auch eingehalten werden.

Dennoch -- ausgerechnet Gesundheit Sprechstunde war ja erst kürzlich genau deswegen in den Schlagzeilen vieler Zeitungen.

FD: Das zeigt doch nur, dass wir ein gutes Gewissen haben. Alle Inhalte, die wir in der Sendung gebracht haben, waren journalistisch gerechtfertigt. Aber es ist auch klar, dass gewisse Werberichtlinien neu gezogen werden müssen, weil sich die Bedürfnisse völlig geändert haben. Das Schweizer Fernsehen bekommt praktisch jede Woche eine Beschwerde vom Bakom wegen Schleichwerbung. Und wenn Gottschalk in seiner "Wetten, dass …?"-Sendung ein Telekom-Handy hochhält, dann macht er das garantiert auch nicht gratis.

Sie fordern also sozusagen die Legalisierung der Schleichwerbung?

FD: Wir sind erst mal froh, dass jetzt eine öffentliche Diskussion über dieses Thema ausgelöst wurde. Und hoffen natürlich, dass die Werberichtlinien bald den heutigen Verhältnissen angepasst werden.

Was ändert sich denn nun konkret am Inhalt der Zeitschrift?

FD: Die Bereiche Beauty, Wellness, Ernährung und Kosmetik werden stark reduziert zugunsten jener Themen und Rubriken, die in der Sendung vorkommen. Zudem wollen wir den Ratgeberteil "Sprechstunde" stark ausbauen. Auch die Forschung wird ihren Platz im neuen Heft haben. Und natürlich alle möglichen Aktionen.

Heute hat GES bei einer Auflage von 83'000 etwa 600'000 LeserInnen. Hat die neue Redaktion irgendwelche Zielvorgaben erhalten? In konkreten Zahlen?

FD: Im ersten Jahr wollen wir die Auflage halten. Und dann sukzessive nach Möglichkeiten der Erhöhung zu suchen.

Wie wurde der Entscheid von den beiden Redaktionen aufgenommen?

AT: Ich hatte mit kritischen Stimmen gerechnet, aber die Reaktion war sehr positiv. Die Leute begreifen das als Chance.

FD: Auch in der Fernsehredaktion begrüsste der überwiegende Teil der Mitarbeiter diesen Schritt positiv.

Kommt es auch zu Kündigungen?

FD: … aber nicht zu Arbeitsplatzverlusten. Es gibt natürlich Leute, mit denen es im neuen Konzept nicht harmoniert. Aber es werden keine Arbeitsplätze gestrichen.

AT: Diejenigen, die ab jetzt die Verantwortung neu übernehmen, sollen auch entscheiden, mit wem sie planen und arbeiten wollen. Das halte ich für völlig legitim.

FD: Das gilt auch umgekehrt. Es sind nicht immer alle Mitarbeiter einverstanden. Gerade bei Leuten, die polarisieren wie Sämi Stutz.

Sämi Stutz ist ja sowas wie die graue Eminenz hinter Gesundheit Sprechstunde …

FD: …im positiven Sinn, das kann man schon so sagen. Sämi ist der Moderator und der Motor des Ganzen. Aber er ist und bleibt ein freier Mitarbeiter.

Bekommt er künftig auch mehr Einfluss auf die Zeitschrift? Mehr Mitsprache?

FD: Natürlich, die Themen im Heft sollen ja näher an jenen im Fernsehen liegen. Und diese Themen werden in gemeinsamen Konferenzen festgelegt. Aber er wird sicher nicht den Redaktoren über die Schulter schauen und einflüstern, was sie schreiben müssen.

Und was passiert nun mit dem bisherigen Chefredaktor Urs Padel?

AT: Urs wird das Heft weiterhin bis Ende Jahr verantwortlich leiten. Er war in diesem ganzen Prozess auch von Anfang an dabei und hat daran massgeblich mitgearbeitet. Ich werde in den nächsten Wochen die neuen Aufgaben von ihm definieren. Aber er wird sicher im Hause Ringier bleiben.


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