15.04.2019

Zukunft der Medien

«Für Onlinewerbung zahlt lokal kaum jemand»

Auch den Lokalzeitungen brechen die Werbeeinnahmen radikal weg. Fredy Haffner, Verleger vom «Höngger» und «Wipkinger» warnt, mittelfristig seien die Zeitungen in der Existenz bedroht. Er zapft nun neue Geldquellen an – etwa, dass Firmen direkt Artikel finanzieren.
Zukunft der Medien: «Für Onlinewerbung zahlt lokal kaum jemand»
Fredy Haffner ist Verlagsleiter der Quartierzeitung Höngg. (Bild: zVg.)

Herr Haffner, Sie schreiben, Ihre Zeitungen seien mittelfristig in der Existenz bedroht. Warum satteln Sie nicht einfach um auf digital?
Weil digital für uns als Lokalzeitung noch keinen vollwertigen Ersatz für die Printausgabe bietet. Und «Digital» löst auch nicht einfach alle Probleme. Meiner Ansicht nach übrigens auch für andere Zeitungen nicht: Für attraktive Inhalte ist online der gleich grosse Aufwand nötig wie im Print, allenfalls sogar mehr, da mit zusätzlichen Formaten gearbeitet werden muss wie zum Beispiel Video und Audio, um nur zwei zu nennen. Dazu kommt, dass für Onlinewerbung lokal kaum jemand zu zahlen bereit ist, jedenfalls nicht im gleichen Umfang wie im Print – und die Reichweite bei der Leserschaft wäre nicht die gleiche wie im Print – zumindest heute und bei uns noch nicht.

 Wie schlimm ist die wirtschaftliche Situation vom «Höngger» und «Wipkinger»?
«Schlimm» ist sie nicht, aber bedenklich. Wir konnten entgegen dem Branchentrend unsere Umsätze in den letzten acht Jahren halten, mussten dafür aber einiges an Mehraufwand betreiben. Seit letztem Sommer aber verzeichnen auch wir einen Einbruch im Bereich Inserate und Beilagen, was bei unserer Grösse schnell an die bescheidenen Reserven geht. Wenn man jetzt nichts unternimmt, ist die Zukunft ungewiss.

Bei welcher Ihrer beiden Zeitungen ist die Situation prekärer?
Beim «Wipkinger». Letztes Jahr, dem dritten Jahrgang, ist der Umsatz so eingebrochen, dass er sich nun im vierten Jahr erholen muss, sonst ist das Erscheinen ab 2020 nicht mehr gesichert. Das würden nicht nur wir, sondern auch die Leserschaft in Wipkingen und die in der Zeitung vertretenen Wipkinger Institutionen bedauern.

«Die Stiftungsfinanzierung gibt uns Rückhalt»

Wann werden Sie die Zeitungen schliessen müssen?
Die Einstellung des Titels «Höngger» im Print ist vorderhand kein Thema, da wir über unsere Stiftungsfinanzierung einen gewissen, allerdings nicht endlosen Rückhalt haben. Würde die Situation wirklich existenzbedrohend, würden sich in Höngg wahrscheinlich auch wieder Finanzen mobilisieren lassen wie damals, 2002, als der damalige Verleger aufhörte und engagierte Höngger extra die Stiftung Höngger Quartierzeitung gründeten, um den «Höngger» zu retten – «ganz Höngg» machte damals mit.

In einer Veranstaltung im Mai wollen Sie die Rolle der lokalen Printmedien als «vierte Gewalt» diskutieren. Was an demokratiepolitisch Wertvollem würde fehlen, wenn es den «Höngger» nicht mehr gäbe?
Als Beispiel: Die Stadt Zürich drückt sich seit Jahren, etwas an der prekären Verkehrssituation am Meierhofplatz zu unternehmen. Eines unserer Fokusthemen bot deshalb den Höngger*innen ganz konkret die Möglichkeit, ihre Ideen einzubringen: der Ausgabe lag ein «Bastelbogen» bei, auf dem unsere Leserschaft Vorschläge machte, wie der Verkehr entflechtet und besser organisiert werden könnte. Das ist konkret, was unser Leitbild vorgibt, nämlich «Identität zu vermitteln».

Und sonst?
Die 300-Meter-Schiessanlage auf dem Hönggerberg ist nicht bei allen beliebt. Wer sonst, ausser einer Quartierzeitung, würde sich einem solchen Thema annehmen?   

Was ist Ihre Überlebensstrategie: Wie wehren Sie sich?
Die externen und internen Kosten wurden bereits in den letzten Jahren radikal optimiert, diese Zitrone ist ausgepresst. Auf der Seite der Einnahmen gilt es, neue Angebote zu kreieren. Dazu zählte bereits die Lancierung eines lokalen, digitalen Branchenbuches oder die Angebote unserer Sparte «Höngger Kultur». Wir sind aber auch daran, neue Dienstleistungen für unsere Kunden respektive für das ganze Quartier anzubieten. «Journalismus muss sich von Inseraten lösen», hiess es neulich an einem Podiumsabend des «Tages-Anzeigers». Dem schliessen wir uns an – bloss, an was sich Journalismus neu «binden» soll, das heisst, wodurch er finanziert werden soll, ist noch offen.

«Artikel für Firmen müssen auch kritische Fragen zulassen»

Was für andere Finanzierungsquellen testen Sie?
Zum Beispiel, dass Firmen direkt Artikel finanzieren. Ähnlich, wie das auch beim Schweizer Fernsehen bei gewissen Sendeformaten gemacht wird. Bedingung dafür ist aber klar, dass wir redaktionell absolut frei sind und das Thema auch für uns und unsere Leserschaft relevant ist, sonst lehnen wir solche Anfragen ab.

Was für Sendungen beim SRF meinen Sie?
Zum Beispiel beim Format «Hinter den Hecken», wo als «unterstützt von» zwei Firmen genannt werden, oder «Glanz & Gloria», das zwei Sponsoren ausweist.

Und welche «Höngger»-Artikel werden von Firmen bezahlt?
Aktuell zum Beispiel eine Serie über Apotheken, welche die Rotpunkt-Apotheken finanzieren. Das Thema haben wir angenommen, weil wir es in diverse interessante Artikel unterteilen konnten, Themen wie «Geschichte der Apotheken» (allgemein und in Höngg), «Impfen in Apotheken (Pro und Kontra) – weitere zehn Themen folgen, und das sind alles keine PR-Artikel, sondern solche, welche auch kritische Fragen aufwerfen werden.

 


Die Quartierzeitung Höngg GmbH gehört zu 100 Prozent der Stiftung Höngger Quartierzeitung. Das Blatt setzt mit total drei Mitarbeitenden (total 250 Stellenprozente) einen mittleren sechsstelligen Betrag um.

Fredy Haffner hat die Fragen schriftlich beantwortet.


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KOMMENTARE

Hans Reding
17.04.2019 11:39 Uhr
Fredy Haffner's Gedankengang finde ich super. Die strahlenden Gesichter im Bild unter Ihrem Artikel machen Freude und stimmen mich zuversichtlich...
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