26.09.2016

Swiss Media Forum 2016

«Gebt den Snap-Auftrag den Praktikanten»

Die beiden freien Journalisten Eva Schulz und Richard Gutjahr sowie Michael Marti vom «Tages-Anzeiger» diskutierten über die Möglichkeiten, wie man Snapchat im Journalismus nutzen kann. Doch zuerst musste den Anwesenden das App-Handling erklärt werden.
Swiss Media Forum 2016: «Gebt den Snap-Auftrag den Praktikanten»
Beim Thema Snapchat sind sich die Journalisten uneins: Manuela Paganini, Michael Marti, Richard Gutjahr und Eva Schulz (v.l.). (Bild: eveni.to)
von Claudia Maag

Erst zögerlich, doch danach entschieden, gleiten die Arme nach oben. Im vollen Clubraum des KKL in Luzern sind mindestens ein Drittel der Hände in die Höhe gestreckt. Die Frage lautete, wer zwar Snapchat installiert hat, die App aber nicht regelmässig nutzt.

Somit wird an der Break-out-Session 1 vom Freitag gleich zu Beginn klar: Bevor man über Snapchat und das neue Storytelling diskutieren kann, muss erst erklärt werden, wie der Foto-Sharing-Dienst funktioniert (für alle Interessierten ist hier eine Anleitung, wie das kleine gelbe Gespenst funktioniert).

Von Jungen Journalisten Schweiz organisiert

Eva Schulz, freie Journalistin und Moderatorin, Richard Gutjahr, Journalist und Blogger sowie Michael Marti, Chefredaktor und Leiter Digital beim «Tages-Anzeiger» diskutierten am zweiten Tag des Swiss Media Forums 2016, was Snapchat für den Journalismus bedeutet. Moderiert wurde die Session von Manuela Paganini von den Jungen Journalisten Schweiz, welche kurzfristig für den erkrankten Matthias Strasser einsprang.

Als gutes Beispiel einer Snapchat Story wurde jene von Eva Schulz über Molenbeek (persoenlich.com berichtete) präsentiert. Die 26-Jährige war während des Lockdowns gerade in Brüssel.

Snapchat Story über Molenbeek von Eva Schulz

Michael Marti, darauf angesprochen, ob das Journalismus war, meinte: «Es war ziemlich kurz...» Aber dann zählt er auf: Es ist relevant, Aktualität ist drin, es gab keine Text-Bild-Schere, sie hat ihre Aussagen belegt und «hat vieles gemacht, was ich aus dem TV kenne.» Kurz: Ja, das sei Journalismus.

Man redet aneinander vorbei

Die darauf folgende Snapchat-Diskussion wirkte manchmal zu wenig geführt. Man fiel sich ins Wort und hörte sich gegenseitig nicht wirklich zu. Der Grund dafür ist wohl in der Zusammensetzung der Gäste zu suchen. Schulz und Gutjahr sind zwei Freie, die beide die App nutzen und begeistert sind. Marti, der mit Tamedia ein grosses Medienhaus repräsentiert, vertritt zwangsläufig eine andere Position. Man wünschte sich eine weitere Partei, die die App mit einem Aussenblick beurteilen kann.

Zudem hätte man sich überlegen können, ob ein Mini-Workshop, bei dem alle die App installieren und versuchen, einen kurzen Beitrag zu erstellen, nicht Sinn gemacht hätte.

Snapchat-Befürworter sind keine Traumtänzer

Doch dass die Befürworter keine Traumtänzer sind, zeigt folgendes: Eva Schulz hat für die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ein Snapchatformat für 14- bis 18-Jährige entwickelt. Am 1. Oktober startet das Projekt mit «über 20 Formaten» auf diversen Social-Media-Kanälen. 

Der pragmatische Lösungsansatz der Jungen lautet: «Gebt den Snap-Auftrag den Praktikanten», meint Schulz. Dies sei die erste App, die nicht zuerst Nerds für sich entdeckten, sondern Jugendliche hätten sich das erarbeitet.

Gutjahr fragt in die Runde, wer denn in fünf Jahren  wenn Snapchat DIE Plattform sei , snappen solle? «Jetzt muss man ausprobieren; es kostet ja auch nichts.» Er geht gar so weit, dass er einen Krieg der Talente vorhersieht. 

Tamedia-Vertreter als Spielverderber?

Sachlicher und vorsichtiger sieht es Marti. Es sagt selbst, er müsse hier ein bisschen den Spielverderber spielen, auch wenn er die Euphorie nicht grundsätzlich bremsen wolle. Problematisch ist zum Beispiel die Idee, via Geotracking Nutzer zu lokalisieren, die während eines Ereignisses Fotos machen. Falls die akkreditierten Journalisten an einer 0-8-15-Position und weit entfernt platziert werden, könnten die Fotos der Community beispielsweise für eine Fotogalerie genutzt werden. 

Marti bringt ein, dies könne rechtliche Probleme bergen und wenn die Snapchat-Community, wie am Freitag mehrfach gesagt wurde, ein intimer Nutzerkreis sei, dann sei die Verwendung dieser Bilder nicht unproblematisch. Der Leiter Digital wirkt schlussendlich nicht überzeugt, dass die App künftig für den «Tages-Anzeiger» eingesetzt werden wird, auch wenn er sagt: «In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die App für Medienportale relevant ist oder nicht.»

Immerhin: Ein Raum voller Digital Immigrants (vor 1980 Geborene) und gar Silver Surfer (ab 50 Jahren) setzt sich mit der Technik von Digital Natives langsam auseinander.



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