22.09.2019

Medienförderung

Gefährliche Droge oder verdienter Pay Back?

Statt am Swiss Media Forum diskutierte die Medienbranche ihre Zukunft im kleineren Rahmen. Am Podium zum «Wandel in der Branche» ging es primär um die Frage, was Fördergelder vom Bund für Auswirkungen haben. Google war nur am Rande ein Thema.
Medienförderung: Gefährliche Droge oder verdienter Pay Back?
Lukas Hässig, Kurt W. Zimmermann, Filippo Leutenegger, Nathalie Wappler und Peter Wanner beim Panel am Donnerstagabend in Zürich. (Bilder: Keystone-SDA/Gaëtan Bally)
von Edith Hollenstein

Ohne die Teilnehmer vorzustellen, steigt Filippo Leutenegger in die Diskussion. Der Moderator, der aktuell als Schulvorsteher der Stadt Zürich amtet, dürfte andere Proritäten haben oder inzwischen über soviel Routine in der Gesprächsführung verfügen, dass Vorbereitung und Formalismen überflüssig geworden sind.

Im folgenden rund stündigen Gespräch geht es primär um den Plan von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die Zeitungen über die Postzustellverbilligung sowie Onlinemedien stärker mit Geld zu unterstützen (persoenlich.com berichtete). «Diese 120 Millionen Franken stehen unserer Branche zu», sagt Kurt W. Zimmermann. «Wir, die Medien, haben die letzten 150 Jahre genug für dieses Land getan. Wir haben die Demokratie stabilisiert. Jetzt ist es Zeit für einen Pay Back (englisch für ‹Rückzahlung›)», sagt der «Weltwoche»-Kolumnist und frühere Chefredaktor des «Schweizer Journalist». Auch der Betrag in der Höhe von 120 Millionen sei gerechtfertigt. Der Bund gebe jährlich etwas weniger für Jugend und Sport oder das Rote Kreuz aus und genau so viel, also 120 Millionen Franken, für den Schweizer Wald.



Auch Peter Wanner spricht sich für Geld vom Bund aus. «Subventionen helfen uns, Print aufrechtzuerhalten und in Online zu investieren», sagt der AZ-Medien-Verleger. Auf den Einwand von Leutenegger, dass das ganz neue Töne seien, ergänzt Wanner: «Ich persönlich bin der Meinung, dass wir ohne Subventionen auskommen sollten. Doch auf übergeordneter Ebene spreche ich mich für Subventionen aus. Das Geld vom Bund wäre ein schöner Zustupf für die Verlage. Aber wir müssen auch existieren können, wenn dieses Geld nicht kommen sollte.»

«Gegen den Unternehmerstolz»

Ganz anderer Meinung ist Lukas Hässig. «Subventionen machen abhängig, müde und träge. Sie sind eine Droge, von der wir nicht mehr wegkommen», sagt der Wirtschaftsjournalist und Betreiber von «Inside Paradeplatz». Selbstverständlich bekäme er auch «gerne 50 Millionen vom Bund», «einfach so». Hingegen sei es «doch gegen jeden Unternehmerstolz», auf staatliche Unterstützung zu schielen.

Als die Runde auf die Schwierigkeit der gerechten Geldverteilung und die Kriterien dazu zu sprechen kommt, referiert Hässig auf das Bündner Baukartell. Wie im Engadin würden also die Verleger im Hinterzimmer Gelder untereinander verteilen. «Wo sind wir eigentlich?», ruft Hässig laut und energisch, so dass der Tonfall, schon fast seinem Nachnamen gleicht. «Zuerst reden wir von der hehren, staatstragen Aufgabe des Journalismus, wollen mit unseren Leistungen die Welt retten und dann solches Geschacher?», fragt er, ohne eine Antwort zu erwarten. Natürlich sei er als «Ein-Mann-Medienbude» in einer anderen Situation als die grossen Verlage. Aber er wehre sich gegen die Vorstellung, dass der Staat die Medien unterstützen soll. Es gebe genügend Geldgeber, wie beispielswiese das Projekt «Republik» zeige. Oder auch private Firmen, sagt Hässig – was das Publikum jedoch mit Stirnrunzeln quittiert.

Google nur am Rande thematisiert

SRF-Direktorin Nathalie Wappler, die bei diesem Podium wenig zu Wort kommt, sich dafür aber mittels Klarheit und Substanz der Aussagen von anderen Diskutanten abhebt, spricht sich deutlich für ein Nebeneinander zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten aus. «Für die demokratischen Prozesse und die Meinungsbildung in diesem Land reicht es nicht, wenn es nur die SRG gäbe.» Sie habe sich noch keine definitive Meinung dazu gebildet, doch auch sie nutze Onlinemedien und fände es grundsätzlich richtig, dass diese gefördert werden sollen. Wobei sie für sich noch nicht entschieden habe, ob es nun richtig sei, nur bezahlpflichtige Onlinemedien finanziell zu unterstützen.

Ob der vielen Details zur Ausgestaltung der Medienförderung erstaunt es, dass in der Diskussion zum Thema «Wandel in der Branche und Medienpolitik» Google erst ganz am Schluss und marginal zum Thema wird. Und Facebook sogar unerwähnt bleibt. Die Tatsache, dass mittlerweile Expertenschätzungen zu Folge zwei Milliarden Franken des rund vier Milliarden Franken grossen Schweizer Werbekuchens ins Silicon Valley abwandern, dürfte nämlich vielen Verlagen aktuell deutlich mehr zu schaffen machen.



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Kommentare

  • Victor Brunner , 21.09.2019 19:05 Uhr
    Zimmermann: Wir haben die Demokratie stabilisiert! Habe ich da etwas verpasst, war ein Putsch geplant? Nichts dergleichen, Zimmermann fällt einfach nichts besseres ein um den Griff in die Taschen der SteuerzahlerInnen zu rechtfertigen! Es ist ein Hohn und Peinlichkeit wenn die „freie“ Presse plötzlich zur schreibenden Landwirtschaft degeneriert. Mit dem Argument Zimmermanns könnte jeder Turnverein, jeder Rentnerclub oder Kegelverein Sozialhilfe vom Staat verlangen!
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