14.04.2004

"Herr Gilli, wieviel Geld brauchen Sie vom Staat?"

Künftig sollen die privaten Radio- und TV-Veranstalter rund 44 Mio. Franken Gebührengelder erhalten -- deutlich mehr als bisher. Ein Sender, der dabei leer auszugehen droht, ist TeleZüri. Dies, so Bakom-Direktor Marc Furrer, weil der Markt für eine Selbstfinanzierung des Zürcher Senders möglicherweise gross genug sei. Ganz anders sieht das Markus Gilli, Programmleiter und Chefredaktor von TeleZüri. Seine Replik:
"Herr Gilli, wieviel Geld brauchen Sie vom Staat?"

Bakom-Chef Marc Furrer fragt sich im "persoenlich.com"-Interview, ob TeleZüri Anspruch auf Gebührensplitting hat. Der Markt für eine Selbstfinanzierung sei möglicherweise gross genug. Was sagt die Praxis?

Die Praxis sagt genau das Gegenteil. Seit zehn Jahren schreibt TeleZüri regelmässig Verluste in Millionenhöhe und dies trotz eines grossen Erfolges im Zuschauer- und Werbemarkt und einem strikten Kostenmanagement.

Herr Furrer liegen die genauen Zahlen seit 1994 vor. Mitten in einem Gesetzgebungsprozess und noch vor dem Entscheid des Ständerates hat der Bakom-Chef deshalb wider besseres Wissen die Region Zürich zum Sonderfall erklärt. Dies ist politisch äusserst fragwürdig. Wir protestieren mit Nachdruck gegen die Lex TeleZüri. Um auf dem Medienplatz Zürich bestehen zu können, muss ein Regionalfernsehsender journalistische Qualität und Professionalität bieten.

Die Konkurrenzsituation lässt sich mit einer Randregion in keiner Weise vergleichen. Zu Recht hat der Bundesrat festgestellt, dass der Aufwand eines Veranstalters erfahrungsgemäss parallel zum Konkurrenzdruck steigt. Bei einer Verweigerung von Gebühren an TeleZüri müssten bei der Programmqualität daher massive Abstriche gemacht werden. Da TeleZüri die Lokomotive im Zug der Regional-TV-Sender ist, würde mit dem Sonderfall Zürich die gesamte Branche geschwächt werden.

Wieviel Geld brauchen Sie denn vom Staat, um den Betrieb Ihres Senders aufrechterhalten zu können?

Wir verlangen eine Gleichbehandlung mit den anderen Regionalsendern. Über den Verteilungsschlüssel (z.B. nach Reichweiten) muss noch diskutiert werden. Der Gesetzgeber will mit dem Gebührensplitting kein eigenes Fernsehen für das Schächental ermöglichen. Mit dem neuen RTVG geht es nicht primär um Geldinfusionen für Bergtäler und Randregionen. Das Parlament will mit grosser Mehrheit einen kleinen Ausgleich zur Übermacht der SRG schaffen.

Ohne Gebühren auch keine Programmauflagen, lockt Furrer. Wie viele Kompromisse machen Tele Züri für Geld?

TeleZüri muss keine Kompromisse für Geld machen. Wir bieten pro Tag 25 Minuten Nachrichten, aktuelle Talks, Magazine, ausführliche Wahl- und Abstimmungssendungen und eine professionelle Berichterstattung über alle wichtigen Ereignisse in der Region. Service Public für rund 500'000 Menschen pro Tag im Grossraum Zürich. Zudem verzichten wir, im Unterschied zu gewissen anderen Regionalfernsehsendern, auf Erotikprogramme. Wir erfüllen damit schon heute alle Programmauflagen für ein Anrecht auf Gebühren.

Mit dem durch Herrn Furrer postulierten Sonderfall Zürich müssten wir Kompromisse für Geld machen und die Newsleistung und Programmqualität reduzieren. Ist es wirklich im Sinne des Bakom-Chefs, wenn journalistische Inhalte durch telefonierende Damen mit wenig Stoff am wohlgeformten Körper ersetzt werden?

Wie gross schätzen Sie die Gefahr ein, dass Sender zu tiefe Einnahmen ausweisen, um an Bundesbeiträge zu kommen?

Das kann ich nicht beurteilen. Sollte man aber nur in völliger Schwäche und bei einem totalen Misserfolg im Zuschauer- und Werbemarkt an den Gebührentopf zugelassen werden, bestünde diese Gefahr sicherlich. Der Bundesrat hat aber klar gesagt, dass das Gebührensplitting nicht an ein Defizit des Veranstalters gebunden ist. Deshalb müssen auch die grösseren Regional-TV-Sender in den Agglomerationen unterstützt werden.

Leistung und Qualität müssen auch durch Gebühren -- übrigens keine Staatssubventionen, sondern das Geld der Radio, und TV-Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz ! -- belohnt werden, wie bei der SRG. Die SRG erhält über eine Milliarde Franken an Gebühren pro Jahr mit dem Hauptargument, dass sie stark im Kampf gegen die ausländische Konkurrenz sein soll. Für TeleZüri soll dieses Argument mit einer Konkurrenz von über 40 Sendern im Zürcher Kabelnetz nicht gelten?

Was sagen Sie dazu, dass Sender wie Tele Ticino angeblich Millionen-Beträge bekommen sollen?

Ich mag Herrn Lombardi das Geld von Herzen gönnen -- er hat ja auch viel in das Lobbying investiert und betreibt dieses meisterhaft. Schon heute erhält Tele Ticino pro Jahr die ansprechende Summe von 921'500 Franken an Gebühren. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass der Kanton Tessin im Bereich der elektronischen Medien überversorgt ist. Die SRG betreibt für nur einen Kanton zwei TV-Kanäle. Sollte die Gebührengiesskanne im Tessin die grössten Löcher haben, wäre dies sehr schwer verständlich.


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