19.03.2003

"Heute machen wir mit weniger Leuten eine bessere Zeitung"

Cash ist als Wirtschaftszeitung vom Konjunktureinbruch besonders stark betroffen. Der Titel hat in den vergangenen 18 Monaten denn auch zahlreiche Veränderungen erfahren, so etwa eine thematische Re-Fokussierung auf Wirtschaftsthemen verbunden mit der Abkehr vom Vierbund-Konzept. Dirk Schütz (Bild) ist seit dem 1. Mai 2002 Chefredaktor des Ringier-Blatts. "persoenlich.com" hat sich mit ihm über die Stimmung auf der Redaktion, über den Wirz-Artikel und über die Zukunft seiner Zeitung unterhalten. Das Interview:

Sie sind seit bald einem Jahr im Amt. Wie sind Sie mit dieser Zeit zufrieden?

Meine Hauptaufgabe war es zunächst, die redaktionelle Qualität zu steigern. Das ist nach Meinung vieler Beobachter gelungen. Heute finden sich zum Beispiel viele Konzernchefs als Interviewpartner, die wir zuvor nicht im Blatt hatten. Diese Qualitätssteigerung fand in einer schwierige Zeit statt: dramatischer Börseneinbruch, angespannte Lage im Anzeigenmarkt, schlechte Konjunktur. Dazu kamen ein paar hausgemachte Probleme.

Welche?

Lange vor meiner Zeit wurde Cash zur Zeitung mit vier Bünden umgebaut. Nach der Streichung eines Bundes wurde Anfang 2002 eine fokussiertere Ausrichtung als reine Wirtschaftszeitung beschlossen. Diese klarere Neu-Positionierung war meine Aufgabe. Dieser Prozess hält an: So haben wir zu Jahresbeginn die Lifestyle-Berichterstattung stark reduziert.

Die Stimmung auf der Redaktion wird von verschiedenen Quellen als "schlecht" bezeichnet. Spüren Sie das?

Nennen Sie mir eine Redaktion, in der die Stimmung bei der jetzigen Branchenlage gut ist. Cash hat zwei massive Sparrunden hinter sich, eine davon vor meinem Stellenantritt. Die fetten Jahre sind vorbei: Unsere Anzeigenkunden kommen naturgemäss vor allem aus den Branchen IT, Finanzen und Automobil. Davon hat sich nur letztere gut gehalten. Da braucht man dann weniger Leute, weswegen es vergangenen Herbst zu Entlassungen in der Produktion kam. Heute machen wir mit weniger Leuten eine bessere Zeitung. Dass die sich weiter verschlechterte Wirtschaftslage seit Jahresbeginn die Stimmung nicht hebt, versteht sich von selbst.

Der Artikel vom 28. Februar über die Agentur Wirz wies gemäss Aussagen des dortigen Kaders mehr als zwanzig Fehler auf. Wie konnte es dazu kommen?

Da steht Aussage gegen Aussage. Wir stehen zu diesem Artikel. Es mag den einen oder anderen Diskussionspunkt geben, doch bestreiten wir ganz klar, dass er über zwanzig Fehler enthält. Jost Wirz hat im übrigen bis heute weder Korrektur noch Gegendarstellung in unserer Zeitung gefordert. Das spricht eigentlich für sich.

Bis Mitte März erhielt man Cash am Kiosk zum Aktionspreis. Insider wollen wissen, dass die Auflage eingebrochen ist. Was werden Sie sonst noch gegen den Leserschwund tun?

Fragt sich, was man unter "Einbruch" versteht. Es gibt sicherlich Rückgänge, die liegen aber im Branchendurchschnitt. Das werden wir auch bei der Beglaubigung sehen. Die Reichweite von Cash ist im übrigen noch immer höher als Handelszeitung und Finanz & Wirtschaft zusammen. Zudem stimmt uns die erste Welle der MACH positiv, was unsere Leserschaftszahlen betrifft. Auch Abo und EV-Zahlen sind stabil, und wir sind überzeugt, 2004 auch dort einen positiven Trend aufzuweisen. Um eine Abwanderung der Leserschaft zu verhindern, kann es nur eine Massnahme geben: Wir müssen die Zeitung einfach noch besser machen. Unsere Positionierung ist ganz klar: eine wöchentliche, gut recherchierte und personalisierende Wirtschaftszeitung . Wir wollen die Referenzzeitung der Schweizer Wirtschaft sein. Man könnte im Moment nichts Schlimmeres machen, als schon wieder vom eingeschlagenen Kurs abzuweichen. Dabei wollen wir den "Anti-Wirtschafts"-Ton endgültig hinter uns lassen. Unser Credo ist es, ein "kritischer Sympathisant" der Wirtschaft zu sein.

Die Kiosk-Aktion war also umsonst?

Nein, im jetzigen Umfeld muss man alles versuchen. Die Aktion war ja auch gekoppelt an eine neue Werbekampagne. Insofern ist das nichts Spektakuläres, das machen viele Zeitungen so.

Wann erwarten Sie die nächste grosse Sparübung?

Zur Zeit kann kein Manager ausschliessen, dass gespart werden muss. Wir sind da wie andere Verlage: Wir betrachten die wirtschaftliche Lage, und fragen uns, was sie für uns bedeutet. Der Evaluationsprozess läuft also, das ist vollkommen normal. Ob und wo allenfalls gespart wird, ist aber noch nicht entschieden. Das ist von der Konjunktur abhängig.

Cash ist für Ringier derzeit keine Cash-Cow. Wie lange werden Geduld und Schnauf an der Dufourstrasse reichen?

Da müssten Sie Michael Ringier direktfragen, denn entscheiden muss natürlich der Verleger. Nach dem, was ich höre, ist er immer noch überzeugt von Cash. Unser Vorteil ist, dass wir sehr klar positioniert sind. Für eine gut gemachte wöchentliche Wirtschaftspublikation wird es in der Schweiz immer einen Markt geben.

Der wirtschaftliche Erfolg spricht allerdings eine andere Sprache.

Der Widerspruch zum Erfolg erklärt sich mit dem ökonomischen Niedergang. Wir haben vom Boom überproportional profitiert, umgekehrt trifft uns die Krise jetzt auch härter. Man denke nur an all die Aktienkäufer, die jetzt ausgestiegen sind. Wenn es aber wieder aufwärts geht, wird der Hebeleffekt für uns wieder entsprechend grösser sein.Das bestätigen auch die Signale aus dem Anzeigenmarkt.


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