29.06.2016

Birgit Schmid

«Ich habe ihnen immer versprochen: Keine Homestory»

Die NZZ-Kolumnistin Birgit Schmid hat ein Buch über das Verhältnis von Menschen zu Katzen geschrieben. Im Interview spricht sie über das freiere literarische Schreiben und über Ironie als Stilmittel. Zudem sagt sie, was ihre beiden Katzen vom Buch halten würden.
Birgit Schmid: «Ich habe ihnen immer versprochen: Keine Homestory»
von Sonja Gambon

In Ihrer Kolumne «In jeder Beziehung» in der NZZ schreiben Sie hauptsächlich über zwischenmenschliche Beziehungen. Ihr Buch handelt nun von Katzen. Weshalb?
Mich interessiert jede Art von Beziehung, unser Verhältnis untereinander und zur Welt, in der wir leben. So sagt auch die Beziehung zu unseren Haustieren viel über uns selber aus. Tiere helfen uns im besten Fall, uns selbst zu erkennen. Sie besetzen Leerstellen, speichern die Gefühle, die wir an sie richten: was uns gerade beschäftigt, wie wir lieben oder trauern, wonach wir uns sehnen. Stirbt zum Beispiel ein Haustier, kann sich die Trauer plötzlich ausweiten auf alle Verluste, die man je gemacht hat. Man trauert ein Stück weit auch um sich selbst. Zudem gestalten Haustiere auch die Beziehung der Menschen untereinander, die in einem Haushalt leben.

Der Titel Ihres Buchs lautet «Lieben mich meine Katzen?». Was ist Ihre Antwort?
Natürlich tun sie das. Ich komme nach Hause, sie kommen zur Tür geeilt und legen sich hin, damit ich sie streichle. Sie suchen meine Nähe, auch wenn sie satt sind. Es stimmt also nicht, dass Katzen die Liebe demjenigen schenken, der sie gerade füttert. Sie stupsen ihren Kopf an den meinen, rollen sich auf dem Schoss ein. Das würden sie mit Fremden nie tun. Nun kann man sagen: Schwierig, ein Konzept wie Liebe auf Tiere anzuwenden. Aber der Alltag bietet genügend Beispiele, die zeigen, dass Katzen die Menschen auswählen, die sie mögen.

Sie waren bei «Das Magazin» und arbeiten jetzt für die «NZZ». Wie verändert sich das Schreiben von Journalismus zu Literatur?
Mein Buch ist nicht Literatur-Literatur. Manche Themen ging ich ganz journalistisch an. Sprachlich fühlte ich mich aber tatsächlich freier, ich brauche mehr Ironie als Stilmittel und dichte meinen Katzen auch mal zielgerichtetes Verhalten an. Ich erzähle Geschichten. Aber das tue ich eigentlich auch als Journalistin. Auch da liegt mir viel an der gestalteten Sprache.

In Ihrem Buch ergründen Sie das Verhältnis zwischen Katzen und Menschen. Was war Ihre erstaunlichste Erkenntnis?
Wie sehr Katzen - oder Tiere allgemein - Menschen helfen können, denen es nicht gut geht. Zum Beispiel, als ich ein Heim für Demenzkranke besuchte und sah, wie der Kater dort die Bewohner für einen kurzen Moment mit der Gegenwart verbindet. Der positive Effekt von Haustieren auf die Psyche ist wissenschaftlich erwiesen, deshalb wird auch mit Hunden und Katzen und anderen Tieren therapiert. Sie sind ein Trost, eine Freude – was auch, wenn es extrem wird, seine Schattenseiten hat, wie mir ein Tierarzt anschaulich erzählte.

Sie haben Germanistik und Kunstgeschichte studiert und ergründen nun die Seele von Katzen. Was befähigt Sie dazu?
Ich weiss nicht, ob ich ihre Seele ergründe, falls man das überhaupt so nennen kann. Ich sage stattdessen: Katzen sind die Seele des Zuhauses. So hat es Jean Cocteau genannt. Um über Katzen zu schreiben, braucht es Beobachtungsgabe und natürlich das Interesse an und die Liebe zu ihnen – und Fantasie, denn ich bin es, die meinen Katzen Gefühle zuschreibt.

Das Buch ist illustriert mit Porträts von berühmten Persönlichkeiten mit ihren Katzen. Wie wurden diese ausgewählt? Welches Paar hat Sie am meisten beeindruckt?
Wendelin Hess vom Echtzeit Verlag hat zusammen mit der Bildagentur Keystone eine grosse Bildrecherche zu berühmten Menschen mit ihren Katzen gemacht. Da stösst man auf unzählige Schriftsteller, Schauspielerinnen und Politiker, die Katzen hielten oder noch halten. Mein Lieblingsbild - es ist nicht im Buch – zeigt, wie sich Audrey Hepburn und George Peppard am Schluss von «Breakfast at Tiffany's» im strömenden Regen küssen, zwischen ihnen eingeklemmt ist ihre rote Katze, sie ist wie aufgehoben zwischen ihren Körpern. Es ist das Bild einer Dreiecksliebesbeziehung. Darauf spreche ich als Romantikerin an.

In einem Kapitel schreiben Sie, wie manche Flüchtlinge ihre Katze mit auf die Flucht mitnehmen. Welche vielleicht nicht so alltäglichen Themen greifen Sie sonst noch auf?
Ich begleitete eine Firma am Flughafen Kloten, die die zwei Katzen von Expats hier in der Schweiz nach LA verfrachtete. Das Paar kehrte in die Heimat zurück, und in dieser Situation scheut man dann oft keinen Aufwand und keine Kosten. Dann besuchte ich eine Züchterin im Emmental, die gegen dreissig Norwegische Waldkatzen hält. Und natürlich erzähle ich auch ein paar Abenteuer mit meinen Katzen.

Welche Kritik würden Sie wohl von Ihren beiden Katzen für das Buch erhalten?
Ich habe ihnen immer versprochen, dass es kein Bild von mir mit ihnen in der Badewanne geben wird, wenn das Buch mal draussen ist. Keine Homestory, keine Fotos. Da sie, wie gesagt, keine Fremden mögen, sind sie mir dafür bis heute dankbar. Ich glaube, der Rest ist ihnen egal.

Der Roman «Lieben mich meine Katzen?» von Birgit Schmid erschien im Echtzeit Verlag. Die Vernissage findet am 30. Juni im Kaufleuten Zürich statt, das Gespräch mit Birgit Schmid führt Peter Schneider: http://www.kaufleuten.ch/event/buchvernissage-birgit-schmid/



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