02.06.2017

NZZ am Sonntag

«Ich habe keine Leichen im Keller»

Aufatmen bei der «NZZ am Sonntag»: Mit der Ernennung von Luzi Bernet als Chefredaktor gibt es keinen Super-Chefredaktor. Eine engere Zusammenarbeit mit der «Neuen Zürcher Zeitung» sei aber nicht vom Tisch, sagt Luzi Bernet. Im Gegenteil.
NZZ am Sonntag: «Ich habe keine Leichen im Keller»
Führt ab Herbst 2017 die «NZZ am Sonntag»: Luzi Bernet. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Herr Bernet, Sie sind neuer Chefredaktor der «NZZ am Sonntag». Welche Gratulation hat Sie überrascht?
Ich bin extrem erfreut und überwältigt. Was seit Dienstagmittag passiert, ist einfach einzigartig. Dass sich so viele Leute für meine Wahl zum Chefredaktor der «NZZ am Sonntag» interessieren, freut mich sehr.

Haben auch Ihre Kinder gratuliert?
(lacht). Meine Kinder waren schon vorher informiert.

Lesen sie überhaupt noch Zeitungen wie die NZZ oder die NZZaS?
Meine Kinder sind schon erwachsen, resp. fast erwachsen. Sie nehmen sehr rege Anteil an mir, meinem Leben, meinem Beruf und natürlich sind sie auch politisch sehr interessiert. Und natürlich haben sie NZZ-Abos, von mir spendiert. (lacht)

Über Sie ist uns kein Skandal bekannt, auch gab es in Ihren 27 Jahren im Journalismus keinen Presserats- oder Gerichtsentscheid, in den Sie verwickelt waren: Sind Sie ein «Muster-Journalist»?
Ich habe, soweit ich weiss, tatsächlich keine Leichen im Keller. Daneben sollte man jedoch Journalisten nicht unbedingt danach beurteilen, ob sie im juristischen Sinne eine reine Weste haben. Es gibt manchmal ehrenwerte Gründe, vertrauliche Dokumente zu publizieren. Journalisten können durchaus in Konflikt mit der Juristerei geraten. Mir ist das zwar bislang nicht passiert. Aber wie gesagt: Ich verurteile keinen Journalisten, der wegen seiner Arbeit schon einmal eine Busse kassiert hat, wenn er triftige Gründe dafür hatte.

Sie scheinen nicht viele Ecken und Kanten zu haben. Gibt es dennoch Dinge, die Sie auf die Palme bringen?
Klar, gibt es viele Dinge, über die ich mich aufrege. Insgesamt bin ich jedoch ein ausgeglichener Mensch.

Sie seien eine «integrative Führungspersönlichkeit», schreibt der NZZ-Verwaltungsrat. Was sind Sie für ein Chef?
Ich hatte in meiner Karriere eigentlich immer Aufgaben, bei denen man Leute oder Kulturen zusammenbringen musste. Ich glaube zudem, dass ich gut darin bin, Talente zu entdecken, sie zu fördern und zu Höchstleistungen zu bringen.

Welche Talente braucht die «NZZ am Sonntag»?
Diese Zeitung braucht gestandene, hervorragende Journalisten mit einem guten Spürsinn und intellektueller Neugier. «Gestanden» bedeutet nicht zwingend «gestanden an Jahren», das können auch ganz junge Journalisten sein. Sie müssen einfach höchsten professionellen Ansprüchen genügen und hervorragende Autoren sein.

Was ist Ihr wichtigstes Ziel?
Wichtig ist, dass wir die beispielhafte Erfolgsgeschichte weiterschreiben können. Nur schon dieses Niveau zu halten, geschweige denn, es zu verbessern, ist anspruchsvoll.

Das tönt jetzt etwas gar bescheiden. Sie haben bestimmt Pläne, was Sie noch besser machen wollen.
Es hat sich vieles geändert. Früher, in den Anfangsjahren der NZZaS, machte die Sonntagszeitung gewisse Dinge – beispielsweise Investigativjournalismus oder Blattmacherei –, welche die Tageszeitung nicht gemacht hätte. Mittlerweile sind diese Bereiche nicht mehr klar abgegrenzt. Unsere Aufgabe ist es, das Konzept Sonntagszeitung intelligent weiterzuentwickeln. Hinzu kommt die digitale Herausforderung. Hier müssen wir das, was die «NZZ am Sonntag» in den letzten Monaten aufgebaut hat, weiterentwickeln und die Zeitung weiter in die digitale Zukunft führen. Das ist kompliziert und schwierig, doch hier müssen wir einen Schwerpunkt setzen.

Welchen Stellenwert hat das?
Heute wollen die Leute die «NZZ am Sonntag» nicht mehr einfach nur auf Papier, sondern überall konsumieren. Auf dem Smartphone, auf dem Tablet, zuhause, unterwegs oder im Büro – vielleicht sogar auf der Apple-Watch. Da müssen wir dranbleiben. Zudem muss die «NZZ am Sonntag» in den sozialen Netzwerken eine sehr starke Rolle spielen.

Aktuell sind Chanchal Biswas, Nicole Althaus, Alain Zucker und Francesco Benini in der Chefredaktion. Wer wird unter Ihnen dazu gehören?
Ich trete meine Stelle an mit diesem Team. Bevor ich zuverlässige Aussagen machen kann, muss ich wissen, ob diese Leute überhaupt mit mir zusammenarbeiten wollen. Ich habe nicht vor, ein Team von aussen zu importieren.

Wenn man Sie so reden hört in ausgeprägtem Zürich-Dialekt: Denken Sie, dass dies ein Vorteil war gegenüber Ihren Konkurrenten? Keiner der im Vorfeld gehandelten Kandidaten Benini, Hollenstein oder Biswas ist Zürcher.
Das habe ich mir noch gar nie überlegt. Vielleicht hat tatsächlich eine Rolle gespielt, dass ich durch und durch Zürcher bin. In meiner grauen Familienvorgeschichte gab es sogar einige NZZ-Verwaltungsratspräsidenten. Ich habe die NZZ also ein wenig in meinen Genen.

Was dürfte den Ausschlag gegeben haben für Ihre Wahl?
Für den genauen Grund müssten Sie Etienne Jornod fragen. Aber wichtig war bestimmt, dass ich sowohl die NZZ als auch die NZZaS kenne. Bei beiden habe ich etwa gleich lang gearbeitet. Zudem war ich bei der NZZ auch für Digitales verantwortlich, dies sind wahrscheinliche Gründe für meine Wahl.

Wie steht die NZZaS wirtschaftlich da? Kennen Sie die Zahlen?
Die «NZZ am Sonntag» ist ökonomisch hervorragend aufgestellt. Sie rentiert und bringt einen wunderbaren Deckungsbeitrag fürs Haus.

Müssen Sie trotzdem sparen?
Sparen muss man immer. Ich habe noch nie eine Redaktion gesehen, bei der das nicht der Fall war. Die Zeiten von Spesen in Saus und Braus, vom Umherreisen in der ganzen Welt, sind vorbei, wenn es sie je gegeben hat. Auf die Kosten schauen ist eine dauernde Aufgabe. Erfreulicherweise hat die NZZ ein Management und einen Verwaltungsrat, der weiter bereit ist, in die Publizistik zu investieren.

Auch wenn das Thema Super-Chefredaktion nun vom Tisch ist: Sind Sie trotzdem angehalten, in gewissen Bereichen mit der NZZ-Tageszeitung zusammenzuarbeiten?
Ja, natürlich! Der Verwaltungsrat sagt klar, dass die beiden Zeitungen publizistisch unabhängig sind, und einen eigenen Kurs fahren können, dennoch ist unser Auftrag klar: Wir müssen Synergien suchen und diese nutzen.

Wo zum Beispiel?
Ganz konkret kann ich das noch nicht sagen. Aber es geht um diejenigen Bereiche, bei denen man dem Endprodukt nichts anmerkt. Im Einzelfall muss man immer entscheiden: Nützt es dem publizistischen Profil oder schadet es dem publizistischen Profil.

Nützt beispielsweise ein eigenes Ausland-Ressort dem publizistischen Profil einer Zeitung?
Wir sparen da, wo es den Leser nicht tangiert. Ob das bei Ressorts der Fall ist, weiss ich nicht. Ich muss solche Fragen Punkt für Punkt anschauen und mit den Leuten zusammen Lösungen entwickeln.



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