Ja oder Nein? Was die Zeitungen Lesern empfehlen

No Billag - Artikel, Analysen und Interviews: Die Zeitungen in der Schweiz beleuchten seit Wochen verschiedene Aspekte von «No Billag». Doch von welchem Standpunkt aus tun sie das? Während der Tagi die Nein-Position einnimmt, befindet sich die NZZ noch in der «Meinungsbildung».

von Michèle Widmer

Seit Wochen vergeht kein Tag an dem die Schweizer Medien nicht über die No-Billag-Initiative berichten. Als einer der ersten Chefredaktoren Stellung bezogen hat Christan Dorer von der Blick-Gruppe. Anfang November wandte er sich in einem Videokommentar und einer klaren Botschaft an die Leserinnen und Leser: «Wir dürfen die SRG nicht zerstören.» «SonntagsBlick»-Chef Gieri Cavelty blies zum selben Zeitpunkt ins selbe Horn und sagte in einem Kommentar «no way» zu «No Billag». Allzu überraschend kommt diese Positionierung aufgrund der Nähe von SRG und Ringier nicht. Die beiden Unternehmen betreiben zusammen mit der Swisscom die Werbevermarkterin Admeira.

«Die Haltung der Redaktion wird durch den Chefredaktor der Blick-Gruppe bestimmt», sagt Ringier-Sprecherin Manuela Diethelm gegenüber persoenlich.com. Dorer selbst konkretisiert diese auf Anfrage: «Die Blick-Gruppe vertritt in ihren Kommentaren die Meinung, dass ein Ja zu No Billag zum grossen Schaden wäre für die Schweiz.» Der Service Public bestehe in seinem Kern aus der Aufgabe, Programme und Sendungen zu produzieren, die für die Schweiz – mit ihrer Diversität und Mehrsprachigkeit – wichtig sind und die sich von privaten Radio- und Fernsehsendern nicht realisieren lassen. Eine Annahme der No-Billag-Initiative würde die Zerstörung der SRG bedeuten.

NZZ noch in der «Meinungsbildung»

Eine andere Meinung vertritt Eric Gujer, Chefredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung». Mitte Dezember sorgte er mit dem Kommentar auf der Frontseite für Aufruhr (persoenlich.com berichtete). Seine Botschaft: «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien». Es brauche keinen Staatsfunk, um in jedem Haushalt die «richtige» Nachrichtenquelle sicherzustellen», schrieb er. Streamingdienste wie Netflix würden hochwertige Inhalte produzieren, «bei denen ein behäbiger Staatssender nicht mithalten kann.»

Angesprochen darauf, ob er am 4. März ein Ja oder ein Nein in die Urne legen wird, sagte Gujer im Interview mit persoenlich.com: «Die Wahl wird mir schwerfallen.» Obwohl sechs Wochen vor der Abstimmung alle Fakten auf dem Tisch liegen, scheint sich die NZZ noch immer nicht entschieden zu haben. «Die Meinungsbildung ist noch nicht abgeschlossen», sagt NZZ-Sprecherin Michèle Ramò angefragt auf die Parolenfassung der Redaktion. Sobald ein Entscheid getroffen sei, werde die Zeitung diesen veröffentlichen. Wann das sei, sei aber noch offen.

Etwas klarer, aber dennoch nicht bedingungslos fällt der Entscheid bei der «NZZ am Sonntag» aus. «Nein, aber» lautet die No-Billag-Parole der Redaktion laut der Sprecherin. Die SRG erbringe für das Land eine wichtige Leistung, die es ohne sie nicht gäbe, so die Meinung bei der NZZaS. Darauf folgen jedoch einige Forderungen in Richtung SRG: Sie habe sich zu stark ausgebreitet und müsse sich verschlanken. Das Angebot brauche einen stärkeren Fokus auf die Information. Zudem müsse die Abgabe weiter sinken und im Internet habe sich die Organisation Zurückhaltung aufzuerlegen, weil sie private Anbieter konkurrenziere, die ohne Gebühren auskämen.

Tagi, BZ und «Bund» sagen Nein

Am Sonntag äusserte sich Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser zu «No Billag». In einem Kommentar in der «SonntagsZeitung» konnte er sich zu einem Nein durchringen (persoenlich.com berichtete). Die SRG liesse sich zu grossen Teilen durch privates Fernsehen ersetzen. Dennoch sei die Initiative schlecht für das Land, schreibt er in der aktuellen Ausgabe. Die SoZ-Redaktion als Ganzes beziehe grundsätzlich nie Position bei Abstimmungen, sagt Tamedia-Sprecherin Nicole Bänninger. Auch so handhabe das die Gratiszeitung «20 Minuten».

Anders ist das traditionellerweise beim «Tages-Anzeiger». Vor Abstimmungen stimmt die Redaktion jeweils über ihre Position ab. In Bezug auf «No Billag» kam bei dieser Sitzung ein Nein heraus, wie Bänninger mitteilt. Auch «BZ Berner Zeitung» und «Der Bund» würden die Initiative zur Ablehnung empfehlen.

Keine Parole gefasst haben die «az Nordwestschweiz» unter Chefredaktor Patrik Müller sowie die «Watson»-Redaktion unter Maurice Thiriet. «Grundsätzlich stehen AZ Medien für eine neutrale und ausgewogene Berichterstattung. Je nach Thema kann es fallweise zu Tendenzen kommen», sagt AZ-Sprecherin Monica Stephani.

VSM verlangt Offenheit der SRG

Bisher noch keine Position bezogen hat der Verband Schweizer Medien (persoenlich.com berichtete). «Die Verleger wollen von der SRG ein klares Commitement, dass sie zu Veränderungen bereit ist und auf die Anliegen der Verleger eingeht. Bis jetzt ist dies nicht geschehen», sagt VSM-Direktor Andreas Häuptli auf Anfrage von persoenlich.com. Diese Offenheit sehe man nicht als Voraussetzung für eine Parole zur No-Billag-Abstimmung, sondern im Sinne eines Vertrauensaufbaus für ein längerfristiges Nebeneinander. Es sei an der SRG hier ein Zeichen für den Willen zur Selbstbeschränkung zu setzen.

Für Häuptli ist es fraglich, ob es eine Parole des VSM überhaupt braucht. «Die Redaktionen in den einzelnen Häuser haben ihre Position bezogen und richten diese auch nicht nach dem Verband», sagt er. Die Verleger würden eine Haltung vertreten, liessen den Redaktionen aber ihre Unabhängigkeit und betrieben keinen Konzernjournalismus.