Die SRG würde heute nicht mehr erfunden werden, so NZZ-Chefredaktor Eric Gujer am Samstag im Frontartikel mit dem Titel «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien». «Sie ist das Kind einer Zeit, in der Hitler und Stalin die neue Radiotechnik nutzten, um ihre Propaganda zu verbreiten, und ein demokratischer Staat wie die Schweiz mit dem Konzept der geistigen Landesverteidigung antwortete.» Die SRG wolle so bleiben, wie sie ist. «Sie ist der einzige Dinosaurier, der jeden Tag verkündet, die Evolution gebe es nicht. Sie will uns einreden, Dinosaurier lebten ewig und kleine, flinke Säugetiere hätten nie eine Chance», schrieb Gujer weiter.
Linke und Medienministerin Doris Leuthard würden die Kontrolle über die privaten Medien anstreben. «Es droht daher eine Staatsmedienlandschaft mit einer übermächtigen SRG und privaten Trabanten.» Und weiter: «Es braucht keinen Staatsfunk, um in jedem Haushalt die ‹richtige› Nachrichtenquelle sicherzustellen.» Streaming-Dienste wie Netflix würden hochwertige Inhalte produzieren, «bei denen ein behäbiger Staatssender nicht mithalten kann.»
Gujers Kommentar erntete vereinzelt Applaus, so zum Beispiel von «Weltwoche»-Redaktor Florian Schwab, der zu den Initianten der No-Billag-Initiative gehört:
Habe den Text von @ericgujer jetzt zum dritten Mal gelesen: ein Kunstwerk. https://t.co/eNJ2liuGTi
— Florian Schwab (@FlorianSchwab) 15. Dezember 2017
Ich glaube, wenn man jeden SRG-Kritiker als niveaulosen Dummkopf diffamiert, so wie jetzt bei Eric Gujer, dann wird man sich am 4. März noch wundern, wie viele Dummköpfe es gibt in diesem Land.
— Kurt W. Zimmermann (@kurtwzimmermann) 16. Dezember 2017
Eine neue Medienordnung braucht das Land. Eine grossartige Analyse von #NZZ Chefredaktor Eric Gujer. Doch in verschiedenen Kreisen scheint Nachdenken unerwünscht, gar verboten zu sein.https://t.co/tuztXuAFig
— Peter Soland (@SolandMedia) 16. Dezember 2017
Ein Grossteil der Twitterer stellte sich jedoch gegen Gujers Kommentar. So zeigt sich Dominique Eigenmann, Korrespondent des «Tages-Anzeigers» in Berlin, «schockiert»:
Dass der Chefredaktor der NZZ zur Zerschlagung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Schweiz aufruft, schockiert mich echt. https://t.co/qm1zM9Ho3J
— Dominique Eigenmann (@eigenmannberlin) 15. Dezember 2017
Der ehemalige «Watson»-Chefredaktor Hansi Voigt findet, dass Gujer Wort für Wort den Beweis liefere, «weshalb wir die Zukunft des Journalismus von der Zukunft der bisherigen Verlagshäuser trennen müssen»:
Eric Gujer liefert, - offenbar ohne es begriffen zu haben - Wort für Wort, den Beweis, weshalb wir die Zukunft des Journalismus von der Zukunft der bisherigen Verlagshäuser trennen müssen. #digitalkännsch? #NEINzuNoBillag https://t.co/lutw4jFgwe
— hansi voigt (@hansi_voigt) 15. Dezember 2017
Auch Viktor Giacobbo schaltete sich in die Diskussion ein:
Lieber @ericgujer, nachdem du jetzt deine alte Tante für die jungen Abrissbirnen eingespannt hast, warst du am Ende deines Leitartikels doch etwas zu... ähm... feige, um eine eindeutige Parole zu fassen, nicht wahr? #NEINzuNoBillag #nzz
— Viktor Giacobbo (@viktorgiacobbo) 16. Dezember 2017
Peter Stämpfli, Direktor von Fokus Bern, twitterte, dass sich Gujer mit seinem Kommentar als einer entlarve, dem rechteste Propaganda geläufig sei:
Gujer braucht Worte wie "Staatsrundfunk" u "Staatsmedien" u entlarvt sich damit als einer, dem rechteste Propaganda geläufig ist.
— Peter Stämpfli (@Peter_Staempfli) 15. Dezember 2017
Gujer weiss, dass SRF polit. unabhängig ist, aber das will er nicht schreiben, weil ihm das nichts nützt https://t.co/nsc25kPWND @NZZ #NoBillag
Medienwissenschaftler Matthias Zehnder griff seinerseits in die Tasten und liefert eine ausführliche Replik auf Gujers Kommentar:
Eine Replik auf Eric Gujers Kommentar in der NZZ «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien» in zehn Punken.https://t.co/VB7bXpRLXV#NEINzuNoBillag #YoBillag #nzz #srg pic.twitter.com/fenoygsY1y
— Matthias Zehnder (@mattzehn) 16. Dezember 2017
Übrigens, die SRG hält selber fest, dass sie häufig als «Staatsradio» oder «Staatsfernsehen» bezeichnet werde. Zu Unrecht, heisst es. «Die SRG ist ein nach aktienrechtlichen Prinzipien geführter privater Verein mit besonderem gesellschaftlichem Auftrag (Konzession), der zur Erfüllung dieses Auftrags ein Medienunternehmen betreibt», heisst es auf der SRG-Website. (cbe)
Eine Replik zu vier Punkten aus Gujers Kommentar liefert Politikberater Mark Balsiger in einem Blogbeitrag auf persoenlich.com.
KOMMENTARE
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