20.01.2023

Rasch

«Klassische Männermagazine haben es schwer»

Das Wirtschaftsmagazin Bilanz hat eine neue Zeitschrift für Männer lanciert – und dafür sogleich Kritik kassiert. Bonanza-Redaktionsleiter Dirk Ruschmann über wilde Ritter der Wokeness, Klischees und kommerzielle Herausforderungen.
Rasch: «Klassische Männermagazine haben es schwer»
«Weisse ältere Männer sind die einzige Gruppe, die man noch ungestraft bashen darf», sagt Bonanza-Redaktionsleiter Dirk Ruschmann. (Bild: zVg)
von Michèle Widmer

Herr Ruschmann*, das neue Männermagazin Bonanza prägt «eine positive Grundhaltung». Bläst den Männern heutzutage grundsätzlich ein zu starker Wind entgegen?
Sicher ein kräftiger, das kann man in fast allen Medien besichtigen. Weisse ältere Männer sind die einzige Gruppe, die man noch ungestraft bashen darf. «Zu» stark würde ich nicht sagen.

Ist ein Männermagazin in Zeiten von Geschlechtergleichheit und der Diversität überhaupt noch angebracht?
Muss ich wirklich erklären oder gar rechtfertigen, dass wir erwachsenen Männern ein journalistisches Angebot machen? So weit gehen hoffentlich selbst die wildesten Ritter der Wokeness nicht. Oder stellen wir dann auch alle erklärten Frauenmagazine in Frage?

Die NZZ am Sonntag bezeichnete das Magazin zum Start als «unnütz». Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Diese Kategorie verstehe ich nicht. «Nützlichkeit» im Journalismus? Vielleicht kann man den K-Tipp als nützlich bezeichnen. Gegenfrage: Wem nutzt das Z-Magazin der NZZ am Sonntag – ausser ihrer Sales-Truppe, damit sie Hochglanzinserate verkaufen kann? Bonanza ist Lifestyle, wir wollen Leservergnügen bereiten, informieren, inspirieren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

«Wir wollten eine Lücke füllen»

Der Autor kritisiert auch, dass Sie die Leser als «Leseperson» ansprechen. Warum haben Sie diese Formulierung gewählt?
Überschrieben ist das Editorial mit «Das Gute im Mann», zudem wird im selben Satz dieser Ansprache die laufende Geschlechterdebatte thematisiert. Ich war mir sicher, dass in diesem Umfeld die «Lesepersonen» als leise Ironie Richtung Gendern in journalistischen Texten verstanden wird. Das war auch der Fall bei allen Leuten, mit denen ich gesprochen habe.

Warum braucht es das Heft Ihrer Meinung nach?
Es «braucht» es nicht in jenem Sinn, dass wir damit ein Ziel, ein politisches Anliegen verfolgen. Das wird zwar zunehmend Mode bei vielen Medien, aber wir bleiben bei der klassischen Linie – mach dich als Journalist mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten. Unsere Motivation war: Die Kategorie Männermagazine ist praktisch ausgestorben. Was noch da ist, siehe GQ oder Men’s Health, richtet sich eher an Mittdreissiger und Jüngere. Also wollten wir diese Lücke füllen und einem grossen Teil unserer Leser ein Lifestyle-Angebot bieten.

In der ersten Ausgabe hält der Schriftsteller Alex Capus ein «Plädoyer für den coolen Mann ab fünfzig». Ist das die Zielgruppe, die das Magazin ansprechen soll?
Diese Überschrift hat Alex Capus für seinen, übrigens grandiosen, Text selbst gewählt. Ich habe das als sein Zielbild verstanden: Er liefert jede Menge sinnvoller Vorschläge, wie wir ältere Männer uns verhalten und verbessern können, um unfallfrei Teil der Gesellschaft zu bleiben…

«Konsequent wäre, dass Sie jetzt bei der Annabelle oder der Brigitte anrufen»

Wer das Heft durchblättert, kommt an Männerklischees nicht vorbei. Es gibt Empfehlungen zu Whiskey, Uhren, Messer oder Rennwagen. Sind das die Themen, die Männer ab 50 Jahren interessieren?
Respekt – Sie haben es geschafft, auf 76 Seiten vier Lifestyle-Produkte zusammenzusuchen, die Männer tatsächlich interessieren. Aber viele Frauen übrigens auch! Und konsequent wäre, dass Sie jetzt bei der Annabelle oder der Brigitte anrufen und fragen, warum sie Horoskope oder Kochrezepte drucken – oder zehn Seiten «Beauty».

Lassen sich Themen für den aufgeklärten Mann schlechter vermarkten?
Was sicher stimmt: Klassische Männermagazine haben es schwer. Weil ihnen News-Magazine und Special-Interest-Titel zu Sport, Autos, Uhren, Stil/Kleidung, Reise, Fitness und Gesundheit, neuerdings auch Food, viele Einzelthemen abgraben. Und das trifft auch aufs Kommerzielle zu, falls Sie das mit «vermarkten» meinen.

Nun ist das erste Heft erschienen. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Zu 98 Prozent positive, auch von vielen Frauen. Einiges davon kann man unter diversen Posts auf Linkedin nachlesen.

Ringier und Ringier Axel Springer Schweiz (Rasch) ist es ein Anliegen, in den eigenen Titeln mehr Frauen zu zeigen, und setzt dabei auf den EqualVoice-Faktor. Wäre eine Frau auf der Front der nächsten Bonanza-Ausgabe denkbar?
Klar. Wir hatten ja Mads Mikkelsen auf der Front. Wenn wir in dieser Liga bleiben wollen – da fallen mir jede Menge tolle Frauen ein. Spontan: Jamie Lee Curtis. Gillian Anderson. Robin Wright. Kate Blanchett.

In welcher Auflage wird das Heft gedruckt?
Gut 50'000 Exemplare. Es liegt jeder aktuellen Bilanz und jedem aktuellen PME in der Westschweiz bei.

In welcher Periodizität soll das Magazin künftig erscheinen?
Wir diskutieren das gerade. Es war zunächst als Ersatz konzipiert für das bisherige alljährliche «Who is Who der Schweizer Wirtschaft», das sich nach unserer Meinung etwas totgelaufen hatte. Aufgrund der guten Feedbacks überlegen wir, öfter als einmal jährlich etwas zu machen. Wegen unserer zahlreichen Beilagen könnte das jedoch an der Logistik scheitern.

Mit Blick nach vorn: Welche Themen stehen im nächsten Heft im Vordergrund?
Die Planung läuft noch nicht. Aber ich verspreche, wir lassen uns auch etwas Nützliches einfallen.



* Bonanza-Redaktionsleiter Dirk Ruschmann hat die Fragen schriftlich beantwortet.



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Kommentare

  • Rolf Nimmrichter, 20.01.2023 13:23 Uhr
    Die NZZ hatte vor etwas mehr als zehn Jahren mit dem Gentlemen's Report ein eigenes, sehr ansprechendes Männermagazin als Beilage ihrer Sonntagsausgabe im Angebot. Leider wurde dieses zu bald eingestellt. Bonanza wünsche ich einen langfristigen Erfolg und den Mut, auch sperrigere Themen aufzugreifen, als die offensichtlichen.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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