04.11.2003

"Klaus J. Stöhlker, sind Sie zu weit gegangen?"

"Latent psychopathisch" sei der Zustand von Moritz Leuenberger, sagte PR-Berater Klaus J. Stöhlker am vergangenen Sonntag auf TeleZüri. Zudem verglich er den Bundesrat mit dem römischen Kaiser Nero. Das führte zum Eclat, die übrigen Teilnehmer des "SonnTalk" distanzierten sich. Nachdem TeleZüri-Programmleiter Markus Gilli gestern seine Sichtweise darlegte, hat "persoenlich.com" heute mit Stöhlker gesprochen. Das Interview:

Sie haben Moritz Leuenberger angegriffen. Werden Sie sich bei ihm entschuldigen?

Sicher nicht. Es besteht gar kein Grund. Schauen Sie, ich erhalte gegenwärtig laufend Mails. Dort heisst es im Verhältnis acht zu eins "Stöhlker, bleiben Sie dran". Drei haben natürlich auch "Stöhlker, raus aus dem Land!" geschrieben.

Dennoch: Sie hätten im "SonnTalk" auch sachlicher argumentieren können. Sind Sie zu weit gegangen?

Ich war ausgesprochen sachlich! Roger Schawinski hat die Diskussion mit dem falschen Vergleich angeheizt, Nero habe ein Pferd zum Kaiser gemacht -- dabei war das Caligula. Aber die Leute verstehen ja nichts mehr von Geschichte! So hat Nero gemäss neuer wissenschaftlicher Literatur auch nicht Rom angezündet; diese Vorstellung stammt aus Fünfziger-Jahre-Filmen. Vielmehr war Nero ein hochsensibler, intelligenter Cäsar, ein Modernisierer, der ob der Zustände in seinem Land verzweifelte.

Trotzdem: Sind Sie nicht zu weit gegangen?

Schawinski hat die Situation künstlich angeheizt, dafür kann ich nichts. Zu meinem Vergleich stehe ich aber, der ist vollkommen korrekt: Das Land und Zürich mit seinem Fluglärm sind in Schwierigkeiten, und der Bundesrat lässt sich zelebrieren als grossen Dichter und Schriftsteller. Er soll sein Geschäft machen!

Sie haben ihn auch als "latent psychopathisch" bezeichnet...

Das Wort "latent" ist wichtig. Ich bin kein Arzt, aber ich beobachte die Menschen. Um Moritz Leuenberger muss ich Sorgen haben.

Sie sind also nicht zu weit gegangen?

Nein. Was ich sagte, war hart, vor allem für Deutschschweizer Verhältnisse. In der Sache war es aber korrekt.

Nach dem Auftritt vom Sonntag riskieren Sie, zum nationalen Hofnarren abgestempelt zu werden. Fürchten Sie nicht um Ihre Glaubwürdigkeit?

"Nationaler Hofnarr", das hat ein Zürcher SP-Politiker gesagt, dem beim Interview das Hemd aus der Hose hing. Solche Äusserungen nehme ich nicht ernst. Gestern Abend war ich in Bern bei einem Anlass von Bundesrat Couchepin. Von den achtzig anwesenden Managern, unter denen auch viele Zürcher waren, ist einer aufgestanden und hat mir gratuliert. -- Gerade in diesem Augenblick erhalte ich eine Mail aus Meilen, die ich Ihnen schnell vorlese: "Lieber Herr Stöhlker, um etwas in Bewegung zu setzen, braucht es Leute, die das Kind beim Namen nennen. Sie haben es getan, hart aber gut. Das braucht Mut."

TeleZüri will Sie nicht mehr einladen. Wie beurteilen Sie diese Reaktion?

Ich möchte vorausschicken, dass ich gratis gearbeitet und seit einem Jahr keinen Rappen Honorar kassiert habe. Dass ich nicht mehr auftreten soll, ist mir, ehrlich gesagt, gleich. Ich bin nicht einer, der das mit Gewalt braucht. Ich lebe auch eher zurückgezogen und zurückhaltend.

Herr Stöhlker, Sie haben doch Spass an den öffentlichen Auftritten!

Dass das am Sender Spass macht, ist klar -- aber es ist kein Muss. Ich habe andere Möglichkeiten, mich auszudrücken. So verkaufen sich beispielsweise meine Bücher gut.

TeleZüri wirft Ihnen die "Verletzung eines Ehrenkodex'" vor, gleichzeitig lebt der "SonnTalk" von kontroversen Personen. Wie interpretieren Sie das?

Erstens war mein Angriff weniger stark als andere, die Schawinski früher gefahren hat -- er war da viel brutaler, meiner war nichts Besonderes. Und zweitens muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich den Ehrenkodex von TeleZüri nicht kenne; den habe ich noch nie gesehen.

Das bedeutet, dass Sie für Ihre Auseinandersetzung mit dem Sender andere Gründe sehen?

Markus Gilli will Moritz Leuenberger unbedingt in seine Sendung einladen -- was ich damals aber nicht wusste. Als ich den Uvek-Vorsteher dann direkt angriff, sah Gilli seine Chance schwinden, dass Leuenberger je wieder zum Sender kommt. Deswegen hat Gilli so einseitig gegen mich reagiert.

Es haben sich aber auch die anderen beiden Diskussionsteilnehmer distanziert.

Schawinski ist ein grosser Rhetoriker, ich schätze ihn sehr. Er sah da seine einmalige Chance, den Guten zu spielen. Und Frau Buholzer ist dann rhetorisch mitgelaufen.


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