Weil die NZZ Regionalmedien sparen müssen, verlagern sie das Korrektorat ins Ausland. Wie das SRF-Regionaljournal berichtete, werden die Zeitungsartikel statt in St. Gallen oder Luzern künftig in Bosnien-Herzegowina korrigiert.
Pascal Hollenstein, publizistischer Leiter der NZZ Regionalmedien, zu denen das «St. Galler Tagblatt» und die «Luzerner Zeitung» gehören, begründete die Auslagerung der Korrektorate der beiden Zeitungen mit dem Spardruck. Er bedauere diesen Schritt. Er sei vor der Wahl gestanden, das Korrektorat ins Ausland zu verlagern oder ganz darauf zu verzichten.
Die Korrektoratsarbeiten würden extern an ein deutsches Unternehmen vergeben, sagte Hollenstein im Interview. In Zukunft sollen junge Frauen in Banja Luka die Artikel auf Fehler prüfen. Die Mitarbeiterinnen seien ehemalige Flüchtlinge, die während des Jugoslawienkrieges in deutschsprachigen Ländern Zuflucht gefunden hätten. Viele von ihnen hätten Germanistik studiert, sagte Hollenstein weiter.
Die Korrektorinnen würden nun systematisch auf die in der Schweiz gebräuchlichen sprachlichen Besonderheiten, sogenannte Helvetismen, vorbereitet.
Bis zu 30'000 Seiten pro Jahr
Wie persoenlich.com weiss, handelt es sich beim deutschen Unternehmen um Tool-e-byte, das nun nach Mitarbeitern sucht. Wie dem Stelleninserat zu entnehmen ist, soll ein internationales Team nicht nur in Bosnien, sondern auch in Peru und gegebenenfalls in Indien aufgebaut werden. Ausserdem heisst es, dass pro Jahr bis zu 30'000 Seiten anfallen sollen.
Im Ausland werden die Regionalseiten gelesen, nicht aber der Mantel. «Wir müssen ja sparen, und die Regionalseiten machen den grössten Teil des Umfangs aus», sagte Hollenstein auf Anfrage von persoenlich.com. Mit einer Geringschätzung des Lokaljournalismus habe dies nichts tun, da der Entscheid für die Auslagerung nicht die NZZ-Gruppe, sondern die NZZ Regionalmedien selber gefällt habe. «Wir würden uns ja sonst selbst geringschätzen», so Hollenstein.
Gewerkschaft schaltete sich ein
Dass die Korrektorat-Arbeiten ausgelagert werden, hatte die NZZ-Gruppe bereits am Dienstag bekannt gegeben, als sie vermeldete, dass die «Ostschweiz am Sonntag» ab November nur noch als E-Paper erscheinen werde. Fünf Mitarbeitenden aus dem Bereich Verlagsservices und Druck werde gekündigt, vier weiteren werde die frühzeitige Pensionierung angeboten (persoenlich.com berichtete).
Die Gewerkschaft Syndicom drohte am Freitagvormittag, bei der NZZ-Gruppe vorstellig zu werden, falls dieser Anbieter das Korrektorat nicht zu Gesamtarbeitsvertrags-Bedingungen ausführen sollte. «Solches Lohndumping würde der NZZ-Gruppe, die bisher Qualität als Merkmal verkaufe», schlecht anstehen, schrieb Syndicom (persoenlich.com berichtete). (sda/cbe)
Kommentare
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Pius Kessler, 23.09.2017 18:13 Uhr
Nur zur Präzisierung. das interview und die recherchen stammen von hier: http://www.srf.ch/news/regional/ostschweiz/einsparungen-tagblatt-verlagert-teile-des-korrektorats-nach-bosnien www.srf.ch/ostschweiz -
Robert Weingart, 23.09.2017 09:23 Uhr
Vielleicht merken die Leser auch, wenn die Verlage nicht mehr an ihre eigenen Produkte und deren Qualität glauben oder zumindest sich so verhalten, als dass sie es nicht mehr tun. -
Sebastian Renold, 22.09.2017 19:57 Uhr
Dem Korrektorat werden im NZZ-Verbund über kurz oder lang auch die Redaktionen folgen müssen: Beim Mutterblatt hat sich unter Gujer der Schwerpunkt bereits deutlich nach Deutschland verlagert, weshalb his Masters ehrgeizige neue Inland-Voice Schoenenberger ja auch schon die Schweizer Regional-Korrespondenten gestrichen hat. Leider: Auch die NZZ und ihre Ableger in Luzern und St. Gallen werden entbehrlich, wenn sie aus Sarajevo kommen und ihr Zielpublikum in Düsseldorf liegt! -
Kurt Henauer, 22.09.2017 18:30 Uhr
Unglaublich. Walter Heuer wird sich wohl im Grab umdrehen -
Nico Herger, 22.09.2017 16:55 Uhr
Dann wundern sie sich, dass niemand mehr für diese Blätter bezahlen will. Was für ein Imageverlust für die NZZ. Heuer, Flückiger und andere Korrektoren-Koryphäen würden sich im Grab umdrehen.