09.09.2021

Corona-Demos

Medienschaffende brauchen Personenschutz

Das Aggressionspotenzial gegen Journalistinnen und Journalisten nimmt zu. In Bern, an einem Protest gegen die Ausweitung der Zertifikatspflicht, mussten Reporter geschützt werden. Wie Blick, 20 Minuten und SRF auf zunehmend verhärtete Fronten reagieren.
Corona-Demos: Medienschaffende brauchen Personenschutz
Während der Demo in Bern bewachten zahlreiche Polizisten und Polizistinnen den Umzug, um Zusammenstösse zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten zu verhindern. (Bild: Keystone/Marcel Bieri)
von Christian Beck

Einige tausend Menschen haben sich am Mittwochabend in Bern zu einer Spontandemo gegen die Ausweitung der Zertifikatspflicht versammelt. Zur Demo aufgerufen haben eine Reihe von Organisationen, die sich seit Längerem gegen die Corona-Massnahmen wehren. Auch Gegendemonstranten waren aufgetaucht.

Die Besammlung erfolgte auf dem Bahnhofplatz, der Umzug führte durch die Innenstadt mit dem Ziel Bundesplatz. Die Kundgebung wurde begleitet durch diverse Medien. So streamten beispielsweise blick.ch und 20min.ch live von der Kundgebung. Der Reporter von 20 Minuten erwähnte während der Übertragung, dass er Personenschutz habe – wie andere Medien auch.

20 Minuten bestätigte gegenüber persoenlich.com den Einsatz von Personenschützern. «Die Sicherheit unserer Mitarbeitenden ist uns sehr wichtig, weshalb wir bei Anlässen, bei denen eine explosive Stimmung zu erwarten ist, Sicherheitspersonal zu den Einsätzen mitschicken», so Eliane Loum-Gräser, Leiterin Kommunikation 20 Minuten. Ausschlag für die Massnahme hätte ein tätlicher Angriff auf einen eigenen Journalisten in Luzern im Mai 2021 gegeben (persoenlich.com berichtete).

Aber weshalb wird nicht gleich auf Livestreams verzichtet und stattdessen inkognito von solchen Anlässen berichtet? «Livestreams sind für 20 Minuten ein wichtiges Mittel, um in Echtzeit darüber zu informieren, was in der Schweiz passiert», so Loum-Gräser weiter. «Wir entscheiden fallbezogen aufgrund von Aktualität und Relevanz, ob wir einen Livestream realisieren oder nicht.»

Risikoabschätzung vor Einsätzen

Etwas bedeckter ist die Blick-Gruppe. Zwar werde «mit Sorge das zunehmende Aggressionspotenzial (verbal und physisch) gegen Journalistinnen und Journalisten» beobachtet. Aber: «Sicherheitsmassnahmen sind umso wirksamer, je weniger darüber bekannt ist», so Ringier-Kommunikationschefin Johanna Walser auf Anfrage. Deshalb gebe die Blick-Gruppe zu diesem Thema generell keine Auskunft.

Auch SRF stellt fest, «dass der Ton gegenüber Medienschaffenden rauer geworden ist» – auch in den sozialen Medien. «Bei Dreharbeiten in der Schweiz ist der Tonfall je nach Thema punktuell rauer geworden», so SRF-Sprecher Stefan Wyss zu persoenlich.com. «Öffentliche Impfveranstaltungen werden häufig auch von Kritikern begleitet und gestört, welche auch die Journalistinnen und Journalisten immer mal wieder verbal beleidigen oder bei Interviews stören. Wir merken, dass sich die Fronten verhärtet haben.»

Seit Längerem gibt es solch aufgeheizte Stimmungen beispielsweise bei 1.-Mai-Demonstrationen oder Fanmärschen. Neu ist dies bei Demos von Impfskeptikern oder Kritikern der Corona-Massnahmen der Fall. «Vor solchen Einsätzen wird stets eine interne Risikoabschätzung durchgeführt, um das Gefahrenpotenzial eines Drehs vor Ort zu beurteilen», so Wyss. Je nach Einschätzung würden die Journalistinnen und Journalisten sowie Kameraequipen durch zusätzliches Sicherheitspersonal geschützt. Oder aber der Drehort werde so festgelegt, dass die Medienschaffenden aus sicherer Distanz arbeiten können.

Die Demonstration in Bern blieb derweil ohne grosse Zwischenfälle. Im Zusammenhang mit den diversen Provokationen rund um die Demo seien mehrere Personen kontrolliert worden, wie die Kantonspolizei Bern auf Twitter schrieb. In neun Fällen sei eine Wegweisung ausgesprochen worden.



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Kommentare

  • Thomas Frank, 10.09.2021 23:11 Uhr
    Ich denke Journalisten und Medien müssen noch lernen, dass man nicht einfach ohne Konsequenzen für ein paar Klicks die Stimmung aufheizen kann. Der Journalismus erlebte in den letzten 18 Monaten einen äusserst tiefen Fall.
  • Rudolf Bolli, 10.09.2021 13:02 Uhr
    Warum denn so apodiktisch, Victor Brunner? Bei Livestreams kommt es doch wie bei allen journalistischen Mitteln darauf an, wie man sie verwendet. Aber vielleicht wäre es journalistischer, von Videobericht statt von Livestream zu sprechen. Ein "stream" kann ja die verschiedensten Dinge transportieren, vom Sodawasser bis zum Opernspektakel, wenn dieses per Streaming übertragen wird. Übrigens haben uns "Livestreams" immer wieder besonders eindrückliche Bilder gebracht, beispielsweise von 9/11, vom Sturm auf das Capitol in Washington oder vom Chaos am Flughafen von Kabul.
  • Victor Brunner, 10.09.2021 08:27 Uhr
    «Livestreams sind für 20 Minuten ein wichtiges Mittel, um in Echtzeit darüber zu informieren, was in der Schweiz passiert», so Loum-Gräser weiter. Ist natürlich Unsinn, Livestreams sind die Abkehr vom Journalismus, ein paar schnelle Bilder, kurze aufgeregte Kommentare wie bei einer Verfolgungsjagd. Livestreams haben mit Journalimsus wenig zu tun und sind nur noch Fastfood für einfache Gemüter.
  • Jürg Streuli, 10.09.2021 00:12 Uhr
    Gewalt ist niemals zu rechtfertigen. Doch die Wut gegen die linken Boulevardmedien hat Ursachen. Was von dieser Seite betrieben wird ist der Versuch der Kriminalisierung der Impfskeptiker. Wenn ein Marco Rima in einer Karikatur wie aus dem faschistischen Hetzblatt „Der Stürmer“ dargestellt wird, müssten die Alarmglocken läuten. In dieselbe Kategorie fallen Beschimpfungen wie „Volksfeinde“ und „Schädlinge“. Es scheinen sämtliche Hemmungen zu fallen.
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