Am Standort von Microsoft Schweiz, in Zürich-Wallisellen, zeigt der Tech-Gigant auf, wohin die Reise gehen soll mit «Microsoft News», dem Angebot kuratierter Informationen und Analysen. Das Unternehmen will lokale, personalisierte Nachrichten in Sport, Politik, Wirtschaft oder Lifestyle liefern – ohne dabei selber eine Redaktion zu betreiben.
Die Texte, welche auf der MS-Office-Startseite msn.ch (früher Einstieg zu hotmail.com) angezeigt werden, aber auch auf der eigenen Suchmaschine Bing, im Betriebssystem Windwos, dem eigenen Browser und Edge, auf Skype, Xbox, Outlook sowie in diversen Apps, werden in einem hochmodernen «MSN Newsroom» in Berlin kuratiert. Dort arbeiten 90 «Content Editors», einige davon sind ehemalige Journalisten. Sie bestücken diese Plattformen für Europa – sprich für zwölf Länder in zehn Sprachen und erreichen so laut eigenen Angaben 55 Millionen Nutzer. Weltweit sind die Zahlen von «Microsoft News» noch beeindruckender: 140 Länder, 30 Sprachen, 800 «Content Editors» und eine Reichweite von fast 500 Millionen Menschen.
Mit 15 Schweizer Medienmarken
Eigene Reporter gibt es im «MSN Newsroom» nicht. Es werden ausschliesslich Texte von Medienmarken aggregiert, darunter «New York Times», «Guardian», «El País» oder «Le Monde». Im deutschsprachigen Raum sind es etwa «Die Zeit», «Welt», «Süddeutsche», «Tagesspiegel» oder «Cosmopolitan». Das für die Schweiz zuständige Redaktionsteam umfasst, zusammen mit Festangestellten und Freelancern, acht Stellen. Es erarbeitet zwei Versionen: eine deutsch- und eine französischsprachige und verwendet dafür Inhalte von 15 Schweizer Titeln, darunter «Bilanz», «Watson» oder die «Handelszeitung», aber auch der Keystone-SDA und von acht Tamedia-Titeln wie folgende Grafik zeigt:
Microsoft betont, wie sehr sich das Unternehmen für den Journalismus einsetzt und diesen in einer schwierigen Zeit unterstützt. «Microsoft News» verwende, um Fake News entgegenzuwirken, ausschliesslich «hervorragenden Qualitätsjournalismus», sagt Dirk Kleine,Direktor für das Microsoft News Business, anlässlich der Präsentation vom Mittwoch in Wallisellen. Und ganz wichtig: «Microsoft hat in den letzten vier Jahren 700 Millionen Dollar an Verlage weltweit zurückvergütet.» Mit dieser Botschaft will sich der Software-Gigant von Gegenspielern wie Google oder Apple abheben, die derzeit in der Kritik stehen, weil sie für ihre Angebote «Google News» und das geplante «Apple News» keine oder zu wenig hohe Entschädigungen zahlen würden (persoenlich.com berichtete).
So ganz transparent ist Microsoft dabei aber nicht. Zahlen zu den ausbezahlten Entschädigungen in der Schweiz gibt das Unternehmen nicht preis. «Wir publizieren keine Einzelheiten zum Revenue-Share an einzelne Partner», sagt Mila Dimic, die Chefin von «Microsoft News Schweiz», auf Anfrage von persoenlich.com.
Tamedia erhält am meisten
Somit müssen wir schätzen, respektive eine Überschlagsrechnung machen: Wenn man den vollen Betrag (700 Millionen in vier Jahren) herunterbricht, sind es 175 Millionen Dollar, die jährlich an Verlage in 140 Länder verteilt werden. Das macht pro Land 1,25 Millionen Dollar. Der Betrag für die Schweiz dürfte viel tiefer liegen, da es sich im Vergleich mit den USA oder Indien um einen sehr kleinen Markt handelt. Der Löwenanteil des Betrags dürfte an Tamedia entfallen, da dieser Verlag mit acht von 15 Medienmarken Haupt-Kooperationspartner von «Microsoft News Schweiz» ist.
Zu den konkreten Zahlen äussert sich Tamedia auf Anfrage nicht, lässt aber durchblicken, dass die Vergütungen noch nicht zufriedenstellend sind. «Wir sehen das grundsätzlich erstmals als Test. Sollten wir uns für eine langfristige Zusammenarbeit mit ‹Microsoft News› entscheiden, müssten die Konditionen sicherlich nachverhandelt werden», so Tamedia-Sprecher Roman Hess.
Wie die Verlage setzt auch Microsoft zur Refinanzierung auf Werbung. «Microsoft News» besteht nämlich nicht nur aus «hervorragendem Qualitätsjournalismus» der Verlage, sondern zu einem wesentlichen Anteil aus Native Advertising und programmatischer Display-Werbung (Partner siehe Grafiken unten). Die so generierten Einnahmen teilt Microsoft mit den Verlagen. Mit welchem Schlüssel genau, sagt Microsoft nicht. «Wir teilen die erzielten Revenue-Umsätze zu einem bestimmten, mit dem Partner ausgemachten Prozent-Anteil», sagt Dimic von Microsoft.
«Unser Geschäftsmodell setzt auf die Premium-Inhalte unserer Partner und daher möchten wir die auch entsprechend vergüten. Unsere Geschäftsbeziehung zu Partnern hängt auch davon ab, dass diese glücklich sind und die Zusammenarbeit als lohnenswert empfinden», so Dimic weiter.
Grosser Vorsprung bei Technologie und Daten
Zwar besitzt Microsoft keine eigene Redaktion, dafür sitzt es im Vergleich mit den Verlagen an zwei anderen Stellen am längeren Hebel: Erstens in punkto Anzahl Berührungspunkten mit Kunden: im Betriebssystem Windows, im neuen Browser Edge bei der hauseigenen Suchmaschine Bing. Zweitens in punkto Technologie: Weltweit arbeiten tausende Mitarbeiter an Angeboten im Bereich Künstlicher Intelligenz. So sollen in Zukunft stark personalisierte Newsfeeds möglich sein, die auf Geodaten und IP-Adressen basierend sehr lokal konfektioniert werden. Auch Microsofts Nutzerdaten düften dort einfliessen. Zudem wird Microsoft unterschiedliche Darstellungsformen zur Verfügung stellen – je nach Geschmack der Nutzer: etwa eine mit grossen Bildern und wenig Text («wird in Europa bevorzugt»), oder eine mit vielen Links («Amerikaner mögen Link-Density»).
Noch kommt der Grossteil der Nachrichten-Nutzer aus dem klassischen Microsoft-Ökosystem und mit Desktop-Geräten. Doch Microsoft ist daran, ins Mobile-Umfeld vorzustossen. Das Unternehmen hat im Sommer eine neue Microsoft News App für iOS und Android veröffentlicht.
Konkurrentin Apple wird voraussichtlich im März sein Angebot «Apple News» lancieren. Hier ist derzeit ein Streit mit den Verlagen im Gang. Apple wolle einen Erlösanteil von etwa 50 Prozent behalten, dass sei aussergewöhnlich hoch (persoenlich.com berichtete). Der andere starke Mitbewerber Google unterstützt die Verlage über den Digital News Innovation Fund. Letztes Jahr gab es insgesamt 93'000 Euro für zwei Schweizer Projekte (persoenlich.com berichtete). Der Suchmaschinen-Riese zahlt bislang aber kein Geld für die journalistischen Inhalte, die es über «Google News» anbietet. Das könnte sich jedoch ändern, falls die vorgeschlagene Änderung im Urheberrecht vom EU-Parlament und den Staaten der Europäischen Union bestätigt wird.