15.10.2002

NZZ-Chefredaktor Hugo Bütler zum Stellenabbau

Die NZZ wird, wie bereits gestern berichtet, 80 Stellen abbauen, was einer Rücknahme des Mitarbeiterbestandes um zehn Prozent entspricht. Diese verteile sich ungefähr gleichmässig auf die Bereiche Redaktion, Verlag, Produktion und Finanzen/Informatik/Personal, wie die NZZ in ihrer Mittwochsausgabe mitteilt. Der Abbau werde über natürliche Fluktuation, ordentliche und vorgezogene Pensionierungen sowie durch Reduktion von Arbeitspensen vorgenommen. Darüber hinaus sei die Entlassung von 27 Mitarbeitern "unumgänglich", die Betroffenen seien informiert, schreibt das Blatt weiter. Grund für den Abbau sei eine "Anpassung der Betriebskosten an die deutlich verminderten Einnahmen". Der Rückgang im Inserategeschäft betrage -- verglichen mit dem Jahr 2000 -- 40 Millionen Franken. "persoenlich.com" hat sich mit NZZ-Chefredaktor Hugo Bütler (Bild) unterhalten.
NZZ-Chefredaktor Hugo Bütler zum Stellenabbau

Ticket, Internet-Auftritt, Sonntagsausgabe: Hat die NZZ während den Boom-Jahren über ihre Verhältnisse gelebt?

Nein. Wir konnten uns immer aus unseren Erträgen finanzieren. Im Gegensatz zu anderen haben wir keine Expansion auf Kredit betrieben.

Wie konnte es aber geschehen, dass ausgerechnet die NZZ mit ihrer starken Wirtschaftskompetenz nicht mit einem Konjunktureinbruch gerechnet hat?

Mit Schwankungen muss man in der Medienwelt immer rechnen, der gegenwärtige Einbruch gehört allerdings nicht zu den "normalen" Bewegungen. Der letzte vergleichbare Einbruch fand während der Ölkrise der siebziger Jahre statt, danach gab es zwei kleinere Konjunkturschwächen in den Neunzigern. Mir ist aber niemand bekannt, der den jetzigen Einbruch in seinem Ausmass vorausgesehen hätte.

Der redaktionelle USP der NZZ besteht in ihrer Gründlichkeit und der Abdeckung eines breiten Themenspektrums durch SpezialistInnen. Jetzt wird ein Leistungsabbau in Kauf genommen. Wie wollen Sie da gegen die Konkurrenz bestehen?

Wir werden auch nach den anstehenden Massnahmen eine hervorragende Mannschaft haben und besser gerüstet sein als die Konkurrenz -- sowohl im In-, als auch im Ausland, für die Wirtschaft wie die Kultur. Während verschiedene amerikanische Zeitungen in den vergangenen Jahren dazu übergegangen sind, Korrespondenten punktuell an Orte des Geschehens einzufliegen, werden wir weiterhin ein stehendes Netz haben, das sich neben den anderen sehen lassen kann. Im Übrigen kann man eine gute Zeitung auf verschiedene Arten machen. Vor dreissig Jahren etwa stellten wir ein hervorragendes Produkt mit erheblich weniger Leuten her. Jetzt nehmen wir hier und dort etwas Kraft zurück, der Leser wird aber auch künftig umfassend und mit der nötigen Tiefe informiert werden. Wir haben den Ehrgeiz, auch in schwierigen Zeiten ein gutes Blatt zu produzieren.

Sie setzen offenbar auf lineare Kürzungen über alle Bereiche, gleichsam ein umgekehrtes Giesskannenprinzip. Fehlte der Mut, sich von unrentablen Bereichen zu trennen?

Wir haben alle Bereiche durchforstet und Sparpotential gefunden. Entsprechend setzen wir Akzente, ein umgekehrtes Giesskannenprinzip ist das keinesfalls. Die Kürzungen werden auch nicht linear vorgenommen, sondern dort, wo Einsparungen ohne Qualitätsverluste möglich sind. Im Gegenzug haben wir beispielsweise die Bundeshausredaktion verstärkt, und auch in New York wird leicht aufgestockt. Ertragsschwache Aktivitäten haben wir selbstverständlich besonders genau betrachtet, und was Verluste bringt, muss restrukturiert werden. Eine Einstellung einzelner Produkte ist nicht nötig.


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